AboChristina Ragettli allein auf der Via Alpina«Blonde Zöpfe, lackierte Nägel – man traute es mir nicht zu»
Die Bündnerin Christina Ragettli (29) wanderte in vier Monaten auf der Via Alpina quer durch Europa. Sie sagt, womit sie am meisten kämpfte und wie das Abenteuer sie geprägt hat.

Wie kamen Sie auf die verrückte Idee, über 2300 Kilometer allein quer durch Europa zu wandern?
Ich wanderte schon länger, machte mal diese Bergtour, dann die nächste, immer ein bisschen länger. Irgendwann dachte ich: Okay, ich habe Lust, herauszufinden, wie es wäre, länger unterwegs zu sein. Zumal ich Bücher von verschiedenen Wanderabenteuern las. Nur schon zwei Wochen am Stück zu wandern, ist eine rechte Herausforderung. Aber 15, 16 Wochen? Ich wollte probieren, ob ich das kann. Dazu der Gedanke, einmal weg zu sein von allem, zu entschleunigen, in der Natur zu sein und nicht die ganze Zeit am Handy oder am Bildschirm zu kleben. Ein Detox von allem, von den Menschen, den Städten, der digitalen Welt. Ich hatte mit 15 die Lehre begonnen und bis 27 gearbeitet, wollte auch einmal den Kopf lüften.
Wie kamen Sie auf die Via Alpina?
Als Erstes begann ich, mich über den PCT (Pacific Crest Trail) an der Pazifikküste Amerikas zu informieren. Das ist der wohl bekannteste Weitwanderweg. Aber ich bin kein so grosser Amerika-Fan. Ich machte mit 18 drei Monate einen Sprachaufenthalt in Los Angeles, und es gefiel mir nicht so. Deshalb dachte ich: eine grosse Wanderung ja, aber nicht unbedingt in Amerika. Als ich dann auf die Via Alpina stiess, war für mich der Fall klar. Zumal: Wieso ins Flugzeug steigen, wenn ich auch bei uns in den Alpen wandern kann? Ich hatte nur ein bisschen Angst, dass die Via Alpina wegen der vielen Höhenmeter zu streng sein könnte für mich.
Wie bereiteten Sie sich darauf vor?
Die beste Vorbereitung ist, vorher schon ausgiebig zu wandern. Ich war eine Woche auf dem Jura-Höhenweg, und es regnete die ganze Zeit. Ich bin froh, dass ich es trotzdem durchzog. Wenn du 2000 Kilometer läufst, kannst du sicher sein, dass es hin und wieder eine Woche durchregnet. Ich absolvierte auch den Bernina-Trek im Engadin allein. Solche Erfahrungen sind das Wichtigste, was du mitbringen solltest. Zudem hatte ich als Skilehrerin nach jenem Winter eine gute Grundfitness.
Einfach loszulaufen, ohne vorher eine längere Wanderung gemacht zu haben, würden Sie also nicht empfehlen?
Nein. Das würde ich gar nicht empfehlen. Sicher nicht für die Via Alpina. Das ist schon eine anspruchsvolle Wanderung und sehr alpin, mit steilen Auf- und Abstiegen. Auf dem PCT starten recht viele Anfänger. Vielleicht hast du da einen einfacheren Einstieg in der Wüste Südkaliforniens. Ich weiss es nicht. Aber für die Via Alpina ist Bergerfahrung eine Voraussetzung.
Im Hollywoodfilm «Wild – Der grosse Trip», in dem sich eine Frau allein auf den PCT macht, gibt es die Szene, in der Reese Witherspoon den schweren Rucksack nicht hochheben kann, mit dem sie loslaufen möchte. Wie war das bei Ihnen?
Diesen Fehler machte ich einmal, 2017 auf dem Bernina-Trek. Ich hatte auch ganz viele Dinge eingepackt, die ich nicht brauchte. Ich hatte eine Tasse am Rucksack befestigt mit einem Bergspruch, den ich megacool fand. Ich stellte mir vor, wie ich am Abend daraus meinen Tee trinken würde. Ich brauchte die Tasse nicht einmal. (lacht) Natürlich hatte ich auch zu viele Kleider dabei. Meine Mutter lud mich damals in Madulain ab, ich nahm den Rucksack aus dem Kofferraum und konnte ihn kaum hochheben. Sie schaute mich sehr skeptisch an, ich sah die Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Ich zog die Wanderung durch. Aber es war eine rechte Qual. Ich bekam Rückenweh und Blasen an den Füssen, weil der Rucksack so schwer war.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Wie schwer?
