Bierbrauereien spannen zusammenLocher übernimmt die Aktienmehrheit bei Chopfab Boxer
Nach wochenlangen Verhandlungen ist nun klar: Die Appenzeller Traditionsmarke Quöllfrisch steigt gross bei den Winterthurern ein und übernimmt dort im Verwaltungsrat die Kontrolle.
Herr Meyer, Herr Bucher. Die Brauerei Locher rettet Chopfab Boxer. Der Deal steht nach wochenlangen Verhandlungen. Wie genau sieht er aus?
Aurèle Meyer: Wir konnten die Geldgeber von Chopfab Boxer – Banken, Geschäftspartner und Aktionäre – gemeinsam davon überzeugen, dass sie auf einen substanziellen Teil ihrer Forderungen verzichten. Die letzte Bestätigung und Unterschrift haben wir gestern Abend erhalten. Es ist also alles noch ganz frisch.
Von welchen Summen reden wir da?
Meyer: Genaue Zahlen nennen wir nicht. Aber es sind Beträge in Millionenhöhe.
Wie konnten Sie Ihre Investoren und Lieferanten davon überzeugen, auf so viel Geld zu verzichten?
Philip Bucher: Wir haben viel Goodwill und Rückenwind gespürt. Es sind langjährige Kunden, nicht nur von uns, sondern auch von der Brauerei Locher. Der gemeinsame Auftritt hat sicher sehr geholfen. Locher hat einen sehr guten Ruf. Es ist ein starkes, solides Unternehmen und die grösste unabhängige Brauerei der Schweiz.
Meyer: Dass hier zwei etablierte mittelgrosse Schweizer Brauereien zusammenspannen und wir eine Branchenlösung präsentieren konnten, war in den Verhandlungen für viele ein ausschlaggebendes Argument, um mitzuziehen. Auch sie glauben daran, dass es gut kommt, wenn mit Chopfab Boxer und der Brauerei Locher zwei starke Schweizer Marken zusammenarbeiten.
Bucher: Natürlich haben auch unsere Lieferanten die Rechnung gemacht. Sie wollten uns als wichtige Kunden nicht verlieren.
Was ist mit der öffentlichen Hand? Von Stadtwerk bezieht Chopfab Gas und Wasser in rauen Mengen. Beim Bund fielen Biersteuern an. Wurden Ihnen diese offenen Beträge auch erlassen?
Bucher: Nein, es sind ausschliesslich private Geldgeber, die auf ihren Teil ihrer Forderungen verzichten mussten. Wir haben unsere Firma nicht auf dem Rücken der Steuerzahler saniert.
Der Schuldenschnitt ist eine Säule des Rettungsplans. Die zweite ist die Erhöhung des Aktienkapitals. Locher schiesst frisches Geld ein. Wie viel?
Meyer: Auch hier nennen wir keine Zahlen. Nur so viel: Mit der Kapitalerhöhung wird Locher die Mehrheit der Aktien bei Chopfab Boxer übernehmen.
Was versprechen Sie sich genau davon?
Meyer: Wir glauben an die Marke Chopfab Boxer und ihren Weg. Sie funktioniert, Qualität und Absatz stimmen. Und nun steht das Unternehmen finanziell wieder auf einem soliden Fundament.
Als Mehrheitsaktionär wollen sie auch eine anständige Dividende sehen. Glauben Sie, dass sie mit Chopfab gutes Geld verdienen können?
Meyer: Ja, natürlich. Aber das war definitiv nicht die Hauptmotivation für uns, um einzusteigen. Wir versprechen uns andere Vorteile, nur schon rein operativ.
Bucher: Logistisch zum Beispiel, indem wir die Kunden gemeinsam beliefern können. Zudem ist unser Sortiment kombiniert sehr attraktiv. Denkbar ist auch, dass ein Teil unserer Dosen künftig in Appenzell abgefüllt werden.
