Urteil im Fifa-ProzessBundesstrafgericht spricht Sepp Blatter und Michel Platini frei
Sieg für den ehemaligen Fifa-Chef: Der 86-Jährige hat sich nicht des Betrugs schuldig gemacht. Auch der Ex-Uefa-Präsident wurde entlastet. Sie erhalten eine viertel Million Franken Entschädigung und Genugtuung.
Der langjährige Präsident des Weltfussball-Verbands ist kein Krimineller. Das Bundesstrafgericht hat Sepp Blatter von allen Vorwürfen, welche die Bundesanwaltschaft gegen ihn erhob, freigesprochen, in einem Punkt wurde das Verfahren eingestellt. Auch Ex-Uefa-Präsident Michel Platini wurde vom Gericht vollständig entlastet.
Das Verdikt ist für den 86-jährigen Blatter, der für die Verkündung nach Bellinzona gereist war, eine Genugtuung. Eine Niederlage ist es für die Bundesanwaltschaft, die für den langjährigen Herrscher über die international populärste Sportart eine bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verlangt hatte.
Blatter erhält von der Eidgenossenschaft 82’000 Franken Entschädigung für seine Verteidigungskosten und 20’000 Franken Genugtuung, Platini werden 143’000 Franken Entschädigung zugesprochen. Der Franzose hat auf Genugtuung verzichtet. Die Fifa als Privatklägerin wird nicht entschädigt. Blatters Genugtuung wird gemäss dem Gericht wegen – nicht weiter spezifizierter – medialer Vorverurteilung ausgerichtet.
Die beiden Freisprüche erfolgten nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten». Zwar gebe es Verdachtsmomente, hiess es in der mündlichen Urteilsbegründung, aber auch «ernsthafte Zweifel» an der Version der anklagenden Bundesanwaltschaft. Das Beweisergebnis und Zeugenaussagen stützten eher die Version der Verteidigung, wonach Blatter Platini rechtmässig zwei Millionen Franken zukommen liess.
Das Urteil kann weitergezogen werden.
Blatter, der die Fifa von 1998 bis 2015 präsidierte, war wegen einer Zahlung von zwei Millionen Franken aus dem Jahr 2011 angeklagt worden. Das Geld ging vom Weltfussball-Verband an Michel Platini persönlich, der damals den europäischen Fussball-Verband (Uefa) leitete. Gemäss Anklage steckte hinter der Überweisung ein Betrug oder eine Veruntreuung oder eine ungetreue Geschäftsbesorgung, die durch Urkundenfälschung ermöglicht worden war.
Aggressiv auftretende Parteien
Die Urteilsverkündung heute ab 10 Uhr war mit Spannung erwartet worden, nachdem sich die Parteien an der Gerichtsverhandlung vor wenigen Wochen nichts geschenkt hatten. Staatsanwalt Thomas Hildbrand hatte in einem scharfen Plädoyer erklärt, warum er es Blatter und Platini nicht abnahm, dass mit den zwei Millionen eine Schuld aus einem Handschlag-Beratervertrag viele Jahre zuvor beglichen worden war. Der Ankläger lieferte allerdings auch kein Motiv für das angeblich illegale Zuschanzen des Geldes – ausser angeblicher Gier vonseiten des vermögenden ehemaligen Spitzenfussballers Platini. Hildbrand hatte für Platini – wie für Blatter – eine bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verlangt.
Das Gericht sieht die Sache ganz anders als die Bundesanwaltschaft: Gemäss Richterin Joséphine Contu Albrizio ist es «absolut plausibel und wahrscheinlich», dass sich Blatter und Platini auf ein jährliches Beraterhonorar von einer Million Franken pro Jahr geeinigt hatten, das dann erst rund ein Jahrzehnt später ausbezahlt wurde.
Die Verteidiger Blatters und Platinis hatten sich vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona ebenfalls angriffig gezeigt und für ihre Mandanten Freisprüche, Entschädigungen und Genugtuung gefordert. Insbesondere das Plädoyer für Platini war eine Abrechnung mit der Schweizer Strafverfolgung und mit der heutigen Führung des Weltfussballverbands. Der Berner Anwalt Dominic Nellen sieht es als erwiesen an, dass die Fifa mit der Bundesanwaltschaft einen Skandal inszenierte, um zu verhindern, dass der einstige französische Fussballstar an die Spitze des Weltverbands vorstösst. Nutzniesser dieser Konstellation sei der heutige Fifa-Präsident Gianni Infantino gewesen.
Platini freut sich über seinen Freispruch
In einer Stellungnahme freute sich der 66-jährige Michel Platini, der ebenfalls zur Urteilseröffnung ins Tessin gereist war, darüber, dass die Wahrheit ans Licht gekommen sei. Er wolle seine Freude zum Ausdruck bringen, dass nach sieben Jahren Lügen und Manipulation nun Gerechtigkeit herrsche, wird er in der von seinem Anwalt publizierten Mitteilung zitiert.
Sein Kampf sei ein Kampf gegen die Ungerechtigkeit und trotz der langen Verfahrensdauer habe er das Vertrauen in die Schweizer Rechtsordnung nicht verloren. Im Alter von 65 in den «Status eines Teufels oder Paria zu wechseln» sei schwer zu verkraften. Seinen Angehörigen und Anwälten dankte er für die Unterstützung. «Ich garantiere ihnen: wir werden uns wiedersehen», wird Platini in der Mitteilung zitiert. In diesem Fall gebe es Schuldige, die nicht im Prozess aufgetreten seien, so Platini.
Separates Strafverfahren um Infantino
Der Start der Ermittlungen war 2015 entscheidend gewesen für die berufliche Suspendierung der beiden späteren Angeklagten, die einst gemeinsam die Weltfussball-Spitze erobert hatten. Das Bekanntwerden der Zwei-Millionen-Zahlung bedeutete das Ende ihrer glanzvollen, aber auch umstrittenen Funktionärskarrieren. Ungeklärt beziehungsweise umstritten ist, wie die Bundesanwaltschaft auf die Überweisung des damaligen Fifa- an den damaligen Uefa-Präsidenten gestossen ist.
Zwei Sonderstaatsanwälte klären derzeit in einem separaten Strafverfahren ab, ob sich Infantino mit dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber in mehreren geheimen Treffen unzulässig verhalten hatte. Am Donnerstag wurden zwei weitere Teilnehmer an jenen Treffen befragt: der ehemalige Ermittlungsleiter (und heutige Bundesstrafrichter) Olivier Thormann sowie der ehemalige Fifa-Rechtschef Marco Villiger.
Die ganze Affäre ist also längst nicht abgeschlossen – nicht einmal der Fall Blatter/Platini. Die Bundesanwaltschaft kündigt an, dass sie das schriftliche Urteil verlangen und einen Weiterzug prüfen wird. Als Sepp Blatter und Michel Platini, beide sichtlich erleichtert, den Gerichtssaal verliessen, applaudierten einige Zuschauer.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.
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