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Meinung

Bertschys Blitzpost
Endlich eine Rentenreform für die Frauen

ONLINE TEASER

Portrait von Kathrin Bertschy, Autorenbild der neuen Kolumnistinnen.
02.02.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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Liebe Rosmarie Zapfl

Der Bundesrat hat letzte Woche die Volksabstimmung zur Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) für September angesetzt. Ich musste an dich denken. Schon 1997 hast du als CVP-Nationalrätin die parlamentarische Initiative «Teilzeitbeschäftigung. Koordinationsabzug» eingereicht. Dein Ziel: Teilzeitbeschäftigten, und damit vielen Frauen im Land, endlich eine faire Pensionskasse zu ermöglichen.

Schon vor 27 Jahren erkannte der Nationalrat den Handlungsbedarf. Du konntest bereits damals auf beachtliche überparteiliche Unterstützung zählen – insbesondere von weiteren Nationalrätinnen. Dennoch: Vier Jahre später wurde dein Anliegen einfach abgeschrieben. Das gleiche Schicksal erlitten Vorstösse von Christiane Brunner (SP), Margrit Camenzind (CVP) und Christa Markwalder (FDP). Es fehlte jahrzehntelang am politischen Willen, den gravierenden Konstruktionsfehler zu korrigieren, der Teilzeitbeschäftigten und kleinen Einkommen oft eine gute Pension verunmöglicht: den fixen Koordinationsabzug in der zweiten Säule.

Fair und prozentual zum Lohn

Koordinationsabzug tönt nach staubtrockener Materie. Und doch ist er so entscheidend. Bis heute wird beim BVG vom Einkommen ein fixer Abzug von gut 25’000 Franken vorgenommen. Dieser Teil des Lohns ist nicht versichert und profitiert auch nicht von Beiträgen der Arbeitgebenden oder Zinsen in der Pensionskasse. 

Wer ein bescheidenes Einkommen erwirtschaftet, Teilzeit arbeitet oder mehrere Beschäftigungen ausübt, den trifft das weit überproportional. Diese Personen haben trotz Erwerbstätigkeit eine sehr tiefe oder gar keine Pensionskasse, Frauen sind überdurchschnittlich betroffen. Sie haben häufiger keine zweite Säule.

Der fixe Koordinationsabzug ist ein, wenn nicht der entscheidende Faktor für den in der Schweiz im internationalen Vergleich sehr hohen «Gender Pension Gap» – die Rentenlücke der Frauen im Vergleich zu den Männern: Sie haben im Schnitt rund 35 Prozent respektive fast 20'000 Franken weniger Rente pro Jahr. 

Du, liebe Rosmarie Zapfl, erkanntest das schon vor 30 Jahren. Und hast als Präsidentin von Alliance F – des überparteilichen Dachverbands der Frauenorganisationen – weitergekämpft. Doch erst 2019, mit dem höheren Frauenanteil im Bundesparlament, erhielt das Anliegen das nötige Gewicht. Und so schaffte es eine Anpassung des Koordinationsabzugs durch den National- und den Ständerat. Dieser wird neu fair und prozentual zum Lohn berechnet, das verbessert die Pensionskasse für tiefe Löhne und Teilzeit massiv.

Zehntausende erhalten neu eine Rente

Dazu brachten wir auch noch die Senkung der Eintrittsschwelle in die Reform. Der Bundesrat hat berechnet, dass allein damit 70¨’000 Personen neu in der zweiten Säule versichert werden. Sie bekommen damit endlich eine Pensionskasse und sie und ihre Familien bei Schicksalsschlägen eine Invaliden- beziehungsweise Hinterlassenenrente. Das sind entscheidende Verbesserungen in oft prekären Situationen. Pensionskassen erzielen sichere und höhere Zinsen als jede private Alternative. Es ist entscheidend, dieses privilegierte Vorsorgesparen den Teilzeitangestellten besser zugänglich zu machen und ihre Pensionskassenrenten damit substanziell zu verbessern. 

Die BVG-Reform ist ein Kompromiss und enthält weitere, durchaus umstrittene Elemente. Die Referendumsführer bekämpfen die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes, die effektiv rund 15 Prozent der Versicherten betrifft – bei allen anderen wurde er bereits durch die Pensionskassen an die höhere Lebenserwartung angepasst. Am anderen Pol wird teilweise beanstandet, die Rentenzuschläge für die Übergangsgeneration seien zu hoch ausgefallen, weil sie auch jenen zugutekommen, die nicht von einer Senkung des Umwandlungssatzes betroffen sind. 

Keine Reform der Welt schafft nur Gewinnerinnen und Gewinner. Und es ist einfacher, Einzelfälle zu skandalisieren, als faire Lösungen zu zimmern.

Die Reform ist ein gutschweizerischer Kompromiss. Und sie korrigiert nach Jahrzehnten endlich den entscheidenden Konstruktionsfehler, den viele Politikerinnen und Frauenorganisationen seit 30 Jahren korrigieren wollen. Das bewog auch die Delegiertenversammlung von Alliance F, sich klar dafür auszusprechen. Es ist mir eine grosse Ehre, mich als deine Nachfolgerin im Kopräsidium des Frauendachverbands für das Anliegen einzusetzen, das du vor 27 Jahren erkannt und auf das politische Parkett gebracht hast. Mit der Unterstützung der Stimmbevölkerung dürfte dieser Meilenstein endlich gelingen – von dem inzwischen notabene auch viele Teilzeit angestellte Männer profitieren. 

Herzliche Grüsse

Kathrin Bertschy