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Spekulationen in Italien
Bleibt Draghi noch eine Weile Premier – oder wird er für sieben Jahre Präsident?

Hält sich seine Optionen offen: Mario Draghi, italienischer Premier.
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Der Elefant im Raum war so gross, dass er auch gleich angesprochen wurde. Bei seiner Pressekonferenz zum Jahresende ist Italiens Premier Mario Draghi gleich zu Beginn gefragt worden, ob er denn gedenke, bis Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2023 zu regieren, oder ob er sich eher in ein paar Wochen als künftiger Staatspräsident des Landes sehe. Die Journalistin drückte sich zwar etwas gewundener und verklausulierter aus, doch das wäre gar nicht nötig gewesen.

Draghi lachte, er klatschte sogar und sagte dann: «Sie haben es geschafft, die Gedanken der meisten Kollegen zu deuten, die heute in diesem Raum sind.» Er werde jetzt antworten, dann sei das Thema vom Tisch. Das war es zwar dann nicht, aber die Frage aller Fragen war gestellt, so etwas wie die Kardinalfrage für die Zukunft Italiens. Das siebenjährige Mandat des hoch beliebten Amtsinhabers Sergio Mattarella läuft im Februar ab, ein zweites schloss er aus. Die Wahl beider Kammern findet wohl Mitte oder Ende Januar statt. Und Draghi gilt als Favorit. Aber will er auch?

Draghi sagte, seine Regierung habe in den vergangenen zehn Monaten mehr geleistet, als von ihr erwartet worden sei – in drei Punkten vor allem. «Italien gehört zu den Ländern mit der höchsten Impfrate weltweit, wir haben unseren Wiederaufbauplan rechtzeitig eingereicht, und wir haben alle festgelegten 51 Ziele erreicht.» Es sei also alles gut vorbereitet. «Die Regierung hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Pläne weitergeführt werden können – unabhängig davon, wer sie leitet.»

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Natürlich seien Personen immer wichtig, sagte Draghi. Noch wichtiger aber sei es, dass die Regierung auch in Zukunft mit einer so breiten Parlamentsmehrheit rechnen könne wie seit vergangenem Februar. Dann kam die zentrale Passage seiner Antwort: «Ich habe keine spezifischen Aspirationen, weder von der einen noch von der anderen Sorte. Ich bin ein Mann, wenn ihr wollt: ein Grossvater, der im Dienst der Institutionen steht.»

Dass sich der 74-jährige Römer nach einer illustren Karriere als nationaler und europäischer Zentralbanker selbst als Nonno beschreibt, ist wohl nur vermeintlich ein hingeworfener Scherz. Die besten, populärsten und moralisch festesten Staatspräsidenten in der Geschichte Italiens hatten den Gestus liebender, unparteiischer und über allem schwebender Grossväter, nicht nur altersmässig. Grossmütter in der Rolle gab es noch keine, weil nun mal noch nie eine Frau in den Quirinalspalast gewählt wurde.

Diese historische Lücke wird auch diesmal wieder ein bisschen diskutiert, doch am Ende fragen sich alle nur: Bleibt Draghi noch eine Weile Premier – oder wird er für sieben Jahre Präsident? Für beide Varianten gibt es unter den 1008 Grossen Wählern im Parlament – Senatoren, Abgeordnete und regionale Vertreter – Anhängerschaften, und nicht immer orientieren sich deren Vorzüge allein am höheren Wohl des Landes.

Nichts ist sicher, selbst für Draghi nicht

Draghi, so macht es also den Anschein, wäre nicht abgeneigt, seinen Dienst am Land noch etliche Jahre fortzusetzen. Doch was passiert dann mit der Regierung? Wer garantiert für die Reformen und die Versprechen an Brüssel? Hält das Kabinett mit den vielen, eigentlich kaum verträglichen Seelen auch ohne Draghi zusammen? Oder wäre die Legislaturperiode nicht sehr schnell vorüber, geopfert für vorgezogene Neuwahlen und kleine Parteikalküle?

Während der zweistündigen Pressekonferenz gab es dann noch einmal ein Dutzend Fragen, die Draghi dazu hätten drängen sollen, seine Vorliebe ganz deutlich zu machen, und er lächelte immer. «Mein persönliches Schicksal zählt nicht. Die Fragen nach meiner Zukunft missfallen mir auch nicht», sagte er einmal. «Aber ich habe nun mal keine Antwort darauf.» Das ist keine Koketterie. Tatsächlich kann in Italien bei der Präsidentenwahl immer alles passieren, bis kurz vor der geheimen Stimmabgabe – selbst dass einer mit dem Zeug zum Grossvater der Republik im undurchsichtigen Spiel von Strippenziehern und sogenannten Heckenschützen zerrieben wird.