Bundesrat plant Corona-Ausstieg«Die Zahlen zu den Tests gefallen uns gar nicht»
Bundesrat Alain Berset zeigt ab 15 Uhr, wie die Rückkehr zur Normalität gelingen soll. Ein Covid-Zertifikat wird Geimpften, Genesenen oder Getesteten mehr Freiheiten bringen. Wir berichten live.
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Das Wichtigste in Kürze
Der Bundesrat hat ein Drei-Phasen-Modell vorgestellt, um die Rückkehr zur Normalität zu planen.
Aufgrund der fragilen Lage seien weitere Lockerungen frühestens ab 26. Mai möglich.
Die Taskforce zeigt derweil mit Szenarien, dass die dritte Welle trotz Impfen und Testen höher ausfallen wird, als die zweite.
Das BAG meldet 2686 neue Coronavirus-Ansteckungen und 127 Spitaleinweisungen. So viele gab es an einem Mittwoch zuletzt am 20. Januar 2021.
Zusammenfassung
Der Bundesrat rechnet vor Ende Mai nicht mit neuen Öffnungsschritten bei den Corona-Massnahmen. Dies hat er am Mittwoch nach seiner Sitzung mitgeteilt.
In einem Drei-Phasen-Modell skizzierte er jedoch seine Strategie für die Rückkehr zur Normalität. In der momentanen Schutzphase sieht der Bundesrat keine Möglichkeit für weitere Öffnungen. Sobald alle gefährdeten Personen doppelt geimpft sind, soll es in die Stabilisierungsphase gehen, das müsste gemäss Berechnungen Ende Mai der Fall sein.
Ab Sommer soll dann frühestens der Zugang zu Grossveranstaltungen, Bars und Diskotheken wieder möglich sein, jedoch nur mit einem Covid-Zertifikat. Dieses wird im Juni eingeführt. Zudem könnte die Homeoffice-Pflicht für diejenigen Betriebe aufgehoben werden, die es ihren Angestellten ermöglichen, sich regelmässig testen zu lassen.
Wenn alle impfwilligen Erwachsenen geimpft sind – frühestens Ende Juli – könnte schliesslich auch die Maskenpflicht gelockert oder aufgehoben werden. Sollten sich nach dieser Phase erneut viele Menschen anstecken, behält sich der Bundesrat vor, gewisse Massnahmen erneut einzuführen – dies allerdings nur für all jene Menschen, die nicht geimpft sind.
Bundesrat Berset betonte erneut, dass es in der Schweiz auch gegen das Coronavirus keinen Impfzwang geben werde. Gleichzeitig verteidigte er Privilegien für Geimpfte, Getestete und Genesene mittels des geplanten Covid-Zertifikats. Geimpfte würden dazu beitragen, die Epidemie einzudämmen. Deshalb erachtete er Privilegien für entsprechende Personen für gerechtfertigt.
Für den Bundesrat sei es nicht vertretbar, weitreichende Massnahmen aufrecht zu erhalten, weil «gewisse Leute sich nicht impfen lassen wollen. Das geht nicht.»
Reaktionen zum Modell
Das vom Bundesrat vorgestellte Drei-Phasen-Modell stösst bei den Parteien auf breite Zustimmung.
Die FDP begrüsst das Drei-Phasen-Modell für weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen, schreibt die Partei in einer Reaktion. Leider verlaufe die Impfkampagne weiterhin schleppend, was Zweifel am federführenden Bundesamt aufkommen lasse.
Zustimmung gibt es auch bei der SP Schweiz. Es gebe den Menschen eine Perspektive und zeige die Wichtigkeit der Impfkampagne auf, hiess es auf Anfrage.
Die Mitte begrüsst, dass der Bundesrat «mit seinem Drei-Phasen-Modell für uns alle Perspektiven schafft». Wichtig sei, dass die Gesellschaft weiterhin solidarisch bleibe, Verantwortung übernehme und gemeinsam Erreichtes nicht aufs Spiel setze.
Auch Grüne und Grünliberale reagieren grundsätzlich positiv. Endlich entwickle der Bundesrat Szenarien, die vom Impffortschritt abhängig seien. Tempo und Risiko seien aber hoch, schreibt Grünen-Präsident Balthasar Glättli auf Twitter.
Die Lage sei zu fragil für weitere Lockerungen, schreibt Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen Schweiz, auf Twitter. Mit dem Drei-Phasen-Modell biete der Bundesrat eine Perspektive zur Weiterentwicklung der Schutzmassnahmen. Das sei zu begrüssen.
Ende der Medienkonferenz
Die Journalistinnen und Journalisten haben keine weiteren Fragen, damit endet die Medienkonferenz zum Drei-Phasen-Modell des Bundesrats.
Welche Richtwerte zählen?
Berset erklärt, dass es kein Ampelsystem sei, man wolle keine fixen Regeln. Die Dynamik der Pandemie spiele eine Rolle und es seien einfach Richtwerte, die der Bundesrat bei seinen Entscheidungen einbeziehe.
Mathys ergänzt, die derzeitigen Öffnungen seien erfolgt, obwohl einige Werte nicht erfüllt waren, es seien keine fixen Werte, sondern einfach Leitplanken für die Entscheidungen.
