Bootstaufe von AlinghiDas ist die Jacht der Superlative
6,5 Tonnen schwer, fast 23 Meter lang, gegen 100 km/h schnell und ein halbes Flugzeug: Mit diesem Boot will das Schweizer Segelteam den America’s Cup erobern.
Es ist der erste Höhepunkt im Leben eines Schiffs. Eine jahrtausendealte Tradition, schon von den Römern, Griechen und Ägyptern zelebriert: die Taufe. Zerschlagenes Glas soll dem Schiff Glück bringen – und die Meeresgötter gnädig stimmen.
Die neue Jacht des Genfer Segelteams Alinghi Red Bull Racing wurde am Dienstagnachmittag in Barcelona auf den Namen «BoatOne» getauft, die Ehre wurde Chiara Bertarelli zuteil, der Tochter von Alinghi-Besitzer und Milliardär Ernesto Bertarelli.
Das mit den Göttern war weniger die Absicht bei der Zeremonie – aber das Glück, das Wettkampfglück, das können sie bei Alinghi gut gebrauchen: Ab August will das Team zum dritten Mal nach 2003 und 2007 den America’s Cup gewinnen.
Das neue Schiff ersetzt die zu Beginn der Kampagne vom Team New Zealand gekaufte Te Aihe, die teamintern «BoatZero» genannt wurde. Mit ihr bestritt Alinghi Red Bull in den letzten zwei Jahren zahlreiche Trainingsfahrten, sie diente nun als Vorlage für das neue Schiff. In der Teamwerft in Ecublens am Genfersee wurde «BoatOne» in den letzten Monaten hergestellt.
Ungetüme der dritten Generation
Mit 75 Fuss (22,9 Meter) ist die aktuelle Bootsklasse die grösste in der jüngeren Vergangenheit des America’s Cup. Der Mast ragt 26,5 Meter in die Höhe. Schon 2021 kamen AC75 zum Einsatz, doch in diesem Jahr sind es Boote der dritten Generation. Die Foils sind grösser, der Rumpf ist leichter und die Elektronik effizienter.
Die Ungetüme wiegen 6,5 Tonnen und wirken trotzdem schwerelos. Das liegt an der Foil-Technik, dank des Auftriebs werden die Boote aus dem Wasser gehoben. Geschwindigkeiten von über 50 Knoten werden dadurch erwartet, das entspricht fast 100 km/h. Die Kunst beim Bootsdesign war, das zum Foilen benötigte Mindesttempo so weit wie möglich zu reduzieren. Dieser Wert ist laut der Teamsprecherin geheim. Durch grössere Foils werden die Boote noch schneller.
Begünstigt werden die Tempi durch die Windbedingungen, im Spätsommer bläst dieser vor Barcelona mit durchschnittlich 12 Knoten. Was aber ebenfalls eine Herausforderung ist: Bei zu starkem Wellengang besteht für die Boote die Gefahr, mit dem Bug einzustecken. Auch bei Alinghi Red Bull kam es so schon zu Verletzungen. Um die Unfallgefahr zu reduzieren, sind die Segler im Gegensatz zu anderen Bootsklassen auf der AC75 nicht mobil, sondern haben feste Positionen.
Acht Segler an Bord, und es müssen Schweizer sein
Die Crew während eines Rennens besteht aus acht Seglern. Vier gehören der Driving Group an mit dem Steuermann an der Spitze – und vier der Power Group. Letztere versorgt das Boot mit ihrer Muskelkraft mit Energie und kurbelt auf fest installierten Velos die Hydraulik an. Den Teams stand es frei, Arm- oder Beintrimmer in die Boote zu verbauen. Alle entschieden sich für die Heimtrainer.
Das Team Alinghi Red Bull Racing mag aus 120 Mitarbeitenden aus über zwanzig Ländern bestehen, auf dem Boot selbst sind während einer Regatta nur Schweizer erlaubt. Dieser Passus im Reglement ist neu im Vergleich zu den beiden Siegen des Schweizer Syndikats zu Beginn des Jahrtausends. Damals setzte Alinghi stark auf neuseeländisches Know-how.
Die Suche nach tauglichem Personal ist in der Schweiz schwieriger als in Segelnationen wie eben Neuseeland oder auch den USA. Alinghi-Cheftrainer Nils Frei sagt allerdings: «Durch die Siege von damals ist extrem viel gegangen im Schweizer Segelsport. Viele Kinder begannen damals mit dem Segeln, davon profitieren wir heute. Die Olympiaathleten sind besser geworden, und es ist einfacher, Sponsoren zu finden.»
27 Segel zur Verfügung – für den gesamten Cup
«Je schneller du segelst, desto weniger brauchst du das Segel.» So erklärt Nathan Quirk, der Sail Loft Manager, der zum vierten Mal am America’s Cup dabei ist. Früher seien sie viel wichtiger gewesen. Noch 2007 segelte Alinghi mit einem Spinnaker zum zweiten Sieg, heute braucht es diese gigantischen Vorsegel nicht mehr. Zu verdanken ist das der Foil-Technik.
27 Segel stehen nun jedem Team zur Verfügung, sechs doppelseitige Grosssegel und fünfzehn Focken. Das muss für den gesamten America’s Cup reichen und stellt die Crew vor die taktische Frage, zu welchem Zeitpunkt die Segel gewechselt werden sollen.
Auch wenn die Gesamtzahl der Segel festgelegt ist: Nicht reglementiert sind die Kosten der einzelnen. Im Falle von Alinghi werden sie in den USA produziert und in der Sail Loft in Barcelona zusammengenäht und fertiggestellt. Rund 40 Mitarbeitende beschäftigten sich mit den Segeln.
Das Team in der Sail Loft erlitt kürzlich mit dem plötzlichen Tod von Chefdesigner Gautier Sergent einen Schicksalsschlag.
Die schönste Basis – und autonom betrieben
Der America’s Cup ist eine Materialschlacht mit immensen, aber kaum bekannten Budgetzahlen. Bei Alinghi Red Bull wird seit Jahren die Marke von 100 Millionen Franken herumgereicht, doch darauf angesprochen, sagen selbst prominente Teammitglieder, man «höre das so».
Was dagegen offensichtlich ist: Alinghi Red Bull Racing leistet sich im Hafen von Barcelona die schönste Basis von allen sechs Teams am diesjährigen America’s Cup. Gelegen ist sie zwischen dem Aquarium und dem Einkaufszentrum Maremagnum, unweit von der Einfahrt ins Strandquartier La Barceloneta. Während des America’s Cup werden die Sender der SRG auf der Terrasse der viergeschossigen Werft ihre Studios aufbauen.
Die Werft wird autonom betrieben mit Solarpanels auf dem Dach und einer Wasseraufbereitungsanlage. Rund 5000 Liter Wasser sind jedes Mal nötig, um das Schiff nach einer Trainingsfahrt zu reinigen. Damit dazu nicht Frischwasser verwendet werden muss in einer zunehmend austrocknenden Gegend wie Katalonien, hat Alinghi eine Anlage entwickelt, um Meerwasser zu entsalzen.
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