Boutiquefitness in ZürichTrainieren zwischen Partyatmosphäre und Achtsamkeit
Boxen und Laufen zu Discomusik oder Kaltwassertherapie: Neuartige Gyms buhlen mit ganzheitlichen Angeboten um eine Klientel, der das Fitnesscenter nicht zusagt.
- Boutiquefitness setzt auf Nischen und etabliert Communitys rund um die Angebote.
- Lucky Punch kombiniert Circuittraining mit Box-Elementen und expandiert international.
- Now Fitness bietet internationales Publikum und kombiniert Laufen mit Gewichtstraining.
- Keen Wellbeing kombiniert Atemtraining mit Eis- und Saunaerfahrungen für mentale Gesundheit.
Für einen Montagmorgen ist es noch viel zu früh für so viel gute Laune. Kurz vor acht Uhr stehen wir in einem hohen Raum an der Europaallee, tragen Boxhandschuhe und bewegen uns zu den Anweisungen, die der für diese Tageszeit schon enorm heitere Guille uns durchgibt. «Left-right-left-right! Jumping Jacks!» Dass die Kommandos so deutlich ankommen, liegt an den Kopfhörern, die wir tragen, wie alle anderen in dieser Trainingsstunde.
«Legs, Abs & Ass» heisst die Lektion, Lucky Punch der Anbieter. Es ist eine von mehreren neuen Trainingsformen in der Stadt. Was sie alle gemeinsam haben: Sie könnten kaum weiter entfernt sein vom klassischen Fitnesscenter.
Diese zeichnet aus, dass sie etwas für jede und jeden anbieten: Wer will, setzt sich auf den Hometrainer oder das Rudergerät und trainiert das Herz-Kreislauf-System. Oder man stärkt an Kraftgeräten und mit Hanteln seine Muskeln. Oder man besucht eine Gruppenklasse von Bodypump bis Yoga. Alles in nüchterner, heller Atmosphäre.
Vorreiter waren die Spinninganbieter
Die neuen Trainingsangebote hingegen bringen den Coolnessfaktor mit und fokussieren auf kleine, präzise definierte Nischen: Boutiquefitness nennt sich das. Ziemlich einheitlich sind auch die Preise: Die Lektionen kosten um 35 Franken und sind damit ähnlich teuer wie eine Yoga- oder Pilateslektion. Gesprochen wird Englisch, was sich auch in der internationalen Klientel widerspiegelt.
Gruppentrainings in Discoatmosphäre sind kein neues Phänomen. In Zürich waren Spinninganbieter wie Open Ride, Spark und Velocity die Vorreiter. Nun diversifizieren sich diese Konzepte in verschiedene Richtungen: bezüglich der Kombination von Sportarten, aber auch bezüglich der Ausrichtung. Nicht immer ist das Auspowern die oberste Maxime. Es werden auch ganzheitlichere Trainingsansätze verfolgt, die mentale Fitness miteinbeziehen.
Lucky Punch: Von der Europaallee nach Dubai
Bei Lucky Punch wird ein klassisches Kreiseltraining mit Box-Elementen kombiniert, täglich in sieben bis acht Gruppenklassen. Der Standort in der Europaallee-Passage ist prominent, direkt gegenüber vom Coop. Die schwarze Verglasung versperrt den Blick hinein, aber nicht hinaus. Das ist einigermassen skurril: Während wir schwitzend unsere Übungen absolvieren, geht der Blick raus auf die Coop-Kundschaft, die vor der Kasse steht.
Letztere kriegt davon nichts mit, obwohl die Übungen zu intensiven Beats absolviert werden: Die Musik kommt nicht aus grossen Boxen, sondern aus Funkkopfhörern, die wie die Boxhandschuhe und Handtücher zum Eintrittspreis gehören. Das Ambiente erinnert eher an einen Club als ein Gym, dafür sorgen dünne, rote Leuchtröhren, die im Takt blinken.
Bei Trainer Guille sind es bekannte Latinosongs. Die Lektion besteht aus Kraftübungen wie Knie- und Rumpfbeugen, der Puls wird etwa durch Hampelmann-Sprünge hochgehalten – und immer wieder durch Boxsequenzen. Erst schlagen wir die Kombinationen nur in der Luft, danach auch in den Boxsack. Das ist motivierend, weil es weit mehr ist als ein tumbes Dreinhauen. Um die Schläge richtig anzubringen, braucht es Koordination und Konzentration. Zudem kann man sich mit den Schlägen in einer Intensität abreagieren, die das normale Training kaum erreicht.
