Rennen um die Berset-NachfolgeWird die SVP das SP-Ticket ignorieren? Blocher drückt, Aeschi bremst
Offiziell will die grösste Partei nicht vom Wahlvorschlag der Linken abweichen. Aber jetzt sorgt ausgerechnet der SVP-Übervater für Unruhe. Am Dienstag müssen die Kandidaten antraben.
Er sagt zuerst, er könne sich nicht einmischen, schliesslich sitze er nicht mehr im Parlament. Aber dann tut Christoph Blocher genau das. In seiner aktuellen Teleblocher-Sendung sagt er, was er von den beiden Kandidaten hält, die die SP zur Nachfolge von Alain Berset aufgestellt hat: sehr, sehr wenig. Das Ticket sei eine «Provokation». Die SVP solle von der SP einfordern, einen dritten Kandidaten vorzuschlagen. «Bringt noch einen anderen, das ist keine echte Auswahl!» So solle man argumentieren, sagt Blocher.
Die Aussagen des SVP-Übervaters sorgen für Nervosität in Bundesbern. Die ganze Ausgangslage der Wahlen vom 13. Dezember basiert darauf, dass die Bundesratsparteien sich zurückhalten und nicht vom Ticket der SP abweichen. Bisher haben die Spitzen von FDP, Mitte und SVP signalisiert, genau das tun zu wollen. Der Hintergrund: Die Parteien fürchten, dass es sonst zu Retourkutschen kommen und ein grosser Streit um die Zusammensetzung des Bundesrats ausbrechen könnte.
Der Fraktionschef will Stabilität
Am Dienstagnachmittag kommt nun die SVP-Fraktion zusammen, um die beiden SP-Kandidaten Beat Jans und Jon Pult anzuhören. Fraktionschef Thomas Aeschi gibt vorab Gegensteuer zu Blochers Aussagen: «Die SVP steht zur Konkordanz, dass die drei wählerstärksten Parteien mit zwei Sitzen und die viertwählerstärkste Partei mit einem Sitz im Bundesrat vertreten sind», sagt er. Und weiter: «Persönlich vertrete ich klar die Meinung, dass die SVP einen der beiden offiziellen Kandidaten unterstützen soll.» Wie weit man am Dienstag mit der Diskussion komme, sei offen.
Was zur Frage führt, wo andere Schwergewichte der Partei stehen. Vizepräsident Marcel Dettling zeigt sich am Montag am Rande des Hearings der Bauernlobby unzufrieden mit der Auswahl, will aber zur «Ticketfrage» nichts sagen: «Das müssen wir zuerst in der Fraktion besprechen. Denn wenn sich die SVP nicht mehr ans offizielle Ticket hält, hat das weitreichende Konsequenzen für eine Bundesratswahl.»
Auch der Zürcher Nationalrat Alfred Heer klingt auf Anfrage ähnlich: Er sei vom Ticket nicht begeistert, aber jetzt müsse man zuerst intern reden. Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher und Vorstandsmitglied Thomas Matter sagen nur: «Kein Kommentar.»
Die Angst vor einem «Szenario Jositsch»
Der Grund für die Nervosität insbesondere auch aufseiten der Linken: Wenn die 73-köpfige SVP-Fraktion kippt, wären auch Abweichler der Mitte und der FDP ermutigt. Es könnte eine Dynamik in Gang kommen, zum Beispiel, um einen Kandidaten wie den Zürcher Ständerat Daniel Jositsch zu wählen, der seit Bekanntgabe des SP-Tickets beharrlich schweigt. Das absolute Mehr liegt bei 124 Stimmen.
Nach jetzigem Stand gibt sich allerdings kein direkter Gegner Thomas Aeschis öffentlich zu erkennen, der die «Position Blocher» in die Fraktion tragen und vertreten würde. Es könnte darum auch sein, dass sich Aeschi durchsetzt – und die SVP bei ihrer Strategie der Stabilität bleibt. Ebenso denkbar ist, dass die Partei lediglich Druck aufbauen will, um bei einer späteren SVP-Bundesratsnachfolge selbst möglichst freie Hand zu haben.
Die Fraktionssitzung beginnt kurz vor 15 Uhr. Neben der Antwort auf die Ticketfrage werden die Entscheide der SVP auch einen Hinweis auf eine andere Schlüsselfrage geben: wie viel Einfluss Christoph Blocher in «seiner» Partei noch hat.
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