Kommentar zu den Lokalwahlen in EnglandBoris Johnson triumphiert erneut im Feindesland
Labour verliert weitere Hochburgen. Dass die Metropole, die Stadt London, zur linken Opposition hält, reicht nicht als Basis. Ratlos sieht Grossbritanniens alte Arbeiterpartei dieser Entwicklung zu.
Boris Johnson feiert neue Triumphe. Mehr und mehr schwingt sich seine Konservative Partei zur dominierenden politischen Kraft in England auf. Erste Ergebnisse der «Super-Thursday»-Wahlen machten gestern deutlich, in welcher enormen Krise sich die oppositionelle Labour Party derzeit befindet. Allein schon der katastrophale Verlust ihrer nordenglischen Hochburg Hartlepool und das Ausmass der Niederlage deuten auf einen radikalen Wandel im englischen Wählerverhalten hin.
Working-Class-Zitadellen, die Labour einmal für sicher hielt, beginnen zu fallen.
Schon bei den Parlamentswahlen vom Dezember 2019 hatten Johnsons Brexiteers ja vielerorts im alten Labour-Stammland Nord- und Mittelenglands die sogenannte rote Mauer durchbrochen – und sich so eine klare Unterhaus-Mehrheit beschafft. Nun setzt sich dieser Siegeszug fort. Auch andere Working-Class-Zitadellen, die Labour einmal für sicher hielt, beginnen zu fallen. Dass die Metropole, die Stadt London, zu Labour hält, reicht nicht als Basis. Ratlos sieht Grossbritanniens alte Arbeiterpartei dieser Entwicklung zu.
Für den moderaten, aber auch recht farblosen Labour-Vorsitzenden Keir Starmer, der vor etwas über einem Jahr den Linkssozialisten Jeremy Corbyn ablöste, stellt sich damit eine Reihe unbequemer Fragen. Hatte Starmer bei Amtsantritt nicht versprochen, die «rote Mauer» zu restaurieren? War seine Strategie falsch, aus reiner Vorsicht kein Wort mehr zum Thema Brexit und seinen Folgen zu äussern? Trottete er in Sachen Covid zu bereitwillig hinter Johnson her?
Oppositionsführer Starmer weiss, dass er viel von seinem anfänglichen Kredit verspielt hat bei dieser Wahl.
Während sich linke «Corbynistas» und Rechtssozialdemokraten bei Labour jetzt in den Haaren liegen und Starmer weiss, dass er viel von seinem anfänglichen Kredit verspielt hat bei dieser Wahl, schaut freilich auch Boris Johnson mit einiger Sorge auf die «Super-Thursday»-Resultate – allerdings auf die jenseits der Grenzen Englands, droben im Norden des Königreichs.
Johnsons grösste Herausforderung ist die «Königin im Norden».
Denn niemand zweifelte je daran, dass sich Nicola Sturgeons Schottische Nationalpartei erneut als mit Abstand stärkste Kraft in «ihrem» Lande behaupten würde. Im Laufe des Samstags wird sich nun zeigen, ob sich Sturgeon auch das von ihr erhoffte Wählermandat für ein neues Unabhängigkeitsreferendum in Schottland erkämpft hat. Ist das der Fall, kommt die grösste Herausforderung für die Tories erst einmal nicht von den Oppositionsbänken in Westminster, sondern von der «Königin im Norden», aus Edinburgh.
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