Zürcher Fischershop hat gezügeltPetri Heil für Andy Bleiker
Andy Bleiker war 24 Jahre alt, als er das Geschäft für Fischerartikel am Helvetiaplatz übernahm. 58-jährig muss er an einem neuen Ort anfangen, obwohl er Veränderungen nicht mag.
Vor einer Stunde hat Andy Bleiker erstmals die Tür seines neuen Ladens für die Kundschaft geöffnet. Seither hat er bereits eine Fischerrute verkauft. «Fängt gut an», sagt der gross gewachsene, schlanke 58-Jährige.
Vor zehn Monaten sah seine Gemütslage noch anders aus. Er hatte das Kündigungsschreiben für seinen Fischereiartikelshop beim Helvetiaplatz erhalten. Das Haus wird abgerissen. Ein Schock und schlaflose Nächte.
Sein Laden an der Ecke Molkenstrasse war eine Institution. Seit neunzig Jahren wurde dort alles für den Fischereibedarf verkauft. Und er, Andy, man sagt sich du, betreibt ihn seit 33 Jahren.
Veränderungen mag er nicht
Das Bild, wie er vor der Ladentür steht und auf das bunte Treiben schaut, gehörte zum Langstrassenquartier. Dann kam die Kündigung.
Ein Fischer braucht Geduld, Disziplin, Fachwissen, eine innere Ruhe. All das strahlt Andy Bleiker aus. Mit Veränderungen aber könne er nicht so gut umgehen, sagt er von sich selber. Und genau das stand ihm im Frühling 2023 bevor.
Er hatte keinerlei Erfahrungen, wie man in der Stadt Zürich ein neues Ladenlokal findet. Ein bezahlbares neues Ladenlokal. Seit er 24 Jahre alt ist, waren die rund vierzig Quadratmeter seines Fischereigeschäfts sein Arbeitsplatz. Er hatte nicht vor, daran etwas zu ändern.
Als gelernter Maschinenmechaniker hatte er, bevor er Anfang der 1990er-Jahre den Fischereiartikelshop von einem Freund übernahm, bei Bührle gearbeitet. Doch die Fischereiwaren waren seine Leidenschaft. Mit zehn erhielt er von einem Onkel eine Fischerrute. Von da an verbrachte er seine Freizeit, wenn immer es das Wetter zuliess, am Ufer des Zürichsees.
Im Töfflialter entdeckt er auch den Türlersee. Heute hat er ein Patent an der Limmat und ein kleines Schiff am Schanzengraben. «Mit dem fahre ich im Sommer nach Ladenschluss noch ein zwei Stunden auf den See, um herunterzukommen.»
Zurück in den Frühling 2023: Als der erste Schock vorbei war, versuchte er sich im positiven Denken. Vielleicht ist das ja auch eine Chance? Die Chance, ein etwas grösseres Lokal zu finden? An Aufhören habe er nie gedacht. Von der Kundschaft und den Kollegen kamen aufmunternde Sprüche: Es werde sich bestimmt eine Tür öffnen.
Durch ebendiese Tür sind wir vorhin eingetreten. Zuvor verkaufte hier eine Innenarchitektin Möbel, Accessoires und Kunsthandwerk aus der Schweiz und aus dem Ausland. Einem Kunden von Andy Bleiker kam zu Ohren, dass sie auszieht, und vermittelte.
Über der Tür prangt nun in Blau auf strahlendem Weiss «Andy’s Fischershop». Das neue Geschäft liegt an der Stauffacherstrasse 151 bei der Bäckeranlage, nur eine Tramhaltestelle vom alten Standort entfernt.
Die Parkplatzsituation sei eher besser als zuvor, die Sichtbarkeit auch. «Als ich am Einräumen war, hielt bereits ein Autofahrer mit Thurgauer Nummer an, um kurz reinzuschauen», sagt Andy Bleiker.
Das Ladenlokal ist zwar nicht viel grösser als dasjenige zuvor, aber heller und höher, was für das Aufstellen der drei Meter langen Angelruten von Vorteil ist. Und zum Lokal gehört ein grosser Lagerraum.
Die alte Theke hat er mitgenommen, ebenso die schönen Holzmöbelchen mit den vielen Schubladen für Kleinkram, die er einst von seinem Vorgänger übernommen hatte.
Der Mietzins ist ähnlich wie zuvor. Und wie ist die Aussicht, wenn er vor dem Laden steht? «Etwas mehr Autoverkehr und weniger sonstigen Betrieb.» Also etwas langweiliger? «Das andere hat man auch mal gesehen.»
Das Telefon klingelt. Ein Kunde fragt nach rotem Silch. Ein Mann tritt ein und will wissen, was eine Anfängerausrüstung kostet.
Viel weniger als früher, erzählt Bleiker. Das Material sei eher billiger geworden. Die Rute, die er in der Lehre gekauft hatte, kostete damals 360 Franken. Heute bekomme man ein vergleichbares Modell für 150 bis 200 Franken.
Auch die Kundschaft hat sich verändert: «Mehr – aber immer noch zu wenig Frauen. Mehr Jüngere als früher.» Jugendliche, die sich vor dreissig Jahren bei ihm eindeckten, kommen heute mit ihren Kindern.
Unterdessen schauen sich drei Männer mittleren Alters neugierig im neuen Geschäft um. «Du bist echt ein Glückspilz», sagt einer von ihnen. Etwas später wird Andy Bleiker sagen: «Ich wurde ein bisschen zum Glück gezwungen.»
Andy’s Fischershop, Stauffacherstrasse 151, 8004 Zürich, Tel.: 044 241 15 25, info@fischer-shop.ch
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