Analyse zu AuftrittenBundesbro Berset und DJane Simonetta verkünden das Ende der Pandemie
Sie grüssen mit der Ghetto-Faust und scratchen am DJ-Pult: Unsere Magistrate geben sich gerade besonders volksnah.
Ungewöhnliche Bilder erreichen uns aus dem Senegal. Dort hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga Anfang dieser Woche ein bilaterales Abkommen zur Kompensation von CO₂-Emissionen unterzeichnet. Doch das interessiert hier kaum mehr jemanden, seit Sommaruga ihren Instagram-Account mit einem Video aus der Hauptstadt Dakar bespielt hat.
Im Video steht sie mit einer lokalen DJane an den Plattenspielern und scratcht – etwas unbeholfen zwar, aber mit sichtbar gutem Willen – in den Beat von Mobb Deeps «Hell on Earth». Der ausgebildeten Pianistin dürfte weder der Rap-Klassiker aus dem Jahr 1996 bekannt sein, noch scheint sie sich bislang mit der hohen Kunst des Scratchings befasst zu haben, aber der Auftritt beschert ihr gerade eine Welle der Sympathie in den sozialen Medien. Über 3500 Personen gefiel das Video auf Instagram. Auf Twitter schauten Tausende die magistrale Showeinlage an und kommentierten sie mit Wortspielen wie «Scratching Siso» oder «Scratchuretta».
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Im PR-Text ihres Departements heisst es zum Auftritt, die Bundesrätin habe sich im Austausch mit Rapperinnen «einen Eindruck verschafft über das junge, urbane, kulturelle Leben in Senegal». Und Sommaruga selber schreibt: «Um ein Land und seine Menschen zu verstehen, muss man seine Bücher lesen, seine Musik hören und sein Essen geniessen.» Von den jungen Künstlerinnen habe sie viel über Senegal erfahren.
Berset, der «chillige Dude»
Simonetta Sommaruga ist nicht die einzige Bundesrätin, die sich zurzeit mit popkulturellen Phänomenen befasst. Kollege Alain Berset war ebenfalls diese Woche Gast im «Tagessheesh», einer mit Jugendslang parodierten «Tagesschau» der Komiker von «Zwei am Morge».
In der Anmoderation angekündigt als «Notorious B.I.G. mit der Ehrenglatze», im Studio begrüsst mit «Bro», verabschiedet als «chilliger Dude», äussert Berset sich zur Impfdisziplin der Jugend – sie sei nicht so schlecht, wie nun kolportiert werde.
Neben der zielgruppenspezifischen Impfwerbung ballt der Gesundheitsminister die Ghetto-Faust, kniet sonnenbebrillt vor die Kamera und trinkt bedeutungsschwer Bubble-Tea.
Erst letztes Wochenende am Viertelfinalspiel der Schweiz machte auch Sportministerin Viola Amherd von sich reden – wegen ihres Outfits. Auf den Bildern, die sie aus St. Petersburg twitterte, sind ihre bunten Socken in modischen Sneakers zu sehen. Auch hier begünstigte die trendige Verpackung den Transport des Inhalts. Amherd gratulierte der Nati zum «Wahnsinnsspiel» – Hunderten gefiel ihr Tweet.
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Die demonstrative magistrale Coolness ist nicht durch einen offiziellen Bundesratsbeschluss gestützt. Aber sie offenbart ein Bedürfnis nach Entkrampfung. Über ein Jahr lang mussten die Bundesräte immer staatstragend sein. Streng wachten sie über die Einhaltung der Corona-Massnahmen, ernst kommunizierten sie immer neue Verschärfungen. Traurig und bedrohlich waren die Herausforderungen, Tote, Wirtschaftskrise, kollektive Erschöpfung. Über ein Jahr lang hat die Regierung dabei den direkten Draht zum Volk verloren. Stattdessen: Drohbriefe, Personenschutz, Abschottung.
Jetzt atmen die Bundesräte offensichtlich auf. Das war schon vergangene Woche augenfällig. Auf ihrem diesjährigen Reisli in die Waadt wirkten sie gelöst, gaben sich nahbar, wollten die Bevölkerung spüren, in der sich zuletzt die Regierungsskepsis ausgebreitet hatte. Die Botschaft ist klar: Seht her, wir sind Menschen wie ihr, wir haben auch gern Spass, wir nehmen uns nicht immer ernst, und auch wir sind froh, wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist.
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