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Migranten an der US-Grenze
Bidens erste Krise spitzt sich zu

Auffanglager für Migrantenkinder im Ort Donna in Texas. Die US-Regierung verweigert Medien bisher den Zutritt.
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Joe Biden würde jetzt gerne über seine Erfolge sprechen. Über das Geld aus dem riesigen Corona-Konjunkturpaket, das unterwegs ist zu den Amerikanern. Über das Impfprogramm seiner Regierung, das immer besser läuft: Mehr als 100 Millionen Einwohner haben bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. Um all dies zu bewerben, reisen der US-Präsident und seine Vizepräsidentin Kamala Harris derzeit durch das Land.

Doch Biden hat ein Problem: Der geplante Triumphzug wird überschattet von der Krise an der Südgrenze.

Mehr als 15’000 Kinder und Jugendliche sitzen inzwischen in Auffanglagern auf der US-Seite der Grenze fest. Sie sind in den vergangenen Wochen aus Mexiko eingereist, nachdem Bidens Regierung erklärt hatte, dass sie unbegleitete Minderjährige nicht mehr automatisch wieder abschieben würde.

Über die genauen Zustände in diesen Auffanglagern ist nicht viel bekannt, weil die Regierung Journalisten den Zutritt verweigert. Doch Parlamentarier aus beiden Parteien berichten nach Rundgängen vor Ort, dass die Lager massiv überfüllt seien.

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Hunderte von Kindern würden in grosse Räume gepfercht, twitterte der demokratische Senator Chris Murphy nach dem Besuch eines Durchgangszentrums in El Paso. Er habe «mit den Tränen gekämpft», als ihm ein verzweifeltes 13 Jahre altes Mädchen erzählte, wie sie von ihrer Grossmutter getrennt worden sei. Der demokratische Abgeordnete Henry Cuellar sprach von «schrecklichen Bedingungen für die Kinder».

Nicht vorbereitet

Es sind genau solche Szenen, die in der Amtszeit von Donald Trump viele Amerikaner verstört hatten. Entsprechend gross ist denn nun auch die Kritik an Biden. Sie kommt vom linken Flügel der Demokraten und von Menschenrechtsaktivisten, sie kommt von Demokraten aus den betroffenen Grenzregionen, und sie kommt natürlich von den Republikanern, die darin eine Chance sehen, auf Trumps Nachfolger einzuprügeln.

Beim konservativen Sender Fox News debattieren sie das Thema in Endlosschleife und mit unverhohlener Freude, aber auch linksliberale Medien wie die «Washington Post» schreiben von einem «Versagen» Bidens, der auf eine absehbare Situation nicht vorbereitet gewesen sei.

Nicht mehr automatisch ausgeschafft: US-Grenzwächter mit festgenommenen Migrantenkindern im Grenzort Mission in Texas.

Die Krise hat zwei Dimensionen: eine logistische und eine politische. Um die Situation in den Auffanglagern zu entschärfen, hat die Regierung in Washington inzwischen die Katastrophenschutzbehörde Fema angewiesen, den Bau von Notunterkünften für Migrantenkinder zu unterstützen. Ausserdem hat die Regierung an der Grenze Hotelzimmer angemietet, die für Entlastung sorgen sollen. All dies komme zu spät, sagen Fachleute. Die Administration hätte den Platz schaffen müssen, bevor sie den unbegleiteten Migrantenkindern den Grenzübertritt gestattete.

Der Preis für Bidens humanere Einwanderungspolitik ist eine starke Zunahme von Migranten an der Grenze.

Die Grenzöffnung für Migrantenkinder war Teil eines grösseren Kurswechsels des Präsidenten. Biden beendete unter anderem ein von Trump eingeführtes Programm, das Migranten zwang, auf der mexikanischen Seite auf die Behandlung ihres Asylgesuches in den USA zu warten – was dazu geführt hatte, dass Tausende in schmutzigen Camps ausharrten. Er erliess einen Abschiebestopp für 100 Tage (der allerdings von einem Gericht wieder kassiert wurde). Und er legte einen Gesetzesentwurf vor, der den 11 Millionen illegalen Einwanderern einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft ermöglichen soll.

Der Preis für diese humanere Einwanderungspolitik ist eine starke Zunahme von Migranten an der Grenze. Für deren Reise in den Norden gibt es verschiedene Gründe, allen voran die Gewalt in Zentralamerika und die wirtschaftliche Not, die seit der Pandemie noch grösser wurde.

Doch der grösste Unterschied zur Situation vor einigen Monaten ist die neue Regierung in Washington. Bidens Politik «gibt Scharen von Menschen einen Anreiz, hierherzukommen, und der einzige Weg, das zu stoppen, ist, die Politik wieder zu ändern», sagte der demokratische Abgeordnete Vicente Gonzalez aus Südtexas.

«Kommen Sie nicht»

Dass die USA auf eine rekordhohe Zahl an Migranten zusteuern, bestreitet auch Bidens Regierung nicht. Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas sprach in mehreren TV-Interviews vom grössten Andrang an der Grenze seit zwei Jahrzehnten. Er versuchte, die bisher widersprüchliche Botschaft der Regierung an die Migranten zu schärfen: «Die Grenze ist geschlossen. Kommen Sie nicht», sagte er. Er machte aber zugleich die Trump-Regierung dafür verantwortlich, «das ganze System niedergerissen» zu haben.

Und Joe Biden selbst? Er fährt am Dienstag erst mal nach Ohio, um die Vorzüge seines Corona-Hilfspakets herauszustreichen. Doch auch er weiss, dass er die Situation an der Grenze – die erste Krise seiner Präsidentschaft – nicht ignorieren kann. Am Sonntag kündigte er an, bald selbst an die Grenze zu reisen, um sich ein Bild der Lage zu machen.

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