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Zukunft der Armee
Bundesrat wählt Dienstpflichtmodelle mit politischem Zündstoff

«Sicherheit ist auch weiblich»: Mit diesem Slogan und dem Bild dazu wirbt die Schweizer Armee um Frauen.
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Die Armee wird bei den jungen Schweizern immer unbeliebter. Bis in zehn Jahren fehlen ihr gegen 30’000 Soldatinnen und Soldaten. Seit zwei Jahren sucht der Bundesrat deshalb einen Ausweg. Am Freitag nun fasste er einen wegweisenden Vorentscheid: Von vier Dienstmodellen, die zur Auswahl standen, strich er zwei.

Bei diesen zwei Varianten hätten künftig alle Schweizerinnen und Schweizer in irgendeiner Form Dienst leisten müssen. Wer weder in der Armee noch im Zivilschutz eingeteilt worden wäre, hätte im Sozial-, Gesundheits- oder Umweltbereich Dienst tun müssen – vergleichbar mit dem heutigen Zivildienst.

Davon will der Bundesrat nun aber nichts mehr wissen. Der Grund: Mit diesen Modellen wäre unklar, ob Armee und Zivilschutz nach 2030 überhaupt noch genügend Personal hätten, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

Katastrophenhilfe statt Zivildienst

Deshalb favorisiert der Bundesrat jene zwei Modelle, die aus seiner Sicht die Personalbestände von Armee und Zivilschutz am besten und am längsten sichern:

  • An erster Stelle kommt für ihn die Variante «Sicherheitsdienstpflicht»: Dabei werden Zivildienst und Zivilschutz zu einer Katastrophenschutzorganisation zusammengeführt. Das Bundesamt für Zivildienst bräuchte es damit in der heutigen Form nicht mehr. Die Armee rekrutiert mit diesem Modell als Erstes ihr Personal, das zum Erreichen des Effektivbestandes von 140’000 Armeeangehörigen nötig ist.

    Alle anderen Dienstpflichtigen (inklusive aller Zivildienstleistenden) werden dem Katastrophenschutz zugeteilt. Wer der Armee zugeteilt würde, das aber aus Gewissensgründen nicht tun will oder kann, müsste anderthalbmal so lange Dienst im Katastrophenschutz leisten.

    Die Frauen wären hier nicht dienstpflichtig. Es zeichnet sich aber ab, dass künftig nicht nur Männer, sondern auch Frauen stellungspflichtig sind. Damit müssten auch Frauen für ein oder zwei Tage einrücken, um sich über Armee und Zivilschutz orientieren zu lassen. Der Bundesrat erhofft sich dadurch einen hohen Anteil an Frauen in Armee und Zivilschutz, die freiwillig zum Dienst einrücken.

  • Die zweite Variante, die der Bundesrat ernsthaft in Betracht zieht und zur vertieften Analyse weiterverfolgt, trägt den Namen «bedarfsorientierte Dienstpflicht». Bei diesem Vorschlag würde die Dienstpflicht auf Frauen ausgedehnt. Für sie hiesse es also plötzlich auch: «Helm auf!»

    Es sollen bei diesem Modell aber nur so viele Frauen und Männer rekrutiert werden, wie Zivilschutz und Armee benötigen. In der Realität hiesse dies, dass nur etwa die Hälfte der Frauen und Männer, die sich stellen müssen, tatsächlich auch Dienst leisten. Die anderen würden vom Einsatz verschont. 

Initiative für allgemeine Bürgerpflicht am Start

Enttäuscht vom Bundesratsentscheid ist der Verein Service Citoyen, der einen allgemeinen Gemeinschaftsdienst anstrebt. Das Ziel: Alle Schweizerinnen und Schweizer sollen sich fürs Gemeinwohl einsetzen. Co-Präsidentin Noémie Roten sagt: «Es ist schlicht zu wenig, dass es bei der nun angestrebten Dienstpflichtreform nur darum geht, die Bestände zu sichern.»

Die Schweiz brauche keine halbherzige Reform, sondern für alle künftigen Herausforderungen Möglichkeiten, dass sich jede und jeder engagieren könne. Roten denkt dabei an Kriege wie gerade in der Ukraine, aber auch an Pandemien, Fluten, Dürre und andere Folgen der Klimaerwärmung.

Der Verein Service Citoyen fühlt sich durch den Bundesrat bestärkt, mit seiner Volksinitiative für einen Service Citoyen vorwärtszumachen. «Wir beginnen Ende April mit der Unterschriftensammlung», sagt Noémie Roten.

Zivis sind entrüstet, Volk hat das letzte Wort

Der Schweizerische Zivildienstverband lehnt die beiden Bundesratsvarianten rundweg ab. Selbst das Verteidigungsdepartement sage, man könne die künftigen Bestandeslücken noch gar nicht beziffern, sagt Verbandspräsidentin und Ständerätin Lisa Mazzone. Es stelle sich deshalb die Frage, ob eine Reform überhaupt nötig sei. Gar nichts wissen will Mazzone von der Abschaffung des Zivildienstes. Dieser leiste wertvolle Arbeit zugunsten der Gesellschaft – etwa in Altersheimen oder zugunsten des Umweltschutzes. 

Bei den verbliebenen zwei Varianten bleiben auch für den Bundesrat noch Fragen offen, wie er mitteilt. Unklar ist, wie hoch der tatsächliche Bedarf von Armee und Zivilschutz künftig sein wird, wie viel die Varianten kosten und welches die konkreten Folgen wären, würde sich die Politik für eine der beiden Lösungen entscheiden. Klar ist demgegenüber, dass beide Varianten eine Verfassungsänderung bedingen und somit das Stimmvolk das letzte Wort hat.

Guy Parmelins Wirtschaftsdepartement und Viola Amherds Verteidigungsdepartement haben nun bis Ende 2024 Zeit, die beiden Lösungsvorschläge entscheidungsreif zu machen und die ungeklärten Fragen zu beantworten.