Rechtliche Grundlage für Zertifikat?
Die Impfung sei ein freier Entscheid und es sei auch ein freier Entscheid, ob man die Impfung ins Covid-Zertifikat eintragen will. Der Bund gebe der Bevölkerung die Wahl, ob man sich impfen lassen will oder nicht. Und es gebe nun die Wahl, dies eintragen zu lassen oder nicht, das Ziel des Bundesrats sei, dieses Angebot zu schaffen.
Es gibt keinen Impfzwang wiederholen Berset und Mathys mehrmals auf die Frage eines Journalisten.
Indien nicht auf Risikoliste?
«Es gibt keine Flüge zwischen Indien und der Schweiz», sagt Berset. Zudem gebe es erst wenige Informationen über diese indische Doppelmutante, die sei auch nicht dominant in Indien. Es gebe auch Regeln, an die man sich halten müsse, man habe aber schon die Option, ein Land innert Kürze auf die Liste zu nehmen, bei Indien sei das momentan noch nicht der Fall.
Erfahren Sie mehr zum Thema: Wie gefährlich ist die neue indische Doppelmutation?
Zuerst aber nur Geimpfte?
Ja, am Anfang werden nur Geimpfte im Zertifikat erfasst. Aus technischen Gründen braucht es aber noch etwas Zeit, dann können auch Genesene sich eintragen und auch negative Tests. Das Zertifikat komme im Juni, die Möglichkeit für die Eintragung von Tests ein paar Tage oder Wochen später, sagt Berset.
Impfzwang durch Covid-Zertifikat?
Nein, das hat nichts mit Impfzwang zu tun, entgegnet Berset auf die Frage eines Journalisten, dass in Sozialen Medien das Zertifikat mit Impfzwang verglichen wird. Es werden alle in Kontakt kommen mit dem Virus, entweder durch Immunisierung durch die Impfung oder durch eine Ansteckung. Es werde schwierig, dem auszuweichen. Mit dem Covid-Zertifikat wolle man sicherstellen, dass es keine Ansteckungen gibt, das gehe wie gesagt auch über Nachweis eines negativen Tests.
Was ist mit den neuen Varianten?
Die brasilianische Variante sei besorgniserregend, sagt Mathys. Die indische Doppelmutation müsse man auch genau beobachten, man wisse aber noch viel zu wenig auf den Einfluss der Variante auf die Pandemie. Dazu brauche es noch mehr Daten, die es schlicht noch nicht gebe.
6 statt 4 Wochen Abstand beim Impfen?
Das BAG sieht die Ausweitung auf sechs Wochen nur möglich, falls es Verknappung des Impfstoffs gebe. Ansonsten sei eine grundsätzliche Ausweitung derzeit nicht spruchreif, man werde das überlegen, «wenn es die Situation erfordern würde».
Was ist mit Kindern und Veranstaltungen?
Alle über 16 Jahre können sich derzeit impfen lassen, sagt Alain Berset, aber es gebe neue Studien und wohl im Herbst die Impfmöglichkeit für Jugendliche und Kinder. Aber ja, es gebe diese Problematik, selbst wenn sich viele Erwachsenen impfen lassen, können die Kinder dies nicht tun, das sei eine Herausforderung, die man noch vor sich habe.
Patrick Mathys ergänzt, dass man möglichst alle impfen wolle, die dies wünschen. Sobald die Resultate der klinischen Studien vorliegen, werde man diese prüfen. Das Ziel sei, allen eine Impfung anbieten zu können.
Aufhebung Home-Office-Pflicht?
Das Pandemie-Ziel werde nur mit breitem Testen in Firmen erreicht, aber das brauche Zeit, sagt Berset. Die Aufhebung der Home-Office-Pflicht mit gleichzeitiger Test-Motivation sei aber bislang einfach ein Beispiel, was in der nächsten Phase kommen kann, das sei noch kein Entscheid und müsse noch genau besprochen werden. Home Office helfe momentan sehr, die Situation im Griff zu halten, weil die Mobilität eingeschränkt wird.
Berset sagt, die Zahlen zu den Tests gefallen ihm derzeit nicht, es müsse mehr getestet werden. Die Positivität steige, obwohl es nicht mehr Tests gebe, also steige die Welle und das sei nicht gut, deshalb brauche es mehr Testmöglichkeiten in Schulen, Universitäten und Unternehmungen.
Test für Covid-Zertifikat?
Heute gebe es das schon im Flugverkehr, wo man einen Test braucht, um fliegen zu können, ähnlich könnte das laufen, wenn man an ein Konzert gehen wolle, erklärt Berset. Aber man sei noch nicht so weit mit der Entwicklung dieses Zertifikat. Aber es gebe einen Unterschied zwischen Privatwirtschaft und Service Public.
BAG-Mathys ergänzt, dass ein positiver Test länger gültig sein wird im Covid-Zertifikat. Ein Negativ-Test soll höchstens 72 Stunden alt sein, eigentlich lieber 24 Stunden. Aber das müsse der Bundesrat dann noch festlegen.
