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Wahlen in den USA
Kein Grund zur Angst vor Trump?

Republican presidential candidate former President Donald Trump dances after speaking at a campaign event in Concord, N.H., Friday, Jan. 19, 2024. (AP Photo/Matt Rourke)
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Nach seinem Durchbruch in der ersten Ausscheidungsrunde von letzter Woche in Iowa befindet sich Donald Trump im Höhenflug. Er sei «fröhlich» und «beschwingt», heisst es aus seinem Umfeld in den amerikanischen Medien. Trump sei «total überzeugt, dass er auf bestem Weg ist, die Präsidentschaft wiederzugewinnen. Er sagt bereits einen Erdrutschsieg voraus.»

Das Lager um Präsident Joe Biden lässt sich durch das Triumphgeheul nicht aus der Ruhe bringen. Der eigentliche Wahlkampf habe noch gar nicht begonnen, heisst es auf dieser Seite. Doch nicht alle Demokraten teilen die Sorglosigkeit im Weissen Haus.

Trumps überhöhte Selbsteinschätzung gründet nicht nur auf seiner narzisstischen Persönlichkeit. Dass er letzten Montag in den Bürgerversammlungen von Iowa über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte, macht seinen republikanischen Rivalen das Leben schwer. Der zweitplatzierte Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, hat die Primärwahlen vom kommenden Dienstag in New Hampshire praktisch aufgegeben. Er dümpelt in Umfragen auf unter 10 Prozent.

Ex-Gouverneurin Haley in Heimat überstrahlt

Nikki Haley sprach lange davon, ein Sieg in New Hampshire werde sie auf die Überholspur katapultieren. Davon ist nicht mehr die Rede. Man sei zufrieden mit einem guten zweiten Platz, heisst es jetzt. Neben ihrem 52. Geburtstag hat Haley derzeit wenig zu feiern: Nach einer Umfrage vom Freitag liegt sie in New Hampshire ganze 27 Punkte hinter dem mit 52 Stimmprozenten führenden Trump.

Für Haley ist bitter, dass sich ihre Chancen einen Monat später in South Carolina kaum verbessern werden. In dem südwestlichen Gliedstaat war sie als Gouverneurin von 2011 bis 2017 populär. Doch jetzt wird sie von Trump, dem sie danach als UNO-Botschafterin diente, in ihrer Heimat ebenso überstrahlt wie in New Hampshire. Am Freitag entschied sich Senator Tim Scott aus South Carolina, Trump zu unterstützen und nicht Haley, obwohl diese ihn 2012 zum Senator ernannt hatte.

Biden: «Iowa bedeutet überhaupt nichts»

Sollten die republikanischen Primärwahlen schon im Februar für beendet erklärt werden, kann Trump alle Ressourcen für die Endausscheidung gegen Biden einsetzen. Finanziell ist der Amtsinhaber darauf vorbereitet: Biden hat in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres 100 Millionen Dollar gesammelt. Mit dem Geld will seine Wahlkampforganisation jetzt der Wählerschaft die Angst vor Trump einhämmern, um damit die historisch tiefen Umfragewerte des Präsidenten auszugleichen.

«Ich bin immer noch die einzige Person, die Donald Trump je geschlagen hat», sagte Biden am Dienstag in einem Video auf X, «und ich freue mich darauf, dies für das Landeswohl wieder zu tun.» Am Donnerstag sagte er: «Iowa bedeutet überhaupt nichts.» Trump habe um die 50’000 Stimmen erhalten, die niedrigste Zahl, die ein Gewinner je bekommen habe, höhnte Biden. «Wenn er denkt, damit könne er davonrennen – dann soll er das nur denken.» 

Nicht alle teilen die Zuversicht des Präsidenten. Jamie Dimon, Chef von Amerikas grösster Bank JP Morgan Chase, warnte am WEF in Davos die Demokraten vor Hochmut. «Können wir erwachsen werden und andere Menschen mit Respekt behandeln und ihnen ein bisschen zuhören?», fragte er in einem CNBC-Interview. Dimon gab sich überzeugt: «Negatives Reden über MAGA («Make America Great Again») wird der Biden-Wahlkampagne schaden.»

