Repression im IranBrutaler Verfolger von Dissidenten übernimmt die Justiz
Der iranische Machthaber Khamenei macht Gholamhossein Mohseni-Ejei zum Chef der Justiz. Wie dem designierten Präsidenten Raisi werden ihm schwere Menschenrechtsverletzungen angelastet.
Der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, war voll des Lobes. Als Mann mit «wertvoller Erfahrung und einer glänzenden Bilanz» pries er Gholamhossein Mohseni-Ejei (64) in dem Schreiben, mit dem er ihn zum Chef der Justiz ernannte. Das verwundert nicht, schliesslich bestimmt der Oberste Führer allein, ohne Beteiligung des Parlaments oder der Regierung, den Inhaber dieser mächtigen Position, die über dem Justizminister angesiedelt und der Kontrolle durch Exekutive und Legislative entzogen ist.
Wie sein Vorgänger, der zum Präsidenten aufgestiegene Ebrahim Raisi, ist Mohseni-Ejei ein Hardliner. Künftig obliegt ihm die Organisation und Kontrolle der Justiz, zudem kann er Gesetzentwürfe einbringen. Rechenschaft ist er nur Khamenei schuldig, zu dessen engen Vertrauten er ebenso gehört wie Raisi. Khamenei rief ihn auf, die Korruption zu bekämpfen und die Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Eine 35-jährige Karriere
Menschenrechtler und Vertreter der ohnehin massiv unter Druck stehenden Zivilgesellschaft sehen die Ernennung als Zeichen, dass sie künftig ein noch härteres Vorgehen des Regimes zu erwarten haben. Mohseni-Ejei wandelte zeit seiner mehr als 35 Jahre währenden Karriere in der Islamischen Republik zwischen Geheimdiensten und Justiz, den zentralen Unterdrückungsinstrumenten des Regimes, und war wiederholt an der brutalen Verfolgung von Dissidenten beteiligt.
In der EU steht er wie in den USA wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen bei der Niederschlagung der Grünen Revolution im Jahr 2009 auf den Sanktionslisten. Als Geheimdienstminister unter Präsident Mahmoud Ahmadinejad seien «Geheimdienstagenten unter seinem Kommando verantwortlich gewesen für die Verhaftung, Folter und Erzwingung falscher Geständnisse von Hunderten Aktivisten, Journalisten, Dissidenten und reformistischer Politiker», heisst es in der entsprechenden EU-Verordnung. Auch lasten ihm die EU-Staaten «unerträgliche Verhöre» an, bei denen «Folter, Missbrauch, Erpressung und die Bedrohung von Familienmitgliedern» zum Einsatz gekommen seien.
Ausbildung in einer Kaderschmiede
Seine Ausbildung durchlief der 1956 in einem Ort nahe Isfahan geborene Kleriker am fundamentalistischen Haqqani-Seminar in der heiligen Stadt Qom, einer Kaderschmiede der Hardliner, die eine Vielzahl von Funktionären der Islamischen Republik hervorgebracht hat. Zu seinen Lehrern zählte der radikale Ayatollah Mohammed-Taghi Mesbah-Yazdi, der gegen die Reformer Front machte und als Spiritus Rector hinter Ahmadinejad galt.
In die sogenannten Kettenmorde, denen in den Neunzigerjahren Dutzende Dissidenten und Intellektuelle zum Opfer fielen, soll Mohseni-Ejei ebenso verwickelt gewesen sein wie in die Ermordung Tausender Regimegegner 1988 auf Befehl von Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini. Als einer der Verantwortlichen gilt hier Raisi.
Aussergerichtliche Hinrichtungen richteten sich 1988 vor allem gegen Gefangene der Volksmujahedin, die sich im Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein auf dessen Seite geschlagen hatten.
2005 ernannte Ahmadinejad ihn zum Geheimdienstminister. Nachdem diesem mutmasslich durch Wahlbetrug eine zweite Amtszeit zugesprochen worden war, entliess er Mohseni-Ejei. Über die Gründe gibt es verschiedene Versionen, jedenfalls machte der Präsident Mohseni-Ejei mit dafür verantwortlich, dass es 2009 zu den Massenprotesten gekommen war. Dessen Karriere tat die Entlassung keinen Abbruch: Khamenei machte ihn zum Generalstaatsanwalt, als der er sich dafür einsetzte, den Zugang zum Internet und zu den sozialen Medien weiter zu beschränken. 2014 stieg er zum Vizechef der Justiz auf.
Die Justiz des Iran steht nicht nur wegen ihrer intransparenten Verfahren und der regelmässigen Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien in der Kritik. Sie verhängt auch nach China die meisten Todesurteile weltweit und spielt eine wichtige Rolle bei der Inhaftierung von Doppelstaatlern. Diese werden zumeist von den Geheimdiensten oder den Revolutionsgarden der Spionage beschuldigt und in Geheimverfahren abgeurteilt – eine Art Geiseldiplomatie, die dazu dient, gegenüber dem Westen Verhandlungsmasse aufzubauen und den Austausch von im Ausland festgehaltenen Iranern zu erpressen, unter ihnen Geheimdienstler.
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