Joe Biden will neue EinwanderungspolitikAmerika, öffne dich!
Joe Biden legt gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft überraschend einen umfassenden Plan für die Migration vor – sehr zum Missfallen der Republikaner.
Als Joe Biden nach seiner Vereidigung das erste Mal das Oval Office betrat, fingen die Kameras die neue Einrichtung ein. Donald Trumps beiger Teppich und die goldenen Vorhänge sind nun durch dunklere Stoffe ersetzt. Über dem Cheminée hängt ein Porträt des Krisenpräsidenten Franklin D. Roosevelt. An der prominentesten Stelle, hinter dem Schreibtisch, stehen die gerahmten Fotos von Bidens Familie. Und dazwischen, frisch eingeflogen aus Kalifornien: die Büste von César Chávez.
César Chávez war ein Arbeiterführer und Bürgerrechtler mexikanischer Herkunft. Er setzte sich ein für bessere Bedingungen für die Landarbeiter in den USA, von denen viele aus Lateinamerika stammen, er gab ihnen mit der Gründung einer nationalen Gewerkschaft eine Stimme. Chávez ist nicht das, was die meisten Amerikaner einen «household name» nennen würden, eine Person, die alle kennen. Doch für seine Verdienste verlieh ihm Bill Clinton 1994 posthum die Presidential Medal of Freedom, die höchste Auszeichnung des Landes.
Mehr als ein Symbol
Darryl Morin sagt, er sei aus seinem Stuhl gesprungen, als er die Bilder von Biden im Oval Office gesehen und die Büste von César Chávez erkannt habe. Morin ist Präsident der Organisation Forward Latino, einer Organisation, die sich für die Rechte von Latinos einsetzt. «Wenn ich an all das denke, was unsere Gemeinschaft in den vergangenen vier Jahren durchmachen musste, kann es gar keine stärkere Botschaft der Empathie geben», sagte er dem TV-Sender NBC.
Die Büste ist mehr als ein Symbol. Sie deutet auch darauf hin, was Biden politisch unternehmen will. Klar: Zuerst soll es um die von Donald Trump vernachlässigte Bekämpfung der Pandemie gehen. Am Donnerstag stellte Biden eine Corona-Roadmap vor, die schnellere Impfungen, mehr Tests und eine bessere Versorgung mit Masken garantieren soll. Doch gleich danach kommt offenbar die Einwanderungspolitik. Um zu sehen, welches Gewicht der neue Präsident dem Thema gibt, reichte ein Blick auf seine ersten Amtshandlungen.
Von den 17 Erlassen, die Biden am Mittwoch unterzeichnete, betrafen fünf die Migration. Biden wies das Ministerium für Heimatschutz an, das Daca-Programm dauerhaft zu sichern, das ein Aufenthaltsrecht für 700’000 junge Migranten umfasst. Er stellte den Bau der Grenzmauer zu Mexiko ein und hob die Einreisesperre für Menschen aus muslimischen Ländern auf. Zudem beschloss er, die unter Trump massiv ausgeweiteten Ausschaffungen einzuschränken.
Biden sendet ein Zeichen: Die Zeit der restriktiven Migrationspolitik ist vorbei.
All dies sind aber nur erste Schritte auf einem Weg zu einem grösseren Ziel: einer Einwanderungsreform. Biden schlägt dem Kongress ein Gesetzespaket vor, das den rund elf Millionen undokumentierten Einwanderern die Möglichkeit geben soll, innerhalb von acht Jahren die US-Staatsbürgerschaft zu erlangen. Der letzte, weniger ambitionierte Versuch einer Reform, an der Biden als Vizepräsident von Barack Obama beteiligt war, scheiterte 2013 im Kongress. Seither hatte sich in Washington niemand mehr ernsthaft darum gekümmert.
Das Signal, das Biden nun aussendet, ist klar: Die Zeit der restriktiven Migrationspolitik ist vorbei. Das freut die Befürworter eines Kurswechsels: Pro-Einwanderungs-Organisationen, die von Bidens Team in den vergangenen Tagen über die Pläne informiert wurden, zeigten sich begeistert: Es handle sich um «die aggressivste Agenda für eine Einwanderungsreform, die ich gesehen habe», sagte Héctor Sánchez Barba von der Gruppe Mi Familia Vota.
Dabei war dieser Fokus nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Die Einwanderung hatte die ersten drei Jahre von Trumps Präsidentschaft dominiert. Trump hatte sowohl die illegale wie auch die legale Einwanderung mit harten Massnahmen beschränkt – Massnahmen, zu denen zeitweise auch die Trennung von Familien von ihren Kindern gehörte, die er nach einem grossen Aufschrei wieder beenden musste. Diese Politik führte dazu, dass die Einwanderung schon vor den Corona-Einschränkungen stark zurückging.
Im langen Präsidentschaftswahlkampf hatte Biden nicht zu jenen Demokraten gehört, die auffallend oft über das Thema sprachen. Nun will Biden aber gleich zu Beginn seiner Amtszeit viel politisches Kapital für die Migration aufwenden – und das, obwohl er dieses Kapital für die Verabschiedung eines riesigen Corona-Hilfspakets sowie für die Bestätigung seines Kabinetts braucht.
Die Karawanen sind zurück
Im Senat verfügen die Demokraten zwar mit dem Stichentscheid von Vizepräsidentin Kamala Harris eine hauchdünne Mehrheit. Doch um eine Einwanderungsreform zu verabschieden, sind die Demokraten auf 60 Stimmen angewiesen – und damit auf die Kooperation der Republikaner.
Und deren erste Reaktionen verheissen für Bidens Plan nichts Gutes. «Eine totale Amnestie ohne Bedenken für die Gesundheit und Sicherheit der Amerikaner und null Vollstreckungsmassnahmen», twitterte Senator Tom Cotton. Senator Marco Rubio sagte, er sei bereit, in vielen Themen mit Biden zusammenzuarbeiten. «Aber eine Massenamnestie für Leute, die unrechtmässig hier sind, ist keines dieser Themen.»
Kompliziert wird Bidens Vorhaben auch durch den Umstand, dass sich kurz vor seiner Amtseinführung eine Karawane von Migranten aus Honduras auf den Weg in die USA gemacht hat. Es war der erste grössere Migranten-Treck seit Ausbruch der Pandemie, und viele mitreisende Einwanderer hofften, dass Biden die unter Trump massiv verschärfte Asylpolitik wieder lockern würde.
Der Treck wurde inzwischen von Soldaten und Polizisten in Guatemala und Mexiko wieder aufgelöst, teils mit Gewalt. Bei Fox News, der wichtigsten medialen Stimme des konservativen Amerika, waren die Bilder davon aber noch lange zu sehen.
Laute, pausenlose Warnungen vor neuen Karawanen und ungebremster Migration: Auch das wird zu Bidens Präsidentschaft gehören.
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