David Axelrod, der Stratege hinter Barack Obamas Wahlsieg, sagt zwar nicht mehr wie noch im November, dass die Demokraten eine Alternative zu Biden aufbauen müssten. Doch Axelrod vermisst beim Team des Präsidenten das Gefühl der Dringlichkeit. Die Kampagne werde von Beratern im Weissen Haus geführt statt im Wahlkampfhauptquartier in Delaware, kritisiert er. Laut Gefolgsleuten hält auch Obama selbst Trump für gefährlich, weil dessen Anhängerschaft so fanatisch sei. Die Biden-Kampagne müsse sich besser organisieren, glaubt Obama.

Prozesse gegen Trump als Beruhigungspille

Das tiefere Geheimnis hinter Bidens Gleichmut könnte in den Gerichtsverfahren liegen, die politisch motivierte Staatsanwälte und Kläger gegen Trump anstrengen. Die Verleumdungsklage der Kolumnistin E. Jean Carroll, die diese Woche in New York gegen Trump aussagte, war dafür nur der Vorgeschmack. Carroll fordert von Trump 10 Millionen Dollar Entschädigung, weil er abstreitet, sie zu kennen und in den späten 1990er-Jahren im Bergdorf-Warenhaus in Manhattan sexuell angegriffen zu haben.

Als Nächstes dürfte in den nächsten zwei Wochen ein progressiver Richter der Zivilklage des Staats New York stattgeben und Trump eine Busse von bis zu 370 Millionen Dollar aufbrummen. Bis Sommer sollen weitere Prozesse anlaufen, darunter die des Staatsanwalts von Manhattan wegen angeblicher Buchhaltertricks im Zusammenhang mit Schweigegeld für ein «Playboy»-Model.

Im März will Sonderanwalt Jack Smith in Washington vor Gericht Trump illegale Machenschaften nach der Wahlniederlage von 2020 nachweisen. Danach möchte eine Staatsanwältin in Atlanta dasselbe wegen gleicher Straftaten in Georgia tun. Bloss das Verfahren um Smiths zweite Klage wegen Trumps Fehlbehandlung von Geheimdokumenten in Florida wird wohl erst nach dem Wahltag Anfang November beginnen.

Befeuern Demokraten die «Lawfare»?

In Reden, Interviews und den sozialen Medien wettert Trump ständig über die gegen ihn angestrengte «Hexenjagd». Wie er erkennt seine Anhängerschaft darin «Lawfare» – einen Krieg mit rechtlichen Mitteln. Aus Solidarität laufen ihm daher immer mehr Empörte zu.

Genau dies entspreche der Absicht der Demokraten, glaubt der frühere Staatsanwalt Andrew McCarthy. Biden und seine Partei verfolgten die Strategie, mithilfe der Klageflut Trumps Nomination als Kandidat der Republikaner zu sichern, schreibt er in der «National Review». In der Hauptphase des Wahlkampfs seien sie dann in der Lage, beim Gros der Wählerschaft Trump schlechtzumachen. McCarthy erwartet, dass die meisten Medien die Fragwürdigkeiten der vielen Klagen verschweigen und dafür Trumps Schuldhaftigkeit hervorheben.

Noch ist nicht klar, ob allfällige Urteile gegen Trump vor höheren Gerichten Bestand haben werden. Ihre Wirkung auf die Wahlen entfalten sie dennoch: Nach einer neuen Ipsos-Umfrage würden 58 Prozent der Wählenden – selbst 28 Prozent der republikanischen – Donald Trump nicht mehr wählen, wenn er eines Verbrechens schuldig gesprochen wird. Trump hätte dann gegen Joe Biden keine Chance mehr, folgert McCarthy. «Der Plan der Demokraten ist nicht gescheitert – er funktioniert.»