Gastkommentar zur Corona-StrategieBreites Testen ist wirksam und wirtschaftlich
Häufiges Testen von möglichst vielen, auch gesunden Personen ist ein wirksames Mittel auch gegen die neuen, ansteckenderen Virusvarianten.
Der Kanton Graubünden führt seit Dezember breite Corona-Tests an Gesunden durch. Dabei konnte sich die ganze Bevölkerung einer Region kostenlos auf das Virus testen lassen, ungeachtet dessen, ob jemand typische Covid-Symptome zeigte oder nicht.
Wir schlagen vor, diesen Ansatz weiterzuentwickeln: Ganze Bevölkerungsgruppen sollten sich regelmässig in Abständen von wenigen Tagen oder Wochen testen lassen. Lokal begrenzte Ausbrüche, steigende Fallzahlen in einem Kanton oder im ganzen Land lassen sich so gezielt und dosiert unter Kontrolle bringen. Die Politik hat bereits reagiert: Der Bundesrat will das Bündner Testmodell fördern, ausweiten und teilweise finanzieren.
Je mehr man testet, desto schlagkräftiger ist die Methode und desto weniger muss auf andere Massnahmen zurückgegriffen werden, wie zum Beispiel die Schliessung von Schulen, Restaurants und Geschäften. Angesichts der neuen, ansteckenderen Virusvarianten ist eine solche wirksame und flexible Teststrategie wichtiger denn je.
Worauf es ankommt
Bei der Pandemiebekämpfung kommt es letztlich darauf an, dass sich möglichst viele infektiöse Personen in Isolation begeben. Vergleicht man zwei Bekämpfungsstrategien, ist jene überlegen, die mehr infektiöse Personen zu erkennen vermag. Unsere Simulationsrechnungen zeigen, dass regelmässige Tests – sofern viele Personen freiwillig mitmachen – dazu besser geeignet sind als die bisherige Schweizer Teststrategie, die auf Personen mit Covid-19-Krankheitssymptomen zielt.
In der öffentlichen Diskussion wird oft darauf hingewiesen, dass die Antigen-Schnelltests weniger genau sind und nicht alle infektiösen Personen zu erkennen vermögen. Das stimmt zwar, ist aber nur von geringer Bedeutung, wenn es darum geht, unter sehr vielen Menschen eine bestimmte Zahl von infektiösen Personen zu erkennen. Man muss damit einfach mehr Leute testen. Auch schlechte Fischer angeln Fische. Um gleich viele Fische zu angeln wie gute Fischer, braucht es von den schlechten Fischern einfach mehr.
Kritiker wenden ein, dass das massenweise Testen sehr teuer sei. Es lohnt sich dennoch. Mit jeder einzelnen verhinderten Infektion lassen sich volkswirtschaftliche Kosten vermeiden. Diese genau zu beziffern, ist schwierig. Amerikanische Wirtschaftswissenschaftler schätzten sie auf rund 250'000 Franken pro Infektion. Selbst wenn verhältnismässig wenige Freiwillige bei einem Massentest mitmachten, dürfte damit der volkswirtschaftliche Nutzen die Kosten übersteigen.
Je mehr, desto besser
Eine testbasierte Bekämpfungsstrategie ist erfolgreicher, je mehr Personen teilnehmen. Wir haben in einem kleinen Team der ETH Zürich, Empa und weiterer Kollegen einen Simulationsalgorithmus entwickelt, der auch als interaktive Onlineanwendung verfügbar ist. Entscheidungsträger können damit für eine beliebige Anzahl von Teilnehmern die Wirkung auf die Virusverbreitung abschätzen. So können sie die Kosten fürs Testen gegen die Kosten alternativer Massnahmen abwägen, wie zum Beispiel Unterstützungszahlungen für die Wirtschaft.
Unsere Simulationen zeigen: Lässt sich ein Viertel der Bevölkerung in einem Gebiet jede Woche einmal testen, kann damit die Reproduktionszahl (der R-Wert) um etwa 40 Prozent verringert werden. Lässt sich gar die Hälfte der Bevölkerung einmal pro Woche testen, lässt sich der R-Wert halbieren. Testet man nicht die ganze Bevölkerung, sondern spezifisch Bevölkerungsgruppen, die besonders anfällig sind auf eine Ansteckung, müsste man weniger Personen testen, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Solche Bevölkerungsgruppen sind beispielsweise Personen, die täglich beim Pendeln, am Arbeitsplatz, in Gemeinschaftseinrichtungen oder in der Schule viele Kontakte haben.
Damit sind Tests – wenn man auch die symptomlosen Menschen testet – ein wichtiger und flexibel einsetzbarer Hebel, den wir in der Hand haben, um gegen neue, ansteckendere Virusvarianten anzutreten. Mit einer ausreichend hohen Zahl von Teilnehmenden liessen sich die neuen Virusvarianten vielleicht sogar ohne Lockdown in Schach halten.
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