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Verschärfung in Schutzphase?
Die Richtwerte hat der Bundesrat festgelegt, erklärt Berset auf die Frage eines Journalisten. Die Zahlen beruhen auf den Erfahrungen der letzten Woche, die seien nicht mal diskutiert worden, da war man sich einig. Man könne Schliessungen nicht ausschliessen, sagt Berset, aber er habe den Eindruck, dass die Entwicklung unter Kontrolle sei, zusammen mit dem Impffortschritt habe man etwas mehr Toleranz bei den Fallzahlen. Wenn das im Mai dann stark in die Höhe gehe, dann sehe es wohl anders aus. Es beruht auf der Eigenverantwortung der Bevölkerung, man sehe Öffnungen vor, obwohl die Zahlen rauf gehen, aber man behalte sich auch den anderen Weg vor, wenn alles eskaliert.
Die neuen Richtwerte des Bundesrats für Verschärfungen sind bereits in unserem Corona-Dashboard integriert.
Restaurants in Phase 2 öffnen?
Der Öffnungsschritt vom Montag war der dritte in diesem Jahr, sagt Berset. Der vierte Schritt sei frühestens Ende Mai, weil man bis dahin noch in Phase 1 sei und noch beobachten wolle, wie die Öffnungen der Terrassen sich auswirkt. Ende Mai seien die gefährdeten Personen geimpft, aber die anderen dann eben noch nicht. Wo man Mitte oder Ende Mai stehe, sei sehr schwierig vorauszusagen, erklärt Berset nach 14 Monaten Pandemie-Erfahrungen. Es sehe eher gut aus, aber es könne noch viel passieren, mahnt der Gesundheitsminister.
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Impfung für Schwangere?
Es gebe keine allgemeine Empfehlung, sagt Patrick Mathys vom BAG. Die Betroffenen sollen dies mit ihren Gynäkologinnen oder Gynäkologen besprechen.
Covid-Zertifikat Diskriminierung?
Das Covid-Zertifikat soll im Juni bereitstehen, dann kann man die Impfung dort validieren lassen. Auch die kürzlich Genesenen sollen einen Eintrag erhalten.
Wenn private Veranstalter nun darauf bestehen, dass sie nur Personen reinlassen, welche ein solches Zertifikat habe, sei das für diese eine Möglichkeit. Das könnte im Sommer auch für Veranstaltungen gehen. Auch für Museen oder Cafés wäre das eine Überlegung. Ob das eine Diskriminierung wäre, das prüfe man derzeit. Auch beim Reisen in andere Länder werde so ein Zertifikat wohl sehr wichtig sein, man koordiniere das bereits mit den Nachbarländern und der EU.
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Grossevents mit 10'000 Personen?
Der Bundesrat hat eine erste Diskussion über Grossveranstaltungen mit schrittweise bis 10'000 Teilnehmenden geführt, bestätigt Berset. Aber das sei sehr kompliziert, man sei noch nicht zu einem Schluss gekommen, wie das genau umgesetzt werden soll, deshalb kann Berset heute noch nichts weiter dazu sagen, das müsse weiter diskutiert werden.
Zu spät und zu lasch Impfstoffe bestellt?
Das BAG war seit März 2020 dran, die Impfstoffe zu bestellen, sagt Berset. Man habe im April und Mai mit vielen verschiedenen Lieferanten gesprochen, habe viele Versprechungen erhalten, die nie eingehalten worden wären, wie man jetzt weiss. Seit Dezember habe man aber nun Zugang zu den zwei besten Impfstoffen, die es gibt und die als erstes auf dem Markt waren, da war die Schweiz vorne mit dabei. Der Journalist will, dass Berset Fehler eingesteht, aber Berset sagt: «Bei den Impfstoffen ist das nicht der Fall». Klar, es werden in so einer Pandemie viele Fehler gemacht, aber mit Biontech/Pfizer und Moderna habe man doch Volltreffer gelandet, auch wenn beispielsweise AstraZeneca sich jetzt als etwas schwieriger heraussstellt.
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Wann öffnen die Restaurants? Wann gibt es Konzerte?
Am Montag gab es einen ersten Schritt, sagt Berset, weitere Öffnungen vor Ende Mai sind aber sehr schwierig, die Zahlen steigen wieder. Im Mai müsse man die Ausgangslage dann neu anschauen und mit den Kantonen besprechen. In der zweiten Phase haben dann alle Zugang zur Impfung, bis Ende Juni sollten alle die erste Dosis erhalten haben, dann kommen auch die nächsten Öffnungsschritte, zum Beispiel Sport.
Grossveranstaltungen sind aber eine andere Sache, das Parlament verlangt dafür eine Planungssicherheit, das müsse noch weiter besprochen werden im Bundesrat. In der Normalisierungsphase wird es dann keine Massnahmen mehr geben, also wird es solche Events wieder geben. Man müsse diskutieren, ob das nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete gelten soll, aber so weit sei man noch nicht.
Im Ausland sei man weniger weit, aber der Bundesrat wolle, dass hier auch Perspektiven aufgezeigt werden, wie es weitergehen könnte.
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/anf
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