Umstrittene Bücherbeschaffung Pestalozzi-Bibliothek: Branchenriese räumt ab, kleine Buchläden sind verärgert
Die Pestalozzi-Bibliothek Zürich hat die Bücherbeschaffung neu geregelt: Die Orell Füssli AG geht beim Vergabeverfahren als Siegerin hervor und kann weitaus am meisten Bücher liefern.
Eben erst hat sich viel Prominenz für den Erhalt von Zürichs Kleinbuchhandlungen starkgemacht. Über hundert bekannte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Franz Hohler oder die Politikerin Anna Rosenwasser unterstützten eine von vierzehn unabhängigen Buchhandlungen lancierte Petition. Sie verlangt, dass die von der Stadt jährlich mit 10,6 Millionen Franken subventionierte Pestalozzi-Bibliothek Zürich (PBZ) die geplante Neuausrichtung der Medienbeschaffung rückgängig macht. Mehr als 4500 Unterschriften sind für die Petition zusammengekommen.
Kleine Buchläden bangen um ihre Existenz
Auslöser war der Entscheid der PBZ, die gesamte Medienbeschaffung für ihre vierzehn Filialen neu an externe Anbieter auszulagern. Viele kleinere Zürcher Buchhandlungen fürchteten um ihre Existenz, weil sie nicht so günstig offerieren können wie grosse Anbieter.
Jetzt folgt für die kleinen Buchläden der Dämpfer. Die PBZ hat ihren Vergabeentscheid gefällt, wie sie mitteilt. Ab kommendem Juni bezieht sie ihre Bücher und elektronischen Medien grösstenteils bei der Orell Füssli AG und nicht mehr bei lokalen Buchhandlungen.
Acht von zwölf Losen gehen an OF, so die Bereiche Belletristik, Sachmedien, Fremdsprachen, Hörbücher und analoge Spiele. Bei der Beschaffung der Comics konnte sich die Knecht + Co. Comic-Mail durchsetzen, bei den Bilderbüchern und Kinderhörmedien die Stäheli Interlingua AG. Bei den Reisebüchern schwang der Travel Book Shop obenaus. Keine gültigen Angebote gingen bei den Losen für Musik-CDs und DVDs ein; diese Aufträge will die PBZ nun freihändig vergeben.
PBZ verteidigt den Entscheid
«Wir sind froh, konnten wir die Aufträge an Unternehmen in der Schweiz vergeben und auch mehrheitlich an Stadtzürcher Unternehmen», sagt PBZ-Direktor Felix Hüppi. Auch dass die verschiedenen Lose auf mehrere Buchhandlungen verteilt werden konnten, wertet er positiv. Die Medienbeschaffung werde ab kommendem Juni mit den neuen Lieferanten, welche die Zuschläge erhalten hätten, umgesetzt.
Den Unmut kleinerer Buchhandlungen, der dem Vergabeentscheid vorangegangen war, könne er verstehen, sagt Hüppi. Aber das Gesetz lasse bei einem Auftragsvolumen von jährlich 800’000 Franken keinen Spielraum zu. Die zukünftige Medienbeschaffung sei nur über eine öffentliche Ausschreibung des Auftrages möglich gewesen.
Mit der Ausgliederung der Medienbeschaffung wolle die PBZ «mehr Zeit für die Kundschaft und deren Bedürfnisse» erhalten. Die dadurch frei gewordenen Stellenprozente würden für die Entwicklung neuer Angebote eingesetzt.
Denn Digitalisierung und gesellschaftlicher Wandel stellten die Bibliothek vor neue Herausforderungen, sagt Hüppi. Leseförderung, Schulung im Bereich digitale Medien, Deutsch für Fremdsprachige und ein Angebot an Lern- und Aufenthaltsräumen stünden inzwischen genauso im Zentrum wie die Ausleihe von Medien.
«Für uns ist das ein Hohn»
Die kleinen Zürcher Buchgeschäfte sind «bitter enttäuscht», wie Michael Pfister von der Buchhandlung Calligramme sagt. Bei der Vergabe seien nur gerade zwei kleine Zürcher Läden berücksichtigt worden. Orell Füssli sei längst ein internationaler Grossplayer und kein eigentliches «Stadtzürcher Unternehmen» mehr, wie es die PBZ darstelle.
«Für uns ist das ein Hohn», sagt Pfister. Wie in der Petition festgehalten seien es nicht nur Amazon und Ex Libris, sondern eben auch grosse warenhausähnliche Ketten, die durch eine ziemlich aggressive Expansionspolitik die Existenzbedingungen der kleinen Läden verschlechterten. Normalerweise werde die Firma als Orell Füssli Thalia AG bezeichnet, sagt Pfister. Da stecke viel Beteiligung der deutschen Buchhandlungsketten Thalia und Hugendubel drin.
Befremden über städtische Bibliothek
Die vielen Unterschriften für die Petition sieht er als Beleg daf¨ür, «dass die Menschen in Zürich keine Lust haben, nur noch zwischen Internetversand und Buchwarenhäusern wählen zu können». Aber genau darauf laufe es hinaus, wenn die Zürcher Bibliotheken so vorgingen, befürchtet der Buchhändler.
Zudem mute es seltsam an, dass in einer rot-grün regierten Stadt eine städtische Bibliothek kleine Buchläden zugunsten einer Grossfirma im Regen stehen lasse, deren Umsatz wohl das 200- oder auch 500-Fache der kleinen Geschäfte betrage.
Auch Ruth Schildknecht von der Buchhandlung Nievergelt in Oerlikon zeigt sich in der NZZ enttäuscht, dass sie den Zuschlag nicht erhalten hat. Rund 15 Prozent des Umsatzes generiere die Buchhandlung bisher mit den Aufträgen der PBZ. Diesen Verlust werde man nicht so schnell kompensieren können.
Fehler gefunden?Jetzt melden.