Meyer: Natürlich stärkt der gemeinsame Auftritt auch unsere Verhandlungsposition gegenüber Lieferanten. Das kann helfen, wenn gewisse Rohstoffe knapp werden …
… und sie dann zuerst zum Zug kommen, zu guten Konditionen.
Meyer: Genau.
Stichwort Marktmacht. Steigen Chopfab Boxer und Locher nun zur Nummer zwei hinter Carlsberg auf, zu dem beispielsweise die Marke Feldschlösschen gehört?
Bucher: Nummer zwei, drei oder vier: Für uns spielt das keine Rolle. Gemessen am inländischen Bierkonsum, kommen Chopfab Boxer und Locher zusammen auf etwa zehn Prozent. Das sind grobe Schätzungen, zeigt aber in etwa die Relationen. Knapp ein Viertel des Bieres wird zudem importiert, stammt also aus dem Ausland.
Zurück zum Operativen. Herr Bucher bleibt Geschäftsführer bei Chopfab Boxer. Sie, Herr Meyer, und Karl Locher übernehmen neu zu zweit im Verwaltungsrat, Herr Locher als Präsident. Damit gibt Appenzell in Winterthur künftig den Ton an. In welche Richtung wollen Sie Chopfab Boxer steuern?
Meyer: Wir werden sicher nicht alles auf den Kopf stellen. Das war nie der Plan und würde auch keinen Sinn machen. Denn nochmals: Die Marke Chopfab Boxer funktioniert, das Bier ist gut, die Infrastruktur ist topmodern. Es wird keine Fusion geben, eine neue gemeinsame Dachmarke oder ein gemeinsames Bier oder Ähnliches. Chopfab wird weiterhin in Winterthur gebraut, Quöllfrisch in Appenzell. Wir haben es bei Locher sicher geschafft, über Generationen hinweg ein finanziell solides Unternehmen mit schlanken, effizienten Prozessen aufzubauen. Wir Appenzeller sind vorsichtige und sparsame Leute. Wir haben bei Locher ein strenges Kosten-Controlling. Diese DNA, dieses Kostenbewusstsein werden wir bei Chopfab Boxer sicher verstärkt einfliessen lassen.
Dann wird weiteres Personal entlassen, um zu sparen?
Bucher: Nein, das ist nicht vorgesehen.
Meyer: Man kann bei einer Brauerei nicht nach Belieben beim Personal sparen. Wir brauchen gute Leute in der Produktion, um die Qualität zu halten.
Sie haben es angesprochen, Herr Meyer. Rein kulturell: Prallen hier nicht Welten aufeinander? Hier das Familienunternehmen in der fünften Generation, dort die urbane Marke, die aggressiv in den Markt vorgestossen und rasch gewachsen ist?
Meyer: Wir haben eine andere Geschichte, das ist so. Aber wir sind der Meinung, dass wir uns sehr gut ergänzen. Die Basis stimmt.
Bucher: So unterschiedlich sind unsere Philosophien als Unternehmen gar nicht. Beide sind offen für Innovationen und treiben diese voran. Bei den Bierspezialitäten zum Beispiel. Aber auch bei anderen Produkten. Nehmen Sie Brewbee, den Fleischersatz aus Malztreber von Locher. Auch wir bei Chopfab Boxer liefen Malztreber als Rohstoff an die Lebensmittelindustrie. Ich möchte hier auch entschlossen korrigieren, was in verschiedenen Medien kolportiert worden ist: dass wir uns mit viel Geld in die Regale der Grossverteiler eingekauft hätten, um sichtbar zu werden und rasch zu wachsen. Das ist Unsinn. Der Markt hat unser Wachstum bestimmt.
Wie geht es jetzt weiter?
Meyer: Das Tagesgeschäft läuft normal weiter. Aber schon in den nächsten Wochen und Monaten werden wir ausloten, wo und wie wir Prozesse anpassen und operativ enger zusammenspannen können.
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