Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Zweitreichster Mann der Welt
Bezos übergibt Amazon an seinen Leutnant

Jeff Bezos tritt überraschend von seinem Posten zurück und schaut in eine neue berufliche Zukunft. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Rücktritt von Jeff Bezos kam überraschend, aber schockierte nicht. An der Börse reagierten die Anleger am Dienstagabend völlig gelassen auf die Ankündigung des Führungswechsels. Der 57-jährige Amazon-Gründer übergibt sein Amt dem um Jahre jüngeren Andy Jassy, der seit 1997 zur Führungsspitze gehört und aus dem gleich harten Holz geschnitzt ist wie Bezos.

Ähnlich wie Tim Cook bei Apple wurde Jassy systematisch auf die neue Aufgabe vorbereitet, um einen ungeplanten oder unkontrollierten Führungswechsels zu verhindern. Diese langfristige Planung, der Erfolgsausweis von Jassy und die herausragenden Umsatz- und Gewinnzahlen im vierten Quartal 2020 erklären die Ruhe der Anleger.

Jassy hat als Chef der Amazon Web Services (AWS) die Cloud-Dienstleistungen zur stärksten Gewinnmaschine des Konzerns gemacht. Mit dem Speichern und Verwalten der Daten von Unternehmen und Regierungen in riesigen Datenzentren ist es ihm gelungen, Amazon eine dominante Position im Cloud-Markt zu verschaffen.

Auf Trumps Abschussliste

Amazon hält gemäss den Marktforschern von Canaly einen Marktanteil von 30 Prozent, gefolgt von Microsoft mit 15 Prozent und Google mit 5 Prozent. Die beiden führenden Konzerne liefern sich einen harten Kampf um Aufträge, wobei es Microsoft letztes Jahr gelang, Amazon einen Prestigeauftrag zu entringen. Microsoft schaffte es mit einem intensiven Lobbying, sich einen Auftrag von 10 Milliarden Dollar des Pentagons zu sichern, den zuvor Amazon gehalten hatte. Bezos vermutete unfaire Praktiken und glaubte, dass Präsident Trump, der Amazon auf seiner Abschussliste führte, seine Hände im Spiel gehabt hatte.

«Als Präsident des Verwaltungsrates werde ich mich voll und ganz auf neue Produkte und Initiativen konzentrieren.»

Jeff Bezos

Jeff Bezos hatte die Tagesgeschäfte schon vor längerem delegiert und will nurmehr als Präsident des Verwaltungsrates agieren: «Als Präsident des Verwaltungsrates werde ich mich voll und ganz auf neue Produkte und Initiativen konzentrieren.» Er bleibt der grösste Aktionär des Konzerns und steht auf der Liste der Reichsten dieser Welt mit 188 Milliarden Dollar hinter Elon Musk auf dem zweiten Platz.  

Finanzchef Brian Olsavsky sagte, dass sich der Entscheid, vor der grössten Wachstumsphase in die Zukunft des Unternehmens zu investieren, nun auszahle. Amazon werde weiter in den Cloud-Markt und den Ausbau der Verteillogistik investieren, insbesondere in den Lieferdienst von einer halben Million Vertragsfahrern.

Gewerkschaften vor der Tür

Im letzten Jahr wuchs der Umsatz von AWS um 30 Prozent auf 45 Milliarden Dollar, und der Profit von 13,5 Milliarden macht bereits 60 Prozent des Konzerngewinns aus. Das zeigt, dass Amazon nicht mehr nur ein E-Commerce-Konzern ist, sondern mehr und mehr ein Anbieter von sicheren Internetdienstleistungen, die auf das Vertrauen der Kunden angewiesen sind.

Dabei beschleunigte sich die Nachfrage während der Pandemie derart stark, dass Amazon Mühe hatte, genug neue Arbeitskräfte zu rekrutieren. Dieser Umstand machte Bezos zu einem Verfechter eines minimalen Stundenlohns von 15 Dollar, womit Amazon in vielen Märkten bessere Löhne zahlt als Konkurrenten wie Walmart. Mit 1,3 Millionen Beschäftigten ist Amazon nach Walmart inzwischen der zweitgrösste private Arbeitgeber der Welt. Dabei ist ein Ende der Expansionspläne nicht abzusehen. (Lesen Sie hier, wieso Amazon immer mächtiger wird.)

Jeff Bezos polarisiert, und Amazons Expansion eckt an: Proteste gegen ein neues Amazon-Logistikzentrum in Ournes, Frankreich, am 30. Januar 2021. 

Um den knappen Platzverhältnissen am Heimatort Seattle auszuweichen, will Amazon in Arlington im Grossraum Washington einen zweiten Geschäftssitz hochziehen. Geplant ist für 2,5 Milliarden Dollar der Bau eines Hochhauses mit 13’000 Arbeitsplätzen in Form einer schneckenförmigen Helix.

Amazon steht vor einem wichtigen Entscheid, der das Verhältnis zwischen der gewerkschaftsfeindlichen Unternehmensführung und den Beschäftigten grundlegend verändern könnte. Angestellte in Alabama können entscheiden, ob sie sich zum ersten Mal gewerkschaftlich organisieren sollen. Die briefliche Abstimmung soll am 8. Februar beginnen, allerdings versucht Amazon noch, dies auf gerichtlichem Weg zu verhindern. Ein Ja zu Gewerkschaften gilt als zunehmend wahrscheinlich und dürfte auf die über 800 Lagerhäuser und Verteilzentren in den USA ausstrahlen.