20 Kilo. Auf der Via Alpina war mein Rucksack noch 13 Kilo schwer. Wenn er voll gefüllt war mit Essen für eine Woche und Wasser. Oft war er zwischen 10 und 11 Kilo. Das war perfekt. Ich recherchierte viel und schrieb dann eine Liste, was ich alles mitnehmen möchte. Ich wog auch alles auf der Waage. Das tun alle. Ich dachte zuerst, die übertreiben masslos. Aber ich tat es dann auch. Ich nahm nur mit, was unbedingt nötig war. Schlafsack, Zelt, Gaskocher. Dann hatte ich noch die Kategorie Luxusartikel. Da war etwa mein E-Book-Reader drin, um zu lesen. Mit der Zeit stockte ich noch etwas auf, gönnte mir ein zusätzliches T-Shirt. Aber es gab auch Dinge, die ich nach Hause schickte. Den Wasserfilter brauchte ich in den Alpen nie.
Im Frühjahr 2020 wollten Sie loswandern, dann kam Corona. Wie beeinflusste das Ihre Pläne?
Megablöd war, dass ich für diese Wanderung extra meinen Job bei Laax Tourismus gekündigt hatte. Im Winter gab ich Skischule, damit ich am Abend planen konnte. Ich steigerte mich da ziemlich hinein. Die Route ist ja vorgegeben, von Monaco nach Triest oder umgekehrt, aber ich habe in einer Excel-Liste alles herausgeschrieben von den 160 Etappen. Wie viele Kilometer und Höhenmeter pro Etappe? Wie viele Auf- und Abstiege? Wo könnte noch Schnee liegen? Als Corona kam und alles ungewiss war, hörte ich eine Zeit lang auf zu planen. Irgendwann begann ich, mir wieder einen Job zu suchen. Ich fand gleich einen und freute mich. Doch dann zeichnete sich die Öffnung der Grenzen ab, und ich dachte: Jetzt möchte ich es trotzdem probieren. Zum Glück konnte ich mich mit meinem neuen Arbeitgeber darauf einigen, dass ich zuerst die Wanderung machen kann und erst danach beginne. Das war der Jackpot, weil es mir eine Sicherheit gab für meine Rückkehr.
Ihre Route mussten Sie wegen Corona aber anpassen.
Genau. Mein Plan war, in Monaco zu starten. Aber weil die Grenzen wegen Corona noch geschlossen waren, wanderte ich zuerst in der Schweiz, was etwa fünf Wochen dauerte. Dann waren die Grenzen wieder offen. Aber das Problem war: Es war Anfang Juni, und in der Schweiz lag noch viel Schnee. Ich stieg bis auf 2600 Meter hoch. Das war schon eine rechte Herausforderung. Im Tessin rutschte ich einmal auf einem Schneefeld aus, schlitterte nach unten und tat mir weh. Danach begann ich umzuplanen. Wenn ich befürchtete, dass es heikel werden könnte, lief ich rundherum und sammelte etwas mehr Kilometer als ursprünglich geplant.
In der Schweiz wurden Sie immer wieder begleitet: von Ihrem Freund, Freundinnen, Ihrer Mutter. Danach wanderten Sie plötzlich allein. Wie gingen Sie damit um?
Ich kann sehr gut allein sein. Das wusste ich schon vorher. Sonst hätte ich nicht in meinen Ferien einwöchige Wanderungen allein gemacht. Ich hatte mega Freude, dass ich anfangs Begleitung hatte. Aber ab und zu wurde es fast ein bisschen streng. Du musst dich immer an jemand anderen anpassen. Neues Wandertempo, neue Gesprächsthemen.
Bis zu zehn Stunden am Tag zu wandern, oft allein: Ist das nicht eintönig?
