Angriffiger Ankläger«Blatter ist kein Simplicissimus aus den Bergen»
Die Bundesanwaltschaft nimmt dem Ex-Fifa-Präsidenten seine Unschuldsbeteuerung nicht ab. Sie fordert eine Freiheitsstrafe wegen Betrugs. Und teilt aus gegen Sepp Blatter.
In einem Prozess, der international so viel Aufsehen erregte wie wenig andere in der Schweiz, musste die Bundesanwaltschaft in den vergangenen Tagen viel einstecken. Im Gerichtssaal wurde sie von der Verteidigung attackiert – wegen einer angeblichen Verschwörung der Strafverfolger gegen die Angeklagten Sepp Blatter und Michel Platini. Die Weltpresse nahm diesen Faden gerne auf und spann ihn weiter.
Am Mittwochmorgen war es nun an der Bundesanwaltschaft auszuteilen. Thomas Hildbrand lieferte ein scharfes Plädoyer ab, in dem er begründete, warum für ihn die beiden einstigen Herren über den Weltfussball Betrüger sind. Für den Staatsanwalt des Bundes ist es erwiesen, dass der damalige Fifa-Chef Blatter im Jahr 2011 seinem damaligen Uefa-Amtskollegen Platini illegal zwei Millionen Franken zuschanzte.
Blatter soll wegen Betrugs oder Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung sowie wegen Urkundenfälschung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt werden. Für Platini fordert die Bundesanwaltschaft dieselbe Strafe. Die beim Ex-Fussballer beschlagnahmten mehr als zwei Millionen Franken will sie der Fifa als Geschädigter oder dem Staat zukommen lassen.
Blatter und Platini haben vergangene Woche vor dem Bundesstrafgericht beteuert, diese Zahlung sei rechtmässig erfolgt: Die Fifa habe dem ehemaligen französischen Fussballstar viel Geld geschuldet für dessen Beratertätigkeit rund ein Jahrzehnt zuvor. Damals hätten Blatter und Platini einen mündlichen Handschlagvertrag geschlossen. Den vereinbarten Jahreslohn von einer Million habe der einst klamme Weltfussballverband erst nachträglich auszahlen können.
Hatte König Sepp genügend Geld?
Ankläger Hildbrand nahm all dies den Beschuldigten nicht ab und schickte sich an, die Argumente der Verteidigung zu zerpflücken: Das angebliche mündliche «Gentlemen’s Agreement» der beiden mit einer Million Jahreslohn für Berater Platini habe es nie gegeben – es sei eine spätere Erfindung.
Auch hätte die Fifa gemäss einer Finanzanalyse der Bundeskriminalpolizei um die Jahrtausendwende genügend flüssige Mittel gehabt, um Platini die jährliche Million zu zahlen. Im autobiografisch anmutenden Buch «Sepp – König der Fussballwelt» werde beschrieben, wie Blatter Ende 90er-Jahre Geld grosszügig habe verteilen können.
«Mon Dieu, Monsieur Platini, dieses Gericht ist nicht blauäugig.»
Besonders entlarvend ist für die Bundesanwaltschaft, dass Platini schliesslich einen falschen Betrag einforderte – und Blatter die Auszahlung dieses falschen Betrags autorisierte. Platini hatte dies dadurch erklärt, dass er zwar «Sohn eines Mathematikprofessors» sei, aber sich geirrt habe. «Mon Dieu, Monsieur Platini», entgegnete Hildbrand in seinem Plädoyer, «dieses Gericht ist nicht blauäugig.»
Auch Blatter mit seinem «unnachahmlichen Hang zur sauberen Weste» sei «nicht glaubhaft», wenn er sich hier auf einen Irrtum berufe. Das Gericht habe es nicht mit einem «Simplicissimus aus den Bergen» zu tun, sondern mit «einem gewieften Kaufmann» mit Abschluss in Ökonomie.
Ein Rätsel bleibt ungelöst
Ein Rätsel konnte durch die intensiven Ermittlungen nicht gelöst werden: Warum – wenn nicht zur Abgeltung rechtmässiger Ansprüche – kam es zur 2-Millionen-Zahlung? Nicht beweisen liess sich gemäss Hildbrand, dass Blatter zahlte, damit Platini ihn nicht im Kampf um das Fifa-Präsidium konkurriert. Angestellte der Fifa-Buchhaltung hatten Mutmassungen angestellt, die zu dieser Theorie gepasst hätten. Platini bezeichnete dies als «falsch und beschämend»: «Ich lasse mich nicht korrumpieren.»
Für Ankläger Hildbrand bleibt nur ein Motiv: «Gier.»
Am Freitag und Montag werden die Verteidiger Blatters und Platinis ihre Parteivorträge halten. Alles andere als Forderungen nach Freisprüchen wären grosse Überraschungen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.