Alternativen zur ReisequarantäneBund hielt brisantes Papier einen Monat unter Verschluss
Gemäss einem Bericht der Taskforce schneiden die Quarantäneregeln der Schweiz schlecht ab. Das BAG will aber nichts ändern.
Sie war über die Sommermonate das Aufregerthema: Bis zu 22’000 Menschen sassen auf dem Höhepunkt in Quarantäne, weil sie aus einem Risikoland eingereist waren. 59 Länder und 14 Regionen standen zwischenzeitlich auf der Quarantäneliste. Im September bestellte der Bund einen Bericht bei der Corona-Taskforce. Ökonomen sollten prüfen, ob die fixen zehn Tage Quarantäne nach der Einreise, die auch ein negativer Test nicht verkürzen kann, wirklich der Weisheit letzter Schluss sind.
Die Ökonomen, unter anderem Marius Brülhart, Professor an der Universität Lausanne, und Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH, lieferten prompt. Am 12. Oktober ging ihr Bericht bei den Behörden ein. Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde er allerdings erst an diesem Freitag, einen Monat später. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Aufregung über die Reisequarantäne längst nicht mehr so gross ist. Aktuell sind rund 1000 Personen davon betroffen, Quarantäne gilt nur noch für vier Länder. Ende Oktober wurden die Kriterien für die Liste angepasst. Ein Land muss seither stärker von Corona betroffen sein als die Schweiz.
Nur einer von 200 ist infiziert
Die Ökonomen haben für ihren Bericht eine Mischrechnung gemacht: Wie hoch sind die wirtschaftlichen Kosten einer Quarantäne im Vergleich zu den Vorteilen aus epidemiologischer Sicht? Schon länger belegt ist, dass die Reisequarantäne, wie sie die Schweiz bisher anwendet, beim Verhindern von Ansteckungen relativ wenig bringt. In ihrem Bericht stützen sich die Ökonomen auf Daten aus dem Kanton Genf, wonach sich 0,5 Prozent der Reiserückkehrer tatsächlich mit Corona infiziert hatten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kam bei eigenen Untersuchungen auf 0,8 Prozent. Zum Vergleich: Quarantänen, die durch das Contact-Tracing im Inland angewendet werden, sind deutlich wirksamer. Daten aus Genf ergaben laut der Taskforce einen Wert von knapp 7 Prozent tatsächlich Infizierten.
Die Kosten der Quarantäne sind dagegen hoch: Pro Tag rechneten die Autoren mit Kosten von 230 Franken pro Person. Dieser Wert sei eher tief angesetzt, steht im Bericht. Die Schweiz hat seit dem Sommer aber Zehntausende in die Reisequarantäne geschickt. Hinzu kommen noch die indirekten wirtschaftlichen Kosten durch die Einschränkung der Reisetätigkeit.
Dann wurde das Modell des Bundes mit drei Alternativen verglichen: 1. Keine Massnahmen an den Grenzen. 2. Test bei Einreise. 3. Eine verkürzte Quarantäne, dank Test fünf Tage nach Einreise. Es zeigt sich: Das Modell des Bundes ist viel teurer als die Alternativen.
Eine verhinderte Ansteckung kostete mit dem heutigen Modell demnach zwischen 0,3 und 0,6 Millionen Franken im Vergleich zu einem Modell, bei dem an der Grenze gar keine Massnahmen getroffen werden. Im Vergleich zu einem Test-bei-Einreise-Modell liegen die Kosten bei 0,5 bis einer Million pro verhinderter Ansteckung und im Vergleich zur verkürzten Quarantäne bei bis zu 7 Millionen pro verhinderter Ansteckung.
Bundesamt für Gesundheit will nichts ändern
Wie Mitautor Marius Brülhart sagt, bleiben bei einer verkürzten Quarantäne plus einem negativen Test relativ wenig Corona-Fälle unentdeckt, während die wirtschaftlichen Kosten deutlich reduziert werden. Er plädiert deshalb für eine Überprüfung der Quarantäneregeln.
Deutschland setzt seit dem 8. November auf die verkürzte Quarantäne plus Test. Brülhart könnte sich für die Schweiz auch ein abgestuftes Modell vorstellen: also für Staaten mit sehr hohen Fallzahlen weiterhin zehn Tage fixe Quarantäne und für weniger stark betroffene Länder, deren Werte aber immer noch deutlich über jenem der Schweiz liegen, die verkürzte Quarantäne plus Test oder gar nur ein Test bei der Einreise.
Aktuell hat die Schweiz mit die höchsten Fallzahlen weltweit, es stehen darum kaum noch Staaten auf der Quarantäneliste. Doch das könnte zum Beispiel im nächsten Frühjahr wieder anders sein. Plant der Bund angesichts der Befunde der Taskforce eine Änderung seines Modells? Nein, teilt das BAG mit. Wegen der sehr angespannten epidemiologischen Lage sei das vorderhand nicht sinnvoll.
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