Bald folgt die nächste Filiale an der Bahnhofstrasse
Lucky Punch ist das Baby von Chris Velkovski. Den 30-Jährigen zu erwischen ist nicht ganz leicht: Als es klappt, meldet er sich aus Dubai, wo er soeben eine Filiale eröffnet hat. Dazu kommen Pop-ups in Berlin und Kopenhagen. «Ich sah das Potenzial im Boxen; um es zugänglicher zu machen, musste ich es aber aus der Schmuddelecke rausholen», sagt der ausgebildete Fitnesstrainer. Was Velkovski selber überrascht: 70 Prozent seiner Kundschaft ist weiblich. Auf Expansionskurs ist er dank Crowdinvestments: Bereits 1,3 Millionen Franken hat er so gesammelt, primär von überzeugten Kundinnen und Kunden.
Und der Ausbau geht weiter: Im ersten Quartal 2025 ist die nächste Eröffnung in Zürich geplant, eine deutliche grössere Filiale als an der Europaallee und an noch exklusiverer Lage: im Löwenhof an der Bahnhofstrasse.
Europaallee 5, 8004 Zürich, Lektion 38 Fr., luckypunch-boxing.com
Now Fitness: Laufen und pumpen wie in der Disco
Ausserhalb der Bürozeiten ist es sehr ruhig an der Stockerstrasse. Nur am Eckeingang von Now Fitness herrscht emsiges Treiben, wo die Sportlerinnen und Sportler knapp vor der Lektion eintrudeln. «Run & Lift – Full Body» steht auf dem Programm, damit ist alles gesagt: Laufen und Gewichte stemmen. Vor der langen Spiegelwand steht eine Reihe Laufbänder, gegenüber diesen sind Trainingsbänke positioniert, ausgerüstet mit Hanteln. Die Gruppe wird halbiert, die einen laufen, die anderen pumpen, beides unter Anleitung von Trainerin Gwen. Auf dem Laufband gibt sie Tempobereiche und Steigungen durch, der anderen Gruppe zeigt sie die Übungen vor. Über uns blinkt ein Himmel mit Tausenden roten Leuchtdioden, die in den verschiedensten Mustern über uns durchtanzen.
Wer beim Stichwort Laufen abwinkt, dem sei gesagt: Das ist kein Training nur für Läuferinnen und Läufer, im Gegenteil. Auf dem Laufband geht es primär darum, den Puls hochzutreiben, was je nach Trainingszustand auch mit schnellem Gehen klappt – jeder regelt das Tempo für sich.
Zugleich trägt einem bei Now das Gemeinschaftsgefühl: Wenn links und rechts gelaufen und gestemmt wird, motiviert das unbestritten. Am tollsten sind die auf dem Rücken ausgeführten Übungen gegen Ende der Lektion: Langsam setzt die Erschöpfung ein, derweil der Blick in den rot blinkenden Trainingshimmel geht, begleitet von Housemusik in Discolautstärke: Lucy in the Sky with Diamonds.
Mit «Run & Lift» startete Now vor zwei Jahren. Bei keiner Probelektion ist das Publikum internationaler als hier. Das bestätigt auch Mitgründer Philipp Schmid, der den Expat-Anteil auf über 75 Prozent schätzt. Er erklärt sich das gleichermassen mit dem Standort und dem Konzept. «Anders als in einem Gym kennt man sich hier, spricht miteinander. Das schätzen gerade Leute, die noch keinen Freundeskreis haben – und Singles», sagt er.
Es gibt einen weiteren Beweis für den Erfolg des Konzepts: Mit Atomix gibt es am Bleicherweg ein weiteres Boutique-Gym mit praktisch identischem Angebot.
Stockerstr. 57, 8002 Zürich, Lektion 38 Fr., onenow.fit
Higherground Studio: Meditatives Schwitzen in der Dunkelheit
Funkkopfhörer gehören beim «Integrative Workout» im Higherground Studio im Seefeld ebenfalls dazu. Dank diesen fühlt es sich an, als stünde Trainerin Dannalize neben unserer Matte und würde uns die Übungen direkt ins Ohr sprechen.
Dabei steht sie vorne im Raum, nur ganz knapp beleuchtet, ansonsten herrscht Finsternis. Dass wir nicht alleine hier sind, merken wir einzig an den roten Lichtpunkten der anderen Funkkopfhörer, die sich in der Spiegelwand im Rhythmus der Übungen bewegen: als tanzten Glühwürmchen synchron.