Es passiert so viel unterwegs. Meine Brüder finden Wandern recht langweilig. Sie verstanden nicht, dass ich das machen wollte. Aber ich erlebte so viele verschiedene Dinge. Mindestens jede Woche kam eine neue Region, sechs verschiedene Länder, immer wieder andere Sprachen, andere Kulturen, neue Begegnungen. Die Landschaften wechseln, die Menschen, das Wetter. Manchmal ist es wunderschön, und du kannst in den Bergseen baden. Dann regnet es, schneit es, hagelt es. Du hast immer Abwechslung. Langweilig wurde mir nie.
So lange allein unterwegs ist man sehr stark mit sich selber konfrontiert. Wie gingen Sie damit um?
Du musst dir eine gute Freundin sein, zu dir schauen. Am Anfang lief ich recht schnell, im Schnitt 25 Kilometer pro Tag, inklusive mindestens 1500 Höhenmeter. Irgendwann merkte ich: Das ist streng für meinen Körper. Trotzdem hatte ich Mühe, mir Pausen zu gönnen. Mit der Zeit ging es besser. Als ich den ersten Teil absolviert hatte, in Triest angekommen war, hatte ich schon 1600 Kilometer hinter mich gebracht. Dann fiel viel Druck von mir ab. Ich merkte: Das ist doch schon super. Im zweiten Teil von der Schweiz nach Monaco lief ich weniger Kilometer am Tag.
Welche Gedanken gingen Ihnen während des Wanderns durch den Kopf?
Klar spielt man in vier Monaten Wandern jedes mögliche Thema im Kopf zwei-, dreimal durch. Aber das war auch mein Wunsch gewesen. Als ich so im Arbeitsstrudel war, kam ich gar nicht dazu, mir Gedanken zu machen, wie ich zu gewissen Themen stehe. Ich habe das Gefühl, das Leben beschleunige sich von Jahr zu Jahr. Als rase es nur so an mir vorbei. Das möchte ich eigentlich nicht. Es war megacool, dass ich ausführlich Zeit hatte, mir grundsätzliche Gedanken zu machen.

Kamen Sie während des Wanderns in einen meditativen Zustand?
Ja, durchaus. Ich kann nichts mit Yoga anfangen, aber für mich ist Wandern das, was anderen Yoga gibt. Es erdet mich. Ich fahre herunter, entschleunige. Ich schaue in die Natur, was sich da alles tut. Du bist beim Wandern sehr stark im Jetzt. Davon reden ja so viele. Das tut sicher allen gut.
Hörten Sie auch Musik oder Hörbücher?
Während des Wanderns hörte ich nur selten Musik. Und wenn, dann nur Gute-Laune-Musik. Wenn ich es brauchte, es regnete, kalt war. Hörbücher hörte ich zum Einschlafen im Zelt. Ich hörte immer auf mit Wandern, bevor es dunkel wurde, damit ich noch einen geeigneten Platz fürs Zelt finden und dieses aufbauen konnte. Dann war es aber erst 18 Uhr. Ich kochte und ass, dann war es 19 Uhr. Da kannst du noch nicht schlafen. Was willst du noch tun? Hörbuch hören.
«Bei schlechtem Wetter verschwand ich gern zwei, drei Stunden in einer Berghütte und bestellte alles, worauf ich Lust hatte.»
Was taten Sie, wenn Sie eine Motivationskrise hatten?
Je nach Situation, was möglich war. Meine Motivation litt eigentlich nur unter dem Wetter. Hier im normalen Leben merke ich gar nicht, ob es regnet oder nicht. Aber wenn du den ganzen Tag wanderst, bekommst du alles mit. Und deine Laune hängt fast nur davon ab. Wenn das Wetter richtig schlecht war, überlegte ich mir, wo ich einen Pausentag einlegen könnte. Oft belohnte ich mich mit Essen. Bei schlechtem Wetter verschwand ich gern zwei, drei Stunden in einer Berghütte und bestellte alles, worauf ich Lust hatte.
Pizzoccheri?
Genau. In Italien ass ich fast jeden Tag Pizzoccheri. (lacht)
Sie schrieben einen Blog über Ihre Wanderung, den Sie laufend aktualisierten. Spürten Sie dadurch nicht einen gewissen Druck, nicht scheitern zu dürfen?
