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Satelliten «made in Switzerland»
Wegen Sicherheitsbedenken: Bund soll Verkauf seiner Raketenfirma stoppen

Mitarbeiter von Beyond Gravity in Zuerich bauen die neue Generation von Wettersatelliten (METOP) fotografiert am Freitag, 3. Maerz 2023 in Zuerich. Die Struktur des 6 Meter hohen Satelliten wiegt rund 1000 Kilogramm und besteht aus Kohlefaser und Aluminium. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Elon Musk drückt in den USA einen Knopf, um seinen Starlink-Satelliten zu steuern – und schon haben die Menschen in der Ukraine wieder Internet. Dank seiner Weltraumtechnik kontrolliert ein einzelner Mann somit die Kommunikation eines ganzen Landes.

Mitte-Nationalrätin Isabelle Chappuis, führt dieses – etwas vereinfachte – Beispiel aus dem Ukraine-Krieg an, um zu warnen: «Wir leben in einer Realität, in der die Souveränität und die Sicherheit eines Landes auch daran gemessen werden, ob es die Weltraum­technologien beherrscht.» Dies sei strategisch wichtig. Die Schweiz dürfe keine Firma «verscherbeln», die in diesem zentralen Bereich Wissen und Erfahrung habe.

Die Firma, von der Chappuis spricht, heisst Beyond Gravity. Sie ist die Weltraumsparte von Ruag International. Und sie soll privatisiert werden. Das hat der Bundesrat schon 2018 entschieden.

Satelliten «made in Switzerland»

Sicherheitspolitikerinnen und Sicherheitspolitikern passt dieser Entscheid nun aber nicht mehr. Sie sind überzeugt: Die Firma könnte das Potenzial haben, Satelliten «made in Switzerland» herzustellen. Heute liefert sie Raketenbestandteile, unter anderem für Ariane 6 der European Space Agency. 

Die Mitglieder der Sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat haben fast ausnahmslos einen Vorstoss unterstützt, der die Privatisierung von Beyond Gravity stoppen will. Aber nicht alle Parteien stehen hinter diesen Entscheiden. Nun ist ein Kräftemessen im Gang – und zwar nicht nur im Bundeshaus.

130 Autokilometer vom Berner Machtzentrum entfernt, in einem Büroturm des Circle am Flughafen Zürich, sitzt André Wall in einem verglasten Sitzungszimmer. Wall ist der CEO von Beyond Gravity. Er will den Verkauf der Firma vorantreiben – wie auch der Bundesrat. «Ich bin überzeugt, dass dies der richtige Weg und die beste Entscheidung für das Unternehmen und seine Mitarbeitenden ist», sagt er. Insbesondere, weil die Firma enorme Investitionen benötige – zwischen 500 und 600 Millionen Franken –, um mit der rasant wachsenden Branche mithalten zu können.

Der Investitionsbedarf wird voraussichtlich bis 2029 anfallen. Ob der Bund so viel Geld aufbringen kann in einer Zeit der Sparprogramme, daran melden manche bürgerliche Parlamentarier Zweifel an. Eine Alternative: Das Parlament könnte dem Bund vorgeben, dass die Firma an Schweizer Investoren verkauft werden muss – eben weil sie sicherheitsrelevant sei.

Die Armee ist nur ein Kleinkunde

Wall sagt, man sei offen für Schweizer Interessenten. Aber: «Wir konzentrieren uns auf den zivilen Raumfahrtmarkt und verfügen über keine sicherheitspolitisch relevanten Technologien, Aufträge oder Daten.» Sein Unternehmen baue keine ganzen Satelliten, sondern liefere nur Einzelteile für deren Produktion. Der CEO nennt Zahlen, die auch der Bundesrat aufgeführt hat, um zu erklären, warum die Firma nicht im Besitz des Bundes bleiben soll: 96 Prozent des Umsatzes macht sie im Ausland. Die Bestellungen der Schweizer Armee machten letztes Jahr nur 0,1 Prozent des Umsatzes aus. 

Trotzdem sagt SVP-Nationalrat Michael Götte, die Firma sei aktuell sicherheitspolitisch zwar noch nicht zentral für die Schweiz. «Aber sie stellt heute schon Raketenbestandteile her und hat das Potenzial, weitere wichtige Bauteile für Weltraumtechnik zu entwickeln.» Das sei einerseits kommerziell interessant für den Bund, andererseits könne die Schweiz so ein sicherheitspolitisches Pfand gewinnen, etwa gegenüber den USA, die einer der Hauptabnehmer der Produkte seien.

«Schon der Verkauf der Munitionssparte der Ruag war ein Fehler», sagt Götte. «Wir müssen den Ausverkauf der Schweiz stoppen.» Verschiedene Kritiker der Privatisierung weisen auch darauf hin, dass Wall als CEO am Gewinn bei einem Verkauf beteiligt würde – und ein entsprechendes Interesse daran habe. 

Wie gross ist das finanzielle Risiko?

Der Einzige, der in der 25-köpfigen Kommission für den Verkauf gestimmt hat, ist ein Grüner. Fabien Fivaz will das Parlament dazu bringen, Beyond Gravity wie geplant abzustossen. Er habe diverse Schweizer Firmen besucht, die «tatsächlich auf die Entwicklung ganzer Satelliten ausgerichtet» seien. «Falls der Bund neu im Weltraum mitmischen und Hunderte Millionen von Franken investieren will, dann soll er es bei Unternehmen tun, die wirklich sicherheitspolitisch relevant sind», so Fivaz.

Die Kommission habe aus dem Bauch heraus entschieden, kritisiert der grüne Nationalrat. So sei es etwa unklar, wie es finanziell um Beyond Gravity stehe – und wie gross das Risiko sei, wenn der Bund an einer Firma beteiligt bleibe, das fast ihr ganzes Geschäft im Ausland habe. 

Im Nationalrat wird Fivaz’ Fraktion voraussichtlich nicht die einzige sein, die sich für den Verkauf ausspricht. Bei den Freisinnigen gibt es zwar noch einige Unentschlossene, aber die Mehrheit der FDP dürfte ihrer Finanzministerin den Rücken stärken. Deren Departement soll bei Sicherheitspolitikern dafür plädiert haben, am Plan des Bundesrats festzuhalten und die Firma zu verkaufen. Weil aber SVP, Mitte und Teile der SP den Verkauf verhindern wollen, dürfte die Forderung der Sicherheitspolitiker eine Mehrheit haben.

Klar ist: Bleibt Beyond Gravity tatsächlich in Bundesbesitz, braucht die Firma eine neue Gesetzesgrundlage – eben weil die Armee so wenig bestellt. Dann muss die Regierung begründen, warum es ein öffentliches Interesse an Schweizer Raketenteilen gibt. Und wie viel dies das Land kosten darf.