Energiewende: Neuer Coup geplantBundesratskandidat will Schutzgebiete überprüfen lassen
Künftig soll das Parlament bestimmen, welche Landschaften geschützt werden: Der Plan von Werner Salzmann (SVP) könnte weitreichende Folgen haben – auch für die Energiewende.
Dieser Entscheid ist eine böse Überraschung, zumindest für Raimund Rodewald: «Wir hätten nie gedacht», sagt der Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz, «dass dieser Vorstoss auch nur den Hauch einer Chance hat.»
Hat er aber. Zumindest eine erste Hürde hat er passiert: Die Umweltkommission des Ständerats hat am Dienstag einen Vorstoss gutgeheissen, der den Ausbau der erneuerbaren Energien in Schutzgebieten erleichtern soll. Konkret: in Gebieten, die der Bund in einem seiner Schutzinventare verzeichnet hat.
Betroffen sind damit die wertvollsten Landschaften und Naturdenkmäler der Schweiz (BLN), etwa die Berner Hochalpen, der Rheinfall, das Val Verzasca und der Creux du Van. Die insgesamt 162 BLN-Gebiete sind 7800 Quadratkilometer gross – eine Fläche, die etwas grösser als der Kanton Graubünden ist. Der Vorstoss zielt auch auf die nationalen Biotopinventare ab, in denen Moore, Auen, Trockenwiesen sowie Amphibienlaichgebiete aufgelistet sind. Tangiert sind schliesslich die gut 1250 schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung, etwa die Berner Altstadt. Insgesamt stünden rund 10’000 Quadratkilometer Fläche zur Überprüfung, ein Viertel der Landesfläche.
«Die Schutzinventare sind demokratisch nicht hinreichend legitimiert.»
Den Vorstoss lanciert hat Werner Salzmann. Der Berner SVP-Ständerat und Bundesratskandidat kritisiert, die Schutzinventare würden die Umsetzung dringender Projekte zur Stärkung der inländischen Energieversorgung blockieren. «Dabei sind diese Inventare demokratisch nicht einmal hinreichend legitimiert.» Salzmann meint damit den Umstand, dass sie nur in einer vom Bundesrat verabschiedeten Verordnung erwähnt sind und ihre Grenzen von der Bundesverwaltung festgelegt werden.
Beschwerden aussichtslos
Salzmann schlägt daher vor: Das Parlament soll jedes inventarisierte Schutzgebiet einzeln in einem referendumsfähigen Beschluss bewilligen und ihnen die laut Salzmann fehlende demokratische Legitimation verschaffen. Verweigert es dies im Einzelfall, soll im betreffenden Gebiet das nationale Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien dem – ebenfalls nationalen – Interesse des Natur- und Heimatschutzes ohne Wenn und Aber vorangehen; Beschwerden würden damit faktisch aussichtslos.
«Es geht um einen totalen Abbau des Umwelt- und Landschaftsschutzes.»
Landschaftsschützer halten Salzmanns Argumentation der mangelnden demokratischen Legitimation für vorgeschoben, denn: Die Bundesverfassung und das Natur- und Heimatschutzgesetz schreiben vor, dass der Bundesrat Inventare der Natur- und Kulturdenkmäler unseres Landes nach Konsultation der Kantone erlässt. Und: Im Falle des Moorschutzes verlangten dies explizit auch Volk und Stände – mit der Annahme der Rothenthurm-Initiative 1987. In Tat und Wahrheit, so Rodewald, «geht es um einen totalen Abbau des Umwelt- und Landschaftsschutzes».
Verfassungsrechtliche Bedenken
Offen ist, ob Salzmanns Vorstoss im Parlament durchkommen wird. Entscheidend dürfte nicht nur sein, ob das Parlament es als seine Aufgabe erachtet, über den Schutzstatus einzelner Gebiete zu entscheiden. Eine wichtige Rolle spielen dürfte auch, ob es die Neuerung als potenzielle Bremse für den Ausbau der erneuerbaren Energien taxiert. Nationalrat Beat Flach (GLP) etwa sieht diese Gefahr. So wäre es denkbar, dass das Parlament ein bestimmtes Schutzgebiet aus dem Inventar streichen würde, damit dort ein Windpark entstehen könnte – und dieser Beschluss durch ein Referendum verzögert würde.
Bereits absehbar ist, dass – wie schon bei der «Lex Bodenmann» – verfassungsrechtliche Bedenken in die Debatte einfliessen werden. Nationalrat Kurt Fluri (FDP) verweist darauf, dass die Bundesverfassung Moore und Moorlandschaften absolut schütze und zudem nicht nur eine ausreichende, sondern auch eine umweltverträgliche Energieversorgung postuliere. «Das aber hat die Mehrheit der ständerätlichen Umweltkommission in ihrem Eifer verkannt», sagt Fluri, der die Stiftung Landschaftsschutz präsidiert. Er hofft, dass der Ständerat den Entscheid korrigieren wird.
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