Es ist keine Schande zu scheitern. Aber als ich meinen Blog ankündigte, hatte ich schon ein komisches Gefühl. Als würde ich das jetzt herausposaunen. Ich fragte mich, ob die Leute nicht denken würden: So, so, jetzt schreibt sie noch einen Blog. Was denkt sie eigentlich, wer sie ist? Aber ich schrieb den Blog, um meine Infos zu teilen. Bei meiner Recherche vor dem Trip hatte ich vieles nicht herausgefunden. Und das Coole war: Schon als ich mein Projekt ankündigte, bekam ich ganz viele Nachrichten. Viele wünschten mir Glück. Und es gab auch solche, die mitfieberten während der Wanderung. Dieser Support war megacool, sehr viele Frauen. Es wurde wie eine Community. Viele fragten mich aus. Sie schrieben: Ich will das auch machen, habe jetzt ein Zelt gekauft. Welche Tipps würdest du mir noch geben für drei Tage?

Wussten Sie von Anfang an, dass Sie ein Buch über Ihre Wanderung schreiben würden?
Ich war mir nicht sicher, als ich losging. Aber es gibt ja das berühmte Buch von Cheryl Strayed («Wild», die Red.), das verfilmt wurde. Ich dachte mir: Wenn es schon ein Buch einer Frau über den PCT gibt, wieso nicht auch eines über die Via Alpina? Ich entschied mich dann aber erst, als ich sah, wie viele Leute meinen Blog lasen. Ich hatte 150’000 Aufrufe. Und als ich zurück in der Schweiz war, wurde ich immer wieder von Fremden angesprochen. Im Snowboardshop, im Sandwichladen. Anscheinend fühlten sich viele inspiriert. Das möchte ich jetzt auch mit dem Buch erreichen. Dass die Leute denken: Wenn ich es richtig angehe, kann ich es auch tun! Es muss ja keine Weitwanderung sein. Jeder hat ja einen Traum, den er jetzt gerade nicht realisieren kann, weil er denkt, er habe keine Zeit. Ich möchte, dass sich die Leute inspiriert fühlen und denken: Cool, die hat es getan, das kann ich auch! Denn ich bin ja eine ganz normale Frau.
Sie schreiben auch darüber, wie Sie als Frau immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen hatten. Wie äusserte sich das?
Mir wurde immer wieder gesagt, diese oder jene Route würde man mir nicht empfehlen. Aber ohne es zu begründen. Ich fragte: Wieso kann ich dort nicht durch? Wegen des Steinschlags? Hat eine Lawine den Weg zerstört? Hat es noch Schnee? Sagt es mir! Dann hiess es: Es geht einfach nicht. Irgendwann dachte ich: Vielleicht hätten sie das einem Mann nicht gesagt. Ich bin 1,62 Meter gross, trug lange blonde Zöpfe, meine Nägel waren lackiert. Man traute es mir nicht zu. Ich probierte diese Routen dann doch, und es ging gut. Ich hätte mir gewünscht, dass mich die Leute gefragt hätten: Was für eine Erfahrung hast du? Was hast du schon gemacht? Und dann erst entschieden hätten, ob sie es mir zutrauen oder nicht. Sie wussten nicht, dass ich schon 800 Kilometer durch die Alpen gelaufen war. Wenn ich das manchmal erwähnte, was ich nicht so gern tat, weil es megabluffig klingt, waren sie sofort ruhig. (lacht)
«Mit jedem Kilometer und jedem Hindernis, das ich bewältigte, fühlte ich mich besser. Ich war stolz auf meinen Körper.»
Wie steckten Sie es körperlich weg, täglich bis zu zehn Stunden zu wandern?
Ich dachte vorher, wenn ich abbrechen müsste, dann aus körperlichen Gründen. Aber das ging megagut. Mit jedem Kilometer und jedem Hindernis, das ich bewältigte, fühlte ich mich besser. Mein Selbstbewusstsein stieg, ich begann, mich stark zu fühlen, und war stolz auf meinen Körper, was der alles leistet. Am Abend gehst du todmüde ins Zelt und denkst: Morgen kann ich nicht mehr weiterlaufen. Unmöglich! Am nächsten Morgen läufst du weiter, 30 Kilometer, und es geht supergut. Das ist schon ein gutes Gefühl. Irgendwann gewöhnt sich der Körper daran. Ich glaube, unsere Körper ertragen viel mehr, als wir uns bewusst sind. Klar: Manchmal musste ich mich auch quälen. Aber das gehört dazu. Wenn du so lange durch die Alpen läufst, ist es nicht immer easy.
