Wegen Corona-Variante OmikronBiontech-Chef empfiehlt nun Booster schon nach drei Monaten
Bei der Omikron-Variante des Coronavirus genügen zwei Dosen nicht mehr, sagt Biontech-Mitgründer Uğur Şahin. Die Stimmen für eine kürzere Frist für den Booster mehren sich.
Biontech-Mitgründer Uğur Şahin hat sich für eine Auffrischung bereits ab drei Monaten nach der Zweitimpfung ausgesprochen. Mit Blick auf die neue Omikron-Variante des Coronavirus «sind zwei Dosen noch keine abgeschlossene Impfung mit ausreichendem Schutz», sagt Şahin.
«Wenn sich Omikron, wie es aussieht, weiter ausbreitet, wäre es wissenschaftlich sinnvoll, bereits nach drei Monaten einen Booster anzubieten», sagt der Manager in einem Interview mit dem «Spiegel».
«Wir bereiten uns schon seit Frühling auf neue Varianten vor»
Omikron hat Şahin zufolge also Auswirkungen auf die Zeitspanne zwischen der zweiten und der dritten verabreichten Impfdosis.
Als er zum ersten Mal die Daten zur Omikron-Variante sah, sei er besorgt gewesen, sagt Şahin. «Für einige Tage war nicht klar, womit wir es überhaupt zu tun haben. Zum Glück hat sich herausgestellt, dass es nur eine partielle Escape-Variante ist, die prinzipiell mit Impfungen in den Griff zu kriegen ist.»
Es gebe zwar noch viele Unbekannte, sagt Şahin weiter. «Aber wir haben einen Plan, wie wir die Antworten dazu finden und dann weitermachen.» So sei er auch im Hinblick auf Omikron zuversichtlich. «Wir bereiten uns ja schon seit diesem Frühjahr auf neue Varianten vor.» Am Mittwoch hat Biontech die Ergebnisse einer ersten vorläufigen Studie veröffentlicht, die untersuchte, wie gut der Impfstoff des deutschen Biotech-Unternehmens gegen Omikron wirkt.
Boostern noch vor Weihnachten?
Şahin ist nicht der Einzige, der sich für eine kürzere Frist für den Booster ausspricht. «Wenn wir früher mit der Verabreichung der dritten Impfdosis begonnen hätten, wären die Fallzahlen jetzt deutlich weniger hoch», sagte Virenforscher und Taskforce-Mitglied Richard Neher im Interview mit der SonntagsZeitung vor knapp zwei Wochen. Dies, weil der Schutz vor milden Verläufen nach vier bis sechs Monaten stark abnehme.
Auffrischimpfungen würden den Schutz innerhalb weniger Tage erhöhen, sagte Neher. Und weil sie schnell eine sichtbare Wirkung auf das Pandemiegeschehen zeigten, liessen sich damit sogar «Weihnachten und Neujahr retten».
Allerdings können sich viele in der Schweiz gar nicht vor Weihnachten zum dritten Mal impfen lassen, weil die zweite Dosis noch nicht sechs Monate zurückliegt. Deshalb hält es Neher für sinnvoll, die Frist zwischen der zweiten und der dritten Impfung auf vier bis fünf Monate zu verkürzen. Bislang beträgt die Frist in der Schweiz sechs Monate.
Ende November sprach die Impfkommission eine Empfehlung für die dritte Impfdosis auch für unter 65-Jährige aus, und Bundespräsident Guy Parmelin rief in einem Interview zum Impfen und Boostern auf. Doch gerade in kleineren Kantonen sind die Personalkapazitäten beschränkt. Mehrere Westschweizer Kantone haben deshalb den Bund um Unterstützung durch die Armee gebeten. Aber auch in grösseren Kantonen sind Vorwürfe laut geworden, wonach die Kapazitäten für die Drittimpfung zu wenig rasch ausgebaut würden.
Bern etwa kann wöchentlich 50’000 Personen impfen – damit könnten bis Mitte Februar 300’000 bis 400’000 Personen die Drittimpfung bekommen haben. Dem Gesundheitsdepartement zufolge könnten die Kapazitäten aufgestockt werden. Allerdings gebe es derzeit haufenweise freie Impftermine und die Nachfrage sei nicht sehr hoch, hiess es vor wenigen Tagen.
Im Kanton Zürich war es für kurze Zeit möglich, eine dritte Impfdosis zu bekommen, auch wenn die zweite noch nicht sechs Monate zurücklag. Die Nachfrage nach dem frühzeitigen Booster im Impftram, das an verschiedenen Orten in der Stadt haltmachte, war gross. Die Gesundheitsdirektion hat dieses Vorgehen mit Verweis auf die sechsmonatige Empfehlung der Impfkommission nun aber untersagt.
