Schnellere Lockerung gefordertBundesrat Cassis abgeblitzt
Mit sechs zu einer Stimmen hat der Bundesrat einen Antrag von Aussenminister Cassis für eine schnellere Lockerung des Lockdown abgeschmettert.
Quasi in letzter Minute hat Aussenminister Ignazio Cassis einen Antrag im Bundesrat eingebracht, Einkaufsläden und Märkte schon am 27. April zu öffnen. Der ursprüngliche Lockerungsfahrplan der Regierung sah dafür den 11. Mai vor. In der Abstimmung konnte Cassis dann aber nicht einmal seine FDP-Parteikollegin Karin Keller-Sutter von seinem Anliegen überzeugen. Der Antrag wurde mit sechs zu einer Stimme versenkt. Keines der fünf bürgerlichen Bundesratsmitglieder wollte dem ehemaligen Tessiner Kantonsarzt folgen. Damit bleibt alles grösstenteils beim alten Fahrplan.
Einzig die Ankündigung, dass Lebensmittelläden ihr Sortiment am 27. April erweitern dürfen, nahm der Bundesrat am Mittwoch zurück. Damit soll ein Wettbewerbsnachteil zulasten der Fachgeschäfte verhindert werden. Das Gewerbe war gegen die Lockerung bei Grossverteilern wie Migros und Coop Sturm gelaufen. Nun werden alle Geschäfte – inklusive der kleinen Einkaufsläden – am 11. Mai wieder alles anbieten dürfen, sofern die Lockerung des Lockdown nicht wieder zu steigenden Infektionszahlen und mehr Hospitalisierungen führt. Endgültig darüber entscheiden will der Bundesrat Ende des Monats.
Enttäuschung über die FDP
Dass ausgerechnet der Aussenminister auf eine schnellere Öffnung drängte und dabei seinen Heimatkanton Tessin ausnehmen wollte, erstaunt einigermassen. Wäre es Cassis ernst gewesen, hätte er nämlich schon letzte Woche ähnliche Anträge der SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Ueli Maurer unterstützen können. Damals war er seltsamerweise aber noch gegen einen schnelleren Fahrplan.
Über die Gründe für den Stimmungswechsel kann man nur spekulieren. Kein Geheimnis ist allerdings, dass sich viele Unternehmer von der Wirtschaftspartei FDP enttäuscht oder gar verraten fühlen, weil sich die beiden FDP-Bundesratsmitglieder als dermassen führungsschwach erwiesen hätten. Es gibt deshalb Stimmen in der Wirtschaft, die von einer drohenden Absetzbewegung von FDP-nahen Unternehmern zur SVP warnen.
Motionen der Wirtschaftskommission
Weil der FDP die Felle davon zu schwimmen drohen, hat sich Cassis zu seiner halbherzigen Aktion entschieden und dabei in Kauf genommen abzublitzen. Jene Wirtschaftsvertreter, die sich von der SVP ein schnelleres Ende des Lockdown erhoffen, mussten am Mittwoch allerdings erleben, wie die beiden SVP-Bundesräte mithalfen, den Antrag von Cassis zu versenken.
Für eine schnellere Lockerung setzt sich nun auch die Wirtschaftskommission des Nationalrats ein. Sie fordert vom Bundesrat, sämtliche öffentlich zugänglichen Einrichtungen schon ab dem 11. Mai wieder zu öffnen sowie Vereinsaktivitäten und kleinere Veranstaltungen wieder zu erlauben. Bedingung sei allerdings, dass die Distanz- und Hygienemassnahmen eingehalten würden. Ausserdem will die Kommissionsmehrheit – ähnlich wie Cassis –, dass der gesamte Detailhandel schon am 27. April den Betrieb wieder aufnehmen darf.
Fehler gefunden?Jetzt melden.