Massentourismus auf MenorcaAuf 200 Einwohner kommen 800’000 Besucher: Dorf stimmt über Sperre für Touristen ab
Binibeca Vell kämpft gegen die Auswüchse des Massentourismus. Nun fordert ein Teil der Einwohner drastische Massnahmen.
Malerisch schön liegt Binibeca Vell in einer Bucht der Mittelmeerinsel Menorca. Das hat sich auch unter den Urlaubern herumgesprochen: Fast 800.000 strömen jedes Jahr in die kleine Siedlung. Zu viele, finden die 200 Einwohner und schmieden Pläne, wie sie den Touristenmassen Einhalt gebieten können.
«Wir haben nichts gegen Tourismus, aber manchmal fühlt es sich an, als wären wir in Disneyland», sagt Óscar Monge, Leiter des Anwohner-Verbandes von Binibeca Vell. «Alle kommen hierher, um Fotos zu machen», erzählt er. Hinter Monge mahnen Schilder Besucher zu Ruhe und Respekt. «Wir haben diese Schilder überall aufgestellt, weil manche Touristen sogar auf die Dächer klettern oder die Türen aufmachen, um zu gucken, wer da wohnt.»
Die weissen Häuser erinnern an griechische Inseln, «spanisches Mykonos» wird Binibeca deshalb genannt. Der katalanische Architekt Francisco Barba Corsini baute die private Siedlung 1972. Tourismusagenturen bewerben sie als märchenhaft und karren Busse voller Urlauber in die einst einsame Bucht.
Die Einwohner wollen das nicht länger ertragen. Vor Kurzem führten sie Besuchszeiten ein: Nur noch zwischen elf Uhr vormittags und acht Uhr abends sind Touristen in den Gassen willkommen. Manchen im Ort reicht das noch nicht. Am 15. August wird abgestimmt, ob Binibeca Urlaubern den Zutritt komplett verwehrt. Die Initiative ist umstritten.
«Balearen haben ihr Limit erreicht»
«Es ist gut, die Besucher zu begrenzen. Aber wenn das Dorf komplett geschlossen wird, hat das negative Auswirkungen auf die Geschäfte», fürchtet María Neyla Ramírez. Die Betreiberin des Restaurants El Patio wünscht sich «ein bisschen Flexibilität».
Die Besucher haben Verständnis für die Bedürfnisse der Einwohner. «Für die Leute, die hier wohnen, ist das schon speziell», sagt Jean-Marie Bassut, ein 66 Jahre alter Tourist aus Frankreich. «Aber so funktioniert Tourismus, man will schöne Dinge sehen.» Monge vom Dorfverband wünscht sich einen Ausgleich der Interessen. «Wir können nicht eine Busladung voller Touristen nach der anderen ohne jegliche Regulierung hier haben», sagt er.
Binibeca Vell ist bei weitem nicht der einzige Ort auf den Balearen, der mit Massentourismus zu kämpfen hat. Vergangenes Jahr besuchten 17,8 Millionen spanische und ausländische Touristen die Inselgruppe – ein neuer Rekord. Dieses Jahr werden noch mehr erwartet.
«Die Balearen haben ihr Limit erreicht», sagte Regionalpräsidentin Marga Prohens von der konservativen Volkspartei vergangene Woche. Sie forderte, auch die negativen gesellschaftlichen Folgen zu berücksichtigen und den Tourismus «mit dem Leben der Einwohner in Einklang zu bringen».
Wie findet man das Gleichgewicht?
Tausende Menschen demonstrierten Ende Mai auf Mallorca, Menorca und Ibiza unter dem Motto «Unsere Inseln stehen nicht zum Verkauf» gegen den Massentourismus. Den Einheimischen machen nicht nur Lärm, Staus und Umweltverschmutzung durch die Besuchermassen zu schaffen. Besonders hart treffen sie die hohen Immobilienpreise, die in den vergangenen Jahren stark stiegen, weil immer mehr Wohnungen in Ferienunterkünfte umgewandelt wurden.
Manche Gemeinden weisen die Touristen bereits in die Schranken: In einigen Städten auf Mallorca und Ibiza dürfen Läden Alkohol nur noch bis halb zehn Uhr abends verkaufen, Trinken auf der Strasse ist ganz verboten. Palma, die Hauptstadt Mallorcas, plant ein Verbot neuer Touristenunterkünfte und will die Zahl der Kreuzfahrtschiffe begrenzen. Ibiza erwägt strengere Regeln für Partyboote. Und die Regionalregierung beauftragte ein Expertengremium, langfristige Lösungen zu erarbeiten.
Eine schwierige Aufgabe in einer Region, die zu 45 Prozent vom Tourismus lebt. «Es ist gut, dass die Touristen kommen, um unser Naturparadies zu geniessen», sagt Joaquín Quintana aus Menorca, während er auf das türkisfarbene Meer in Binibeca blickt. «Aber es ist auch wichtig, ein Gleichgewicht zu finden.»
AFP/nlu
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