Setzt sich Omikron durch, wird die vierte Impfung zum Booster
Ist die Impfung im Hinblick auf Omikron erst mit der dritten Dosis abgeschlossen, so wie es Biontech-Chef Şahin sagt, bedeutete dies, dass erst eine vierte Dosis eine Verstärkung darstellen würde – also ein Booster. In der Tat sieht es der Manager so: «Ja, das ist richtig», sagt er im Interview – «falls sich Omikron durchsetzt.» Bei der vierten Dosis könnte es sich Şahin zufolge dereinst um einen speziell an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff handeln.
Ob Biontech einen solchen Impfstoff produzieren werde, sei aber noch nicht entschieden. Auch der Booster mit dem ursprünglichen Vakzin könnte reichen: «Nach den vorläufigen Daten neutralisieren drei Dosen das Virus deutlich und sollten die Geimpften schützen.»
Jedenfalls will Şahin auf das Szenario mit der vierten Dosis vorbereitet sein. Er rechnet damit, dass dabei der Booster in relativ kurzem Abstand nach der dritten Dosis folgen muss. Deswegen sei Biontech bereits dabei, seine Produktionskapazität auf rund vier Milliarden Dosen für nächstes Jahr aufzustocken.
Eine weitere Frage, die sich bei einer kürzeren Abfolge stellt, ist, ob dazu genügend Impfstoff vorhanden ist. Ende November sagte Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Impfkommission dazu, die Impfstoffe seien «vorhanden». Und BAG-Sprecherin Nani Moras ergänzte, die Impfstofflieferungen würden so geplant, dass immer mindestens so viel Impfstoff zur Verfügung stehe, dass die Impfempfehlungen umgesetzt werden könnten.
EMA: Booster nach drei Monaten «sicher und wirksam»
Die Booster-Impfung bereits nach drei Monaten zu verabreichen, ist unterdessen auch für die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) eine Option. «Die derzeit verfügbaren Daten unterstützen die sichere und wirksame Verabreichung einer Auffrischungsimpfung bereits drei Monate nach Abschluss der Erstimmunisierung», sagte Marco Cavaleri, Chef der EMA-Impfstoffstrategie. Die bisherige Empfehlung der EMA lag bei sechs Monaten.
Mehrere Länder wollen mit schnelleren Auffrischimpfungen auf die stark zunehmenden Corona-Ansteckungen reagieren. Den Booster nach drei Monaten gibt es teilweise in Grossbritannien. In Israel zeigte sich, dass sich mit einer entschlossenen Drittimpfung die Ansteckungswelle brechen lässt. Und auch in Deutschland wollen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts die derzeitige Corona-Welle durch schnelle Auffrischungsimpfungen stoppen.
Angesichts der sich ausbreitenden Omikron-Variante betonte Cavaleri auch, dass es «zu früh ist, um zu sagen, ob die Zusammensetzung der Impfstoffe geändert werden muss». Die EU-Regulierungsbehörde hatte kürzlich angedeutet, dass sie in drei bis vier Monaten angepasste Impfstoffe gegen die neue Variante zulassen könnte, falls dies erforderlich sein sollte. Bisherige Ergebnisse deuteten jedoch auf einen grösstenteils «leichten» Krankheitsverlauf bei Infektionen mit der Omikron-Variante hin.
Laborleiter: Impfschutz bei Omikron ist «lösbares Problem»
Die Daten der von Biontech veröffentlichten Studie gehen auf ein Labor in Südafrika zurück. Die Neutralisierung von Omikron habe im Vergleich zu einem früheren Covid-Stamm «sehr stark abgenommen», verkündete Laborleiter Alex Sigal bereits am Dienstag über Twitter.
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Das Labor habe Blut von zwölf Personen untersucht, die mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft worden seien, hiess es in der auf der Website des Labors veröffentlichten Studie. Dabei sei ein 41-facher Rückgang der neutralisierenden Antikörper gegen die Omikron-Variante beobachtet worden. Die vorläufigen Daten wurden noch nicht von Fachkollegen geprüft.
Sigal wertete die ersten Erkenntnisse allerdings als positiv. «Das war besser, als ich von Omikron erwartet hatte», erklärte er auf Twitter. Die Tatsache, dass die Virusvariante immer noch den bereits bekannten ACE2-Rezeptor als Eintrittspforte nutze und der Schutz nicht vollständig umgangen werde, bedeute, dass es sich um ein lösbares Problem handle.
Darüber, wie sich die Impfstoffe von Moderna, Johnson & Johnson und anderer Hersteller gegenüber der Omikron-Variante verhalten, gibt es bislang noch keine aussagekräftigen Studien.
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