Ab und zu gönnten Sie sich auch eine gemütliche Nacht in einer Hütte oder einem Hotel. Wie wichtig war das?
Ich genoss es immer total. Unterwegs auf der Wanderung ass ich jeweils wenig. Ich trug nicht so viel Essen mit. Wenn ich in einer Berghütte, einem Hotel oder einem Hostel schlief, schlug ich voll zu. Und mal wieder Wi-Fi zu haben, tat auch gut. Dann telefonierte ich mal wieder mit daheim. Es dauerte immer recht lange, bis ich meine Blogposts hochgeladen hatte. Wenn ich einen Pausentag hatte, investierte ich einen halben Tag dafür. Schreiben, Fotos hochladen, dann ist das Netz schlecht und du musst warten. Es war sehr aufwendig.
Hatten Sie unterwegs viele Begegnungen? Und worüber spricht man da?
Flüchtige Begegnungen gibt es ständig. Viele fragten: Du hast einen grossen Rucksack, was machst du? Eine Frau, die allein unterwegs ist, spricht man auch eher mal an. Am Anfang sagte ich noch nicht, ich würde ans Meer laufen. Später dann schon. Als ich schon so viele Kilometer gemacht hatte, war es mir nicht mehr peinlich. Wenn ich Tageswanderer traf, stellten sie mir so viele Fragen zu meinem Projekt. Dann war meistens ich die, die am Reden war. Die erste Frage war: Wieso allein? Dann, wie ich schlafen und essen würde.
Gab es auch beklemmende Momente für Sie, allein als Frau unterwegs?
Die gab es auch. Immer in der Nähe der Zivilisation. In Slowenien fühlte ich mich einmal nicht so wohl. Das geht so schnell. Dich muss nur jemand komisch anschauen, und schon fühlst du dich unwohl. Oder jemand kommt mir sehr nahe. Dann suchte ich sofort das Weite. Aber im Grossen und Ganzen ging alles gut. Und ich campierte nie in der Nähe einer Stadt, sondern am liebsten verborgen in der Natur. Wenn möglich hoch oben in den Bergen.
«In der Schweiz sind die Wanderwege klar am besten angeschrieben. Alles perfekt hier, so richtig streberhaft.»
Sie wanderten durch sechs verschiedene Länder. Wie gross waren die Unterschiede?
In der Schweiz sind die Wanderwege klar am besten angeschrieben. Alles perfekt hier, so richtig streberhaft. (lacht) Jeder Wanderweg ist super im Schuss, ein Traum. Das kann aber auch langweilig werden. In Italien steht etwas auf einem Schild, aber dann verliert sich der Weg irgendwo. Ich traute der Sache schon bald nicht mehr. In Slowenien merkte ich die Sprachbarriere. Mit Englisch kam ich da nicht immer durch. So wurde es etwas einsamer. Die Italiener waren meine Lieblinge. Sie hatten immer so Freude, fragten mich aus. Ein Riesenfest. Die Franzosen waren reservierter.
Ihr jüngerer Bruder Andri ist Freeskier und dreht verrückte Videos, der ältere, Gian, war zwei Monate in einem Shaolin-Kloster. Liegen solch verrückte Projekte in der Familie?
Und meine Mutter geht nun dreieinhalb Monate in einen Sprachaufenthalt nach Vancouver. Ich finde es megacool, dass wir so leben. Andri verwirklichte seinen Traum vom Spitzensportler. Ich hatte meinen Traum von dieser Wanderung und habe noch andere. Gian gab auch im Sport Vollgas, war Freeride-Juniorenweltmeister. Unser Vater starb ja früh, so wurden wir alle wachgerüttelt. Er kam mit 35 bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Kurz vor meinem siebten Geburtstag. Wir realisierten dadurch: Es kann schnell vorbei sein. In sechs Jahren bin ich auch 35. Ich möchte nicht warten mit den coolen Sachen, bis es zu spät ist. Wenn du etwas tun willst, tu es jetzt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.