Abstimmung vom 22. SeptemberMal Nein, mal Ja – warum diese Unterschiede bei den BVG-Umfragen?
Während die Rentenreform in der Tamedia-Befragung auf wenig Zuspruch stiess, kommt sie bei jener der SRG auf ein relatives Ja. Wie sich solche Differenzen erklären lassen.
Es kommt eher selten vor, dass die Ergebnisse der Abstimmungsumfragen derart stark auseinanderklaffen wie bei der BVG-Reform. Öfter fallen sie in etwa ähnlich aus – wie bei der Biodiversitätsinitiative. Dort resultiert bei der Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» ein Ja-Anteil von 51 Prozent, während 42 Prozent Nein stimmen wollen. Ein sehr ähnliches Bild zeigt sich bei der Umfrage der SRG: 51 Prozent sind dafür und 43 Prozent dagegen.
Ganz anders sieht dies bei der Revision des Gesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) aus, über die ebenfalls am 22. September abgestimmt wird. Hier kommt die Vorlage bei der Tamedia-Umfrage auf 33 Prozent Ja und 59 Prozent Nein. Bei der SRG hingegen sind es 49 Prozent Ja und 39 Prozent Nein. Wie ist das möglich?
Sowohl Lukas Golder von GFS Bern, der die SRG-Umfrage durchführt, als auch Fabio Wasserfallen von Leewas, der für die Befragung von Tamedia und «20 Minuten» zuständig ist, verweisen auf die unterschiedliche Methodik – und auf das noch unklare Meinungsbild bei einer komplexen Vorlage in einem frühen Stadium.
Hinzu kommt: GFS Bern hat 12’332 Personen vom 29. Juli bis zum 12. August befragt. Ein Grossteil antwortete also, bevor am 6. August etwas Wesentliches geschah. An diesem Tag machte das Bundesamt für Sozialversicherungen seinen Rechenfehler bei der AHV publik. Das hat zwar nichts mit der beruflichen Vorsorge zu tun. Aber dieses Ereignis scheint das Vertrauen in die Behörden beschädigt zu haben.
Lukas Golder spricht von einem «kritischen Ereignis». Die Daten vor und nach diesem Tag würden sich unterscheiden. Nun müsse man abwarten, wie wichtig dieser AHV-Rechenfehler am Ende für das Abschneiden der BVG-Reform sei. Möglicherweise lasse der Effekt auch nach.
Gegner legen bei Referenden tendenziell zu
Die Tamedia-Umfrage wurde am 7. und am 8. August durchgeführt, also an den beiden Tagen nach der Bekanntgabe der Rechenpanne. Hier könnte sich der Vertrauensverlust bei den 11’865 Teilnehmenden besonders stark ausgewirkt haben.
Golder rechnet allerdings nicht damit, dass der Effekt ganz verschwinden wird: «Das Ereignis ist geeignet, um einen Trend auszulösen, der von den Behörden schwierig zu kontern ist.» Zumal SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider sich wohl kaum mit voller Wucht für diese Vorlage starkmachen wird, die ihre Partei ablehnt.
Hinzu kommt ein zweites Phänomen. Seit einigen Jahren lasse sich feststellen, dass bei Referenden im Verlauf des Abstimmungskampfs tendenziell die Gegner zulegen könnten, sagt Golder. «Bundesrat und Parlament haben grundsätzlich Vorteile gegenüber der Opposition in der Debatte, sie können diese aber in den letzten Jahren weniger systematisch nutzen.» Golder würde es daher nicht erstaunen, wenn bei der zweiten Welle elf Tage vor dem Urnengang auch bei der SRG-Umfrage ein Nein-Trend resultieren würde.
«Gut, dass es zwei unabhängige Umfragen gibt»
Aufseiten der Methodik fällt weiter auf, dass Leewas seine Umfrage ausschliesslich online durchführt, während GFS Bern gut 1000 Personen auch telefonisch befragt. Möglicherweise beteiligen sich online eher jene, die engagiert sind. Und jene, die sich bereits intensiver mit einer Vorlage auseinandergesetzt haben.
Besonders stark unterscheiden sich die Resultate der beiden Umfragen, wenn man ins Detail geht. Die Wählerschaft der Grünen neigt etwa gemäss der SRG-Umfrage stärker zum Ja (42 Prozent) als zum Nein (38 Prozent). Gemäss der Tamedia-Umfrage ist es umgekehrt – nur 28 Prozent sind dafür und 60 Prozent dagegen.
Nun warten die Politinteressierten gespannt darauf, wie sich diese Zahlen in der zweiten Welle der Befragungen entwickeln werden. Passen sie sich an? «Es ist jedenfalls gut, dass es in der Schweiz zwei unabhängige Umfragen gibt», sagt Fabio Wasserfallen. Dadurch lasse sich die politische Diskussion breiter abstützen.
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