Mamablog: O du liebe Zeit!Care-Arbeit gehört (endlich) honoriert
Gerade während der ersten Lebensjahre eines Kindes wäre es sinnvoll, sich nicht ständig zwischen Job, Hausarbeit und Kinderbetreuung aufzureiben. Der Gesellschaft zuliebe.
Wer ein Kind gross zieht, kennt sie, die immer wiederkehrenden gleichen Tage, die geprägt sind durch den normalen Wahnsinn, was nichts anderes heisst, als das Kind mit frischen Kleidern, Windeln, Essen und vor allem mit Zuwendung zu versorgen – und gleichzeitig das Chaos in Küche, Kinderzimmer und überall dort, wo sich noch dreckige Socken oder Essensresten verstecken könnten, in Grenzen zu halten. Und dann vielleicht noch etwas arbeiten. Am Ende der sehr langen Tage, die manchmal einfach nicht enden wollen, hat sich die To-do-Liste mindestens verdoppelt und die Erschöpfung verdreifacht. Lesen Sie hierzu auch den Papablog: Heute mal wieder nichts geschafft?
Unsere Familienpolitik macht es einem auch ganz schön schwierig, Care-Work und Mental Load sowie sonstige Arbeit unter einen Hut zu kriegen.
So vergehen Wochen, Monate, Jahre, wobei Eltern nicht selten vergessen, einfach einmal innezuhalten. Hierbei ertappe auch ich mich immer wieder. Denn plötzlich steht da so ein perfekter Zweijähriger vor mir. Einfach so. Manchmal komme ich aus dem Staunen kaum raus: Woher weiss dieser kleine Mann, wo welche Socken versorgt werden? Seit wann kann er sich die Jacke selbst ausziehen? Wie kann er sich merken, wo unser Auto steht? Und er macht ja schon richtige kleine Sätze! Ein Wunderkind!
Sich an politische Bequemlichkeiten anpassen
Die Quintessenz lautet also: Während die Zeit manchmal still zu stehen scheint, zieht sie gleichzeitig im Eiltempo an uns vorbei. Und mit ihr gewisse Entwicklungsschritte unserer Kinder. Natürlich verpasst man diese nicht gänzlich. Ich persönlich habe eher das Gefühl, manchmal den Überblick über das Ganze zu verlieren. Aber wen wundert es – unsere Familienpolitik macht es einem auch ganz schön schwierig, Care-Work und Mental Load sowie sonstige Arbeit und bestenfalls etwas Self-Care unter einen Hut zu kriegen. Und weil unser Staat und unsere Gesellschaft, zumindest der kinderlose Teil, in naher Zukunft nichts Grundlegendes zu ändern gedenkt, liegt es wieder einmal an uns Eltern, uns an die politische Bequemlichkeit anzupassen.
Und das ist nicht in Ordnung. Denn dies hat nicht nur zur Folge, dass Entwicklungsschritte erst verspätet festgestellt werden, sondern auch, dass wir uns nicht mehr an sie erinnern können. Viele von uns kennen die Fragen: «Wie war das denn bei euch?» Das gilt nicht nur für den damals bevorzugten Brei oder die ersten Krabbelversuche, sondern etwa auch für Kinderkrankheiten und die zugehörigen Hausmittel. Hier bin ich teilweise wieder auf dem gleichen Stand wie vor der Geburt meines Sohnes, nämlich auf dem Nullpunkt.
Man könnte nun argumentieren, dass dies ja nur zeigt, wie fest man als Mami im Moment leben und bei sich selbst ist. Aber diese Argumentation geht nicht auf. Oftmals rattert es ja permanent – Mental Load statt Achtsamkeit also. Um nicht gänzlich im normalen Wahnsinn zu versinken, bleibt häufig nur, einen Gang runterzuschalten.
Care-Arbeit endlich angemessen honorieren
Einfacher gesagt als getan: Gar nicht mehr arbeiten liegt aufgrund finanzieller Bedingungen häufig gar nicht erst drin. Würde die von Müttern geleistete Care-Arbeit hingegen endlich angemessen honoriert, hätten Mütter nicht nur mehr Raum, um die unglaubliche Entwicklung dieser herzigen «Geschöpflis» bewusster zu erleben. Sie wären auch vielmehr Teil des öffentlichen Lebens, also Mütter und Kinder, so wie wir dies etwa aus Italien oder Spanien kennen. Dort dürfen Kinder noch mit zum Essen ins Restaurant.
Lasst die Mamis doch Mamis sein und ihren Job machen!
Gut, man müsste die Zeit des Abendessens auf schweizerische Verhältnisse anpassen. Aber hierzulande verschwinden Kinder nicht selten aus dem öffentlichen Leben und werden vor allem in der Rushhour wahrgenommen, wenn sich Herr und Frau Schweizer über die Kinderwagen im Bus ärgern. Ähm ja, würdigt das Kinderhaben doch angemessener, lasst die Mamis doch Mamis sein und ihren Job machen, zumindest in diesen so prägenden ersten Lebensjahren. Dann würde endlich mehr Ruhe einkehren – zu Hause, in den Kitas, der Migros und in unseren Köpfen. Und auch während der Rushhour, denn womöglich würden viel mehr Mütter bereits um vier das Tram nehmen.
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