BiodiversitätsinitiativeEichhörnchen locken Gäste an – Warum nicht alle Touristiker Nein sagen
Die Gegner der Biodiversitätsinitiative argumentieren mit Nachteilen für den Tourismus. Doch in dieser Branche gibt es auch dezidierte Befürworter.
Für Umweltminister Albert Rösti ist der Fall klar: Ein Ja zur Biodiversitätsinitiative würde nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch dem Tourismus schaden. Das sagte Rösti, als er vor den Medien die Argumente gegen die Initiative darlegte. Die Initiative, über die am 22. September abgestimmt wird, will Bund und Kantone in die Pflicht nehmen. Sie sollen genügend Flächen und ausreichend finanzielle Mittel für den Erhalt der Biodiversität reservieren.
Der Initiativtext enthält keine quantitativen Vorgaben. Trotzdem ist auch der Schweizer Tourismus-Verband dagegen. Die Initiative verhindere die Weiterentwicklung des Tourismussektors, schreibt der Verband. Bei einem Ja müssten zusätzliche Flächen mit stark eingeschränkter Nutzung ausgeschieden werden. Das würde die Weiterentwicklung der touristischen Infrastruktur einschränken.
Claudio Föhn von Arosa Tourismus sieht das ganz anders. Er setzt sich im Pro-Komitee von Graubünden für die Initiative ein. Diese enthalte keine starren Vorgaben oder Verbote, betont Föhn. «Die Initiative bietet Gelegenheit, darüber nachzudenken, welche Gebiete wir nutzen und welche wir schützen wollen.» In Arosa etwa würden die Skigebiete intensiv genutzt, dort sei Entwicklung weiterhin möglich. Andere Gebiete der Destination böten dagegen unberührte Natur, und das solle auch so bleiben. «Es braucht beides», sagt Föhn.
Touristen wollen intakte Natur
Untersuchungen zeigten, dass die meisten Gäste wegen der Landschaft in die Schweiz kämen – und wegen der Natur mit ihrer Vielfalt von Pflanzen und Tieren. «Es ist also gerade für den Tourismus wichtig, dass wir die Natur erhalten.» Als Beispiel nennt Föhn Angebote für Tierbeobachtungen. Steinböcke und Murmeltiere. Oder Eichhörnchen.
In Arosa gibt es einen Eichhörnchenweg. «Auf diesem Weg kommt man den putzigen Tierchen ganz schön nahe», schreibt Arosa Tourismus auf seiner Website. Laut Föhn hat sich die Attraktion in einem Waldstück mit vielen Eichhörnchen ergeben: Die Tiere gewöhnten sich an die Menschen und wurden zutraulich.
Schutz und Nutzung schlössen sich nicht aus, sagt Föhn. «Im Gegenteil: Wir müssen die Natur schützen, damit sie nutzbar bleibt.» Der beste Beweis sei der Nationalpark – ein Park, der trotz des höchsten Schutzniveaus eine Touristenattraktion sei.
Graubünden wirbt damit, die Biodiversität zu fördern. Sogar auf Golfplätzen. Für alle, die ihr Golf-Handicap auf einem der Plätze im Kanton verschlechtern, spendet Graubünden Ferien aktuell fünf Franken zur Förderung der Biodiversität. Auf dem Golfplatz von Arosa werden etwa neue Teiche für Libellen, Grasfrösche und Bergmolche angelegt.
Direktor der Jungfraubahnen sagt Ja
Auch Touristiker aus anderen Regionen unterstützen die Biodiversitätsinitiative. Im Berner Oberland etwa Urs Kessler, der Direktor der Jungfraubahnen, wie das Unternehmen auf Anfrage schreibt.
Die Initianten sagen, viele touristische Gebiete litten an «Overtourism» und sehnten sich nach einem nachhaltigen Tourismus. Sie berufen sich auch auf eine Studie von 2021, die im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt verfasst wurde und den Titel «Chance Landschaft» trägt. Einer der Autoren ist Jürg Schmid, der ehemalige CEO von Schweiz Tourismus.
Über 60 Prozent aller inländischen und ausländischen Touristen gäben Natur und Landschaft als Kerngrund für die Wahl ihrer Destination an, heisst es in der Studie. Der schonungsvolle und schützende Umgang mit der Landschaft müsste eigentlich eine «strategische Folgelogik» der Schweizer Tourismusbranche sein.
«Realität ist jedoch, dass grosse Teile der Tourismusbranche den Erhalt der Landschaftsqualität als Entwicklungsbedrohung und Potenzialeinschränkung wahrnehmen.» Hartnäckig halte sich der Mythos, dass mit Landschaft kein Geld zu verdienen sein. Das treffe nicht zu. Naturnahes Reisen und Ökotourismus gehörten zu den touristischen Wachstumstrends. Der Schweizer Tourismus riskiere, diesen Trend zu verpassen.
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