Abgang bei FinanzmarktaufsichtBranson verlässt die Finma und wechselt nach Deutschland
Deutschland wirbt der Schweiz den obersten Finanzaufseher ab. Der Verwaltungsrat leitet die Nachfolge-Suche ein.
Mark Branson wird neuer Chef der deutschen Finanzaufsicht werden. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) bestätigte am Mittag einen Bericht des deutschen «Handelsblatts». «Er wird per Mitte des Jahres 2021 die Funktion als Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Deutschland übernehmen», teilte die Finma mit.
«Bis auf weiteres» soll ab Mai Jan Blöchliger die Leitung der Finma übernehmen. Der Anwalt leitet seit Sommer 2018 die Bankenaufsicht. Gleichzeitig hat der Verwaltungsrat der Finma den Suchprozess für einen neuen Finma-Direktor eingeleitet.
Finma-Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad bedauerte Bransons Abgang. «Dass die Finma so dasteht, als national und international anerkannte Behörde, ist ein grosses Verdienst von Mark Branson», erklärte sie. «Die Ernennung zum Bafin-Präsidenten ist ein Ausdruck dieser internationalen Anerkennung», fügte sie an.
Amstad leitet erst seit Anfang Jahr den Verwaltungsrat der Finma. Keine drei Monate im Amt, muss sie nun gleich einen der wichtigsten Posten der Schweizer Finanzbranche neu besetzen.
Branson selbst sagte in der Medienmitteilung nichts zu den Gründen seines Abgangs. «Dieser Schritt fällt mir extrem schwer. Ich bin sehr stolz auf das, was wir als schlanke Behörde in einer sehr anspruchsvollen Zeit immer wieder gemeinsam erreicht haben», erklärte er. Branson leitet seit 1. April 2014 die Finma, zuvor war der ehemalige UBS-Manager Leiter der Bankenaufsicht.
Abgang ist ein Verlust
Für die Finma ist der Abgang ohne Zweifel ein Verlust. Branson war ein intimer Kenner der Finanzbranche. Kritiker warfen der Behörde indes einen Hang zu Überregulierung vor. Vor allem stossen sich Banken daran, dass die Finma die Aufsichtsgesetze mit Rundschreiben im Detail selbst präzisieren kann. Davon habe die Finma im Übermass Gebrauch gemacht, ist immer wieder aus der Branche zu hören.
Bei der Bafin in Bonn wartet eine Reformbaustelle auf Branson. Die Bafin war zuletzt im Bilanzbetrugsskandal um das frühere Dax-Unternehmen Wirecard heftig in die Kritik geraten. Wegen des Skandals verlor der bisherige Chef Felix Hufeld seinen Posten.
Der Skandal um die Wirecard AG habe offenbart, dass die deutsche Finanzaufsicht eine Reorganisation brauche, um ihre Aufsichtsfunktion effektiver erfüllen zu können, hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gesagt. Die Bafin soll unter anderem mit Experten für Wirtschaftsprüfung und Bilanzanalyse verstärkt werden.
Der Skandal hat grosse Lücken im deutschen Aufsichtswesen blossgelegt: Denn weder der Bafin noch den Wirtschaftsprüfern von EY war der mutmassliche jahrelange Milliardenbetrug von Wirecard aufgefallen. Das Unternehmen war einst Mitglied des DAX, des wichtigsten deutschen Aktienindex. Nun ist Wirecard insolvent. Der Konzern hatte Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt – insgesamt könnte es nach Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft um mehr als drei Milliarden Euro gehen.
Zudem ist die Bafin selbst in das Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft geraten. Es handelt sich nach früheren Angaben vom Februar aber zunächst nur um eine Vorprüfung. Wirecard-Aktionäre hatten Strafanzeigen erstattet. Sie werfen der Behörde vor, sie habe ihre Aufsichtspflichten verletzt.
Verdacht auf Insiderhandel
Ferner geht es um den Vorwurf des Insiderhandels. Hufeld und Vizechefin Elisabeth Roegele traten ab, nachdem der Verdacht aufkam, ein Bafin-Mitarbeiter könnte dank Insiderwissen mit Wirecard-Papieren Geschäfte gemacht haben.
Wegen des Versagens der Finanzaufsicht ist in Deutschland auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in die Kritik geraten. Scholz soll bei den Bundestagswahlen im September als Kanzlerkandidat die SPD aus ihrem Dauertief führen.
Vor diesem Hintergrund hat das erfolgreiche Abwerben von Branson auch eine politische Komponente. Scholz kann im Superwahljahr 2021 eine wichtige Personalie neu besetzen und damit seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen.
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