Beziehungskrise nach KinobesuchWarum sich Paare wegen «Barbie» trennen
Auf sozialen Medien häufen sich Posts von Frauen, die akute Schlussmach-Gefühle empfinden, nachdem sie sich auf der Leinwand wiedererkannt haben. Was ist da los?
Die meisten Filme sind spätestens dann wieder vergessen, wenn der Abspann vorbeigerollt ist. Bei «Barbie» ist das anders. Wohl über keinen anderen Film wurde in den vergangenen Wochen derart viel diskutiert wie über die Gesellschaftssatire, die mit stereotypen Rollenbildern spielt und diese hinterfragt.
In der Barbie-Welt haben Frauen das Sagen und Männer nur einen einzigen Wunsch, nämlich dass die Frauen ihnen gegenüber Zuneigung zeigen und sie bewundern. In der «realen» Welt hingegen regiert das Patriarchat mit all seinen sozialen Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern.
«Hat jemand ‹Barbie› geschaut und plötzlich das Gefühl, mit ihrem Freund Schluss machen zu müssen? Oder bin das nur ich?»
Das hat offenbar teils weitreichende Konsequenzen für Beziehungen, wie sich nun herausstellt. Auf sozialen Medien häufen sich Posts von jüngeren Frauen, die erzählen, sie hätten sich nach «Barbie» von ihrem Freund getrennt oder seien kurz davor.
«Hat jemand ‹Barbie› geschaut und plötzlich das Gefühl, mit ihrem Freund Schluss machen zu müssen, oder bin das nur ich?», fragt beispielsweise eine Frau auf X, wie Twitter nun heisst. Ihr Typ habe keine Ahnung davon, wie es sei, eine Frau zu sein in einer von Männern dominierten Welt. Offenbar sieht die junge Frau keine Zukunft mehr für sich und ihren Partner, den sie wohl in den toxischen Typen auf der Leinwand wiedererkannt hat.
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Eine andere junge Frau bedankt sich via Tiktok-Video direkt bei «Barbie». Der Film habe ihr die Augen für die fehlende Gleichstellung in ihrer Beziehung geöffnet und sie ermutigt, für ihre Bedürfnisse einzustehen. Manche Userinnen empfehlen den Film gar als Beziehungs-Check. Mag der Mann die feministische Botschaft des Films? Dann hat er den «potenzieller Mann fürs Leben»-Test bestanden und darf bleiben. Wenn nicht, solle man sich am besten gleich von ihm trennen.
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Nun mutmassen Paartherapeuten und Psychologinnen zwischen den USA, Grossbritannien und der Schweiz, was hinter dem von «Barbie» ausgelösten Trennungstrend stecken könnte. Während die meisten davon überzeugt sind, dass die gescheiterten Beziehungen schon vorher instabil waren, ergänzt ein Sexualtherapeut in der «Berliner Morgenpost», dass es sich hierbei um das Phänomen der Resonanz handelt. In der Psychologie ist damit das «empathische Mitschwingen mit Gefühlen oder Gedanken bei anderen Menschen» gemeint.
Laut dem Sexualtherapeuten kommt die Resonanz auch anderswo im kulturellen Bereich vor: «Filme und Bücher sind oft so konzipiert, dass sie uns auf eine emotionale Abenteuerreise mitnehmen», erklärt er. Viele Autorinnen und Autoren wollten Reaktionen in uns auslösen und uns zum Denken anregen. Erleben die Figuren ähnliche Emotionen wie wir, können wir uns umso stärker mit ihnen identifizieren – und uns auch im realen Leben davon leiten lassen.
«Ich habe das Gefühl, ein Idiot zu sein, weil ich zulasse, dass ‹Barbie› die Art und Weise, wie ich meinen Freund sehe, beeinflusst.»
Bei Filmen, die Beziehungsprobleme thematisieren, drängt es sich geradezu auf, sich und seine eigene Partnerschaft zu hinterfragen. Dazu kommt, dass «Barbie» plakativ ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zeigt und die Frauenpower feiert. Da verwundert es nicht, dass der Kinohit kollektive «Das lassen wir uns nicht mehr bieten!»-Reaktionen auslöst, die teils in Trennungen münden.
Manche Frauen fühlen sich durch den Film und das Schlussmach-Domino fast schon unfreiwillig angestachelt. So wie eine Nutzerin, die auf dem Community-Netzwerk Reddit schreibt: «Ich habe das Gefühl, ein Idiot zu sein, weil ich zulasse, dass ‹Barbie› meine Beziehung beeinflusst sowie die Art und Weise, wie ich meinen Freund sehe.»
«Barbie» zeigt echte Männerprobleme
Interessant am Trennungsphänomen ist, dass sich Frauen von ihren Partnern trennen – aber nicht umgekehrt. Zumindest ist bislang auf den sozialen Medien kein Schlussmach-Trend zu erkennen, der von Männern ausgeht. Mag sein, dass es am fehlenden Empowerment liegt. Denn nach dem Film könnten sie genauso empört sein. Frauen nehmen darin kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse der Männer, die über weite Strecken als bedürftige Weichlinge dargestellt werden, die man nach Belieben manipulieren kann.
Das ist natürlich genauso überzeichnet wie das Machoide; aber bei «Barbie» werden eben auch Beziehungsthemen behandelt, unter denen Männer tatsächlich leiden. Ein Psychotherapeut hält im Psychologie-Magazin «Psychology Today» fest, ihn habe überrascht, wie differenziert «Barbie» echte Probleme und Bedenken von Männern widerspiegele, denen er in seiner Praxis häufig begegne.
Spürten Männer in ihrer Beziehung zu wenig Aufmerksamkeit, fühlten sie sich viel stärker zurückgewiesen, als das bei Frauen der Fall sei. Dies könne in Frust, Scham, Trauer oder schlimmstenfalls in Dominanzgehabe und Gewalt münden – im Film genauso wie im richtigen Leben. Daneben sei für Männer die körperliche Zuneigung und sexuelle Verbindung oftmals ein Zeichen dafür, dass alles in Ordnung sei; das sei wichtig für ihr Selbstbewusstsein. Fällt das wie in «Barbie» weg, nagt das laut dem Psychotherapeuten am Selbstwertgefühl.
Für Männer könnte der Film also genauso ein Anlass sein, ihre Beziehung zu reflektieren – und wieder eigene Wege zu gehen, sollten die Vorstellungen und Bedürfnisse wie bei Barbie und Ken zu sehr divergieren.
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