Bund unterstützt im Ausland klimaschädliche Projekte
Mit dem Segen des Bundesrats ist die Schweiz an diversen Entwicklungsbanken beteiligt, die Millionen in Öl-, Gas- und Kohleprojekte investieren. Folgt bald eine Kurskorrektur?
Ausgerechnet ein Bundesrat jener Partei, die das Klimaabkommen von Paris ablehnt, muss sich womöglich für eine schärfere Klimapolitik einsetzen. Seit letztem Frühjahr vertritt SVP-Magistrat Guy Parmelin die Schweiz im Gouverneursrat multilateraler Entwicklungsbanken – jenen Institutionen, die mitentscheiden, ob und wie schnell das Pariser Klimaabkommen umgesetzt wird.
Nicht zuletzt dank ihnen werden in Entwicklungsländern zinsgünstige Darlehen und Garantien gesprochen, damit sich erneuerbare Energien auf dem Markt etablieren können, insbesondere Wind- und Sonnenenergie. Die Schweiz ist Aktionärin der wesentlichen multilateralen Entwicklungsbanken. Ihre wichtigste Partnerorganisation ist die Weltbank. Da die Schweiz im 25-köpfigen Verwaltungsrat Einsitz hat, kann sie deren strategischen Kurs mitbestimmen.
Der Bundesrat wird voraussichtlich diesen Mittwoch über eine Kapitalerhöhung von rund 200 Millionen Franken für die Weltbank befinden, namentlich an zwei ihrer Unterorganisationen: die internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und die Internationale Finanz-Korporation (IFC). Die geplante Beitragshöhe findet sich im letzten Jahr veröffentlichten Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2018 des Bundes. Die Aufstockung an sich ist nicht umstritten; der Bundesrat sieht darin ein «klares Bekenntnis» zum Multilateralismus. Zu reden gibt vielmehr, ob an die Zahlung eine klimapolitische Kurskorrektur geknüpft sein soll.
38 Vorhaben unterstützt
Zwischen 2016 und 2018 – also nach Abschluss des Pariser Klimaabkommens – haben multilaterale Entwicklungsbanken umgerechnet rund vier Milliarden Franken zur Finanzierung von Öl- und Gaskraftwerken gesprochen, verteilt auf 38 Vorhaben, unter anderem in Indien, Bangladesh und Myanmar. Die Schweiz hat allen Projekten zugestimmt. Für die St. Galler SP-Nationalrätin Claudia Friedl stehen diese Zusagen im Widerspruch zum Abkommen, das verlangt, dass die Finanzflüsse mit einem 1,5- bis 2-Grad-Ziel übereinstimmen müssen. «Die Schweiz muss ihre klimapolitische Verantwortung wahrnehmen», sagt Friedl, die im Parlament mehrere Vorstösse dazu eingereicht hat. Ihr Parteikollege Fabian Molina fordert deshalb, die geplante Kapitalerhöhung sei «an Bedingungen zu knüpfen».
Friedl will die Strategie der Schweiz in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, deren Mitglied sie ist, zum Thema machen. Das Gremium tagt heute Dienstag. Der Impuls für eine klimaverträglichere Politik kommt nicht nur von Links-Grün. Auch bürgerliche Parlamentarier ziehen eine Kurskorrektur zumindest in Erwägung. «Unsere Kommission muss dem Bundesrat womöglich Vorgaben machen», sagt Nationalrat Hans-Peter Portmann. Der Freisinnige will Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) zum Stimmverhalten der Schweiz bei fossilen Projekten Fragen stellen. Cassis ist Vize-Gouverneur bei der Weltbankgruppe.
Für Gaskraftwerke
Bis jetzt hat die Landesregierung keine Anstalten gemacht, von ihrem Kurs abzurücken, wie ihre Antworten auf verschiedene parlamentarische Vorstösse der letzten Jahre zeigen. Sie findet zwar auch, dass die Entwicklungsbanken die Ziele des Pariser Klimaabkommens umsetzen müssten. Sie stellt die investierten vier Milliarden aber in Relation zu den gesamten Verpflichtungen der Entwicklungsbanken, die zwischen 2016 bis 2018 324 Milliarden Franken betragen haben, davon 77 Milliarden für klimarelevante Projekte.
Zudem, so der Bundesrat, gelte es, klimapolitische Aspekte und «legitime entwicklungspolitische Interessen» im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Der Bundesrat vertritt daher eine «differenzierte Position». Letztes Jahr hat er angekündigt, in den Exekutivräten der multilateralen Entwicklungsbanken künftig gegen die Finanzierung von Kohlekraftwerken zu stimmen.
Moderne Gaskraftwerke dagegen bilden, wie der Bundesrat festhält, in vielen Entwicklungsländern «weiterhin ein unverzichtbares Element» der Stromversorgung: Sie könnten Kohlekraft ersetzen, wo nicht genügend erneuerbare Energien und Energiesparpotenzial vorhanden seien, was in der Summe den CO2-Ausstoss deutlich senke. Auch könnten sie als Reserve dienen, um Schwankungen bei der Wind-, Sonnen- und Wasserenergie auszugleichen, «und so deren Einsatz erst ermöglichen, indem die Versorgungssicherheit erhöht wird».
Weltbank in der Kritik
Der Bundesrat betont ferner, die multilateralen Entwicklungsbanken müssten strenge Umweltstandards einhalten, um negative ökologische Auswirkungen ihrer Projekte zu minimieren. Die Schweiz setze sich in den Steuerungsausschüssen für «ambitionierte Standards» ein. «Trotzdem kommt es immer wieder zu negativen Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen», entgegnet Kristina Lanz von Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke.
Allein in den letzten zehn Jahren seien beim Inspection Panel, der unabhängigen Beschwerdestelle der Weltbanktöchter IBRD und IDA, 32 Klagen eingegangen, die meisten davon wegen negativer Umweltauswirkungen von Projekten, welche die IBRD finanziert hat. Im Falle der Weltbanktochter IFC seien momentan 61 Beschwerdefälle in Bearbeitung.
In den letzten fünf Jahren stellte die Bank Gelder im Umfang von 12 Milliarden US-Dollar zur Verfügung im Zusammenhang mit fossilen Energien.
Hinzu kommt: Die Weltbank mit all ihren Unterorganisationen investiert trotz verschiedener Klimaversprechen noch immer dreimal mehr in fossile Energieprojekte als in erneuerbare Energien. Das hat die deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation «Urgewald» letztes Jahr aufgezeigt. In den letzten fünf Jahren stellte die Bank Gelder im Umfang von 12 Milliarden US-Dollar zur Verfügung im Zusammenhang mit fossilen Energien. Das Geld floss unter anderem in eine der weltgrössten Ölraffinerien in Nigeria sowie die Erschliessung eines neuen Ölfelds in Kenia.
Die Recherche zeigte auch, dass die Weltbank nach wie vor Kapitalbeteiligungen im Wert von mindestens 512 Millionen Dollar in 12 Öl- und Gasförderprojekten besitzt sowie 34 Millionen Dollar in Projekten mit angegliederten Kohlekraftwerken. Lanz von Alliance Sud fordert deshalb: «Die Schweiz soll sich dafür einsetzen, dass die Weltbank eine konsequente Klimapolitik erarbeitet und künftig kleinere Projekte zur nachhaltigen und kostengünstigen lokalen Energiegewinnung favorisiert.»
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