So schwitzen wir ganz für uns und sind trotzdem verbunden mit der Gruppe. Dazu tragen die repetitiven Bewegungsabfolgen im Stil von Pilates bis Aerobic bei, die mal mit, mal ohne Hanteln ausgeführt werden, deren Gewicht wählen wir frei. Die erste Übung erstreckt sich über acht Minuten, was zur Folge hat, dass wir durch die Repetitionen in einen fast tranceartigen, meditativen Zustand verfallen.
Dazu trägt auch die sehr bewusst kuratierte Playlist bei. «Wir schaffen eine Experience um die Musik herum», beschreibt es Dannalize Frischknecht, eine der Studio-Gründerinnen. Sie nennt diese auch «Medizin für die Seele». Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Anne-Sophie Tillier entwickelte sie das Konzept von Higherground Studios. «In Zürich geht es in den Gyms immer um Leistung. Dabei ist das Leben doch herausfordernd genug, als dass man sich auch noch im Sport schlauchen müsste», sagt Frischknecht. Entsprechend sei es bei Higherground das Ziel, Energie zu kreieren, statt dass diese den Körper verlasse.
Tatsächlich fühlen wir uns nach der intensiven Lektion erstaunlich frisch. Die beiden Frauen bieten zwei weitere Kurse an, «Restorative Flow», mit einem Fokus auf Stretching und Beweglichkeit sowie eine «Soundmeditation», welche beruhigend auf das Nervensystem wirkt. «Das hat nichts mit Spiritualität zu tun. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass diese Klänge die Hirnwellen beruhigen und glätten», sagt Tillier.
Feldeggstr. 50, 8008 Zürich, Lektion 35 Fr., highergroundstudio.ch
Keen Wellbeing: Stressabbau im Eisbad
Noch konsequenter in Richtung Beruhigung und Entspannung zielt das Angebot von Keen Wellbeing. Entwickelt wurde es von Franziska «Frankie» Gartenmann und David Wyss. Die beiden haben keinen Fitnessbackground, sondern absolvierten die HSG. Sie hat zudem eine Ausbildung als Trauma-, er als Meditationscoach. «Die mentale Gesundheit von einem Viertel der Schweizer Bevölkerung ist angeschlagen», sagt Wyss, um dagegen etwas zu tun, entwickelte das Duo Keen Wellbeing. Dieses propagiert einen ganzheitlichen Ansatz, der sich ebenso stark um die emotionale und mentale Gesundheit kümmert wie um die physische.
Unsere morgendliche «Energize»-Klasse beginnt mit Atemübungen nach Mustern, die Frankie vorgibt. Das hilft, sich zu entspannen. Auch hier fällt die präzise kuratierte elektronische Musik auf, die uns den Atemrhythmus vorgibt. Der darauf folgende Gang ins Eisbad beruhigt und aktiviert zugleich, insbesondere durch das Erlebnis als Gruppe. Danach heizen wir uns in der Sauna wieder auf – wo alle ungewohnt kommunikativ sind.
Die Kombination von Atemübungen mit Kaltwasser- und Saunagängen verfängt: Nach einem Jahr als Pop-up richtet sich Keen Wellbeing derzeit an einem festen Standort ein, Mitte Januar wird dieser im Viadukt als «Europes First Active Recovery Club» eröffnet. Bis dahin gastiert man in der Badi Utoquai.
Als Beschreibung mag sich das nach «Gspürschmi» anhören, die Erfahrung ist aber eine andere. Gegen solche Vorurteile helfe etwa, dass sie während der Sessions die wissenschaftlich erforschten Vorteile der einzelnen Übungen erklärten. «Wellness ist für uns nicht rumhängen und Gurkenscheiben auf den Augen», sagt Gartenmann. Das Geschlechterverhältnis ist denn auch erstaunlich ausgeglichen.
Eiswasser und Saunagänge zur Regeneration seien längst etabliert, die Kombination der beiden Elemente mit Atemtraining hingegen sei ziemlich einzigartig, sagen die Keen-Wellbeing-Gründer. Einzig in Kanada hätten sie ein Start-up mit ähnlichem Konzept gefunden, mit dem sie jetzt auch in engem Austausch stünden.
Anklang findet ihr Angebot vor allem bei jungen Leuten mit hochintensiven Jobs, bei sehr aktiven Sportlern, aber auch bei Personen, die unter Depressionen oder chronischem Stress leiden.
Viaduktstr. 25, 8004 Zürich, Lektion 35 Fr., keenwellbeing.com
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