Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Attentat in São Paulo
Ein öffentlicher Mord erschüttert Brasilien – und seine Hintergründe noch viel mehr

Die vermummten Täter mitten in den Reisenden – dies zeigen Bilder der Überwachungskamera.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Es geschah am vergangenen Freitag. Antonio Vinicius Lopes Gritzbach nimmt um 16 Uhr seinen Koffer vom Wagen, mit dem er gerade das Terminal 2 des Internationalen Flughafens Guarulhos in São Paulo verlassen hat, als die ersten Schüsse fallen.

Gritzbach schaut erschrocken auf und flieht. Es fallen weitere Schüsse. Gritzbach wird getroffen und stürzt, mitten im Ankunftsbereich des Flughafens und von Passanten umgeben, zu Boden. Wenige Sekunden später ist er tot. Zehn der abgefeuerten 27 Schüsse haben seinen Körper getroffen.

Gritzbach (weisses T-Shirt) kurz vor der Tat.

Aufnahmen der Tat machen schnell die Runde. Sie zeigen den 38-jährigen Mann, wie er zu Boden geht. Und sie zeigen die beiden Täter – beide mit Kapuzenpullover – wie sie das Feuer eröffnen und anschliessend fliehen.

Hintergrund zu Mord in São Paulo hat es in sich

Die Bilder haben in Brasilien einiges ausgelöst. Zwar sind Todesopfer durch Auseinandersetzungen mit Schusswaffen schon länger ein grosses Problem in Südamerikas grösstem Land. Aber ein Attentat in aller Öffentlichkeit, am grössten Flughafen des Landes und mitten unter Passanten ist auch dort nicht alltäglich.

Vor allem aber macht der Hintergrund die Tat zu einem grossen Fall. Denn der hat es in sich.

Antonio Vinicius Lopes Gritzbach ist nämlich kein Zufallsopfer. Und auch kein unbeschriebenes Blatt. Und er hat mit einem Angriff gerechnet.

Der Zorn der PCC-Mafia

Gritzbach hatte den Zorn der mächtigen Mafia-artigen Bande Primeiro Comando da Capital (PCC) auf sich gezogen. Die PCC ist eine in Brasilien stark vernetzte und vor allem durch Drogenhandel einflussreich gewordene kriminelle Vereinigung.

Gritzbach wurde in der Vergangenheit wegen Verstrickungen mit der PCC verhaftet.

Als Mitglied hat Gritzbach für die Bande Geld gewaschen. Er tat dies vor allem über Kryptowährungen und Immobilieninvestitionen. Berichten zufolge hatte er Millionenbeträge so gewaschen. Zum Verhängnis wurde Gritzbach, als ein Chef der PCC, Anselmo Becheli Santa Fausta, bekannt als Cara Preta (Schwarzes Gesicht), ihm laut der Zeitung «Estadao» vor einigen Jahren 100 Millionen brasilianische Real (15 Millionen Franken) übergeben hatte.

Das Geld investierte Gritzbach in Kryptowährungen. Im Jahr 2021 wollte Fausta sein Geld zurück. Aber Gritzbach weigerte sich. Noch im selben Jahr wurde PCC-Chef Fausta getötet. Und offenbar steckte Gritzbach dahinter – er soll den Mord in Auftrag gegeben und so den Zorn der PCC auf sich gezogen haben. Die Bande setzte ein Kopfgeld in Millionenhöhe auf Gritzbach aus.

In Todesangst wandte sich dieser an die Behörden und wollte bei Straffreiheit über die Aktivitäten der PCC auspacken. Ende Oktober dieses Jahres hat er dann eine umfassende Aussage gemacht und unter anderen auch Polizisten beschuldigt, Geld von der Bande angenommen und ihnen im Gegenzug Schutz vor Verfolgung geboten zu haben.

Waren die Täter Polizisten, Gangster oder Investoren?

Die Vermutung, dass diese Aussage gleichbedeutend mit seinem Todesurteil war, liegt nahe. Gut eine Woche nach der Aussage war er tot. Dafür spricht auch, dass Gritzbach vier Polizisten zu seinem Schutz angeheuert hat – diese aber am Tag seines Todes laut eigenen Aussagen auf dem Weg zum Flughafen eine Autopanne erlitten hatten und so zur Tatzeit nicht vor Ort waren. Die Polizisten wurden mittlerweile vom Dienst suspendiert.

Die Tatwaffen wurden von der Polizei sichergestellt.

Der offensichtliche Verdacht ist, dass es die PCC selber war, die die Tötung ausführte. Neue Informationen deuten darauf hin, dass Gritzbach im Vorfeld des Mordes beschattet wurde. So soll sich ein Mann im selben Flug wie er befunden haben, der mit der Tat in Verbindung steht, wie Globo News berichtet.

«Öffentliche Hinrichtungen sind für die PCC nichts Neues», sagte Renato Sergio de Lima, der Geschäftsführer des brasilianischen Forums für öffentliche Sicherheit gegenüber Globo News. «Was dieses Mal auffiel, war die Dreistigkeit, ein solches Verbrechen in einem stark überwachten Bereich zu begehen: dem zweitgrössten Flughafen Lateinamerikas, wo mehrere Strafverfolgungsbehörden präsent sind.»

Mexikanische Verhältnisse in Brasilien

Angesichts der Tragweite des Verbrechens haben nun auch die Behörden einen Gang hochgeschaltet. In São Paulo wurde eigens eine Taskforce ins Leben gerufen, um den Fall aufzuklären. Das Departement für öffentliche Sicherheit des Bundesstaates will damit Licht ins Dunkel bringen und alle Involvierten der Justiz zuführen.

Dass dies nicht einfach werden dürfte, ahnt Sicherheitsexperte Lima. Er vergleicht die PCC mit den mexikanischen Drogenkartellen: «Das Ausmass, in dem die Kriminalität den Staat und die Wirtschaft kontaminiert hat – mit Geldwäsche in Immobilien, Kraftstoffhandel und Kryptowährungen – erreicht das Niveau Mexikos. Und das ist äusserst besorgniserregend.»