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Interview zum dritten Starship-Anlauf
«Elon Musk hat sehr optimistische Ziel­vorstellungen»

SpaceX's mega rocket Starship launches for a test flight from Starbase in Boca Chica, Texas, Saturday, Nov. 18, 2023. (AP Photo/Eric Gay)
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Herr Wentscher, zwei Fehlversuche hat das Starship bereits hingelegt. Sind Fehlversuche Teil des Konzepts von Spacex?

Ja, das ist Teil der Firmenphilosophie, um bei der Entwicklung der Rakete schneller voranzukommen. Dazu setzt Spacex auf eine vergleichsweise günstige Rakete, die in Serie gebaut wird und einem einkalkulierten Risiko ausgesetzt ist, dass sie explodiert. Alle anderen Raketenhersteller versuchen, einigermassen sicher zu sein, dass der Start funktioniert.

Warum wählt Spacex diese Strategie?

Das liegt vor allem daran, dass Spacex anders finanziert wird. Insgesamt hat sich Spacex am Markt mit mehr als 100 Milliarden Dollar kapitalisiert. Zum Vergleich: Die Automarke Mercedes Benz hat einen Wert von 75 Milliarden, ist also kleiner als Spacex. Spacex macht aber zurzeit nur einen Umsatz von rund 10 Milliarden Dollar pro Jahr, verglichen mit 150 Milliarden bei Mercedes Benz. Spacex kann daher nicht jahrelang vor sich hin entwickeln, das würden die Geldgeber nicht goutieren.

Was hat Spacex aus den beiden Fehlstarts gelernt?

Eine Menge. Beim ersten Start im April 2023 hat zum Beispiel die Abtrennung der unteren Raketenstufe von der Oberstufe, dem eigentlichen Starship, nicht funktioniert. Das ist auch gar nicht so einfach, denn bei diesen grossen und schweren Bauteilen wirken gewaltige Kräfte. Da kann beim pyrotechnischen Abtrennen der Verbindungsbolzen durchaus etwas schiefgehen.

SpaceX's Starship launches from Starbase in Boca Chica, Texas, Thursday, April 20, 2023. The giant new rocket exploded minutes after blasting off on it first test flight and crashed into the Gulf of Mexico. (AP Photo/Eric Gay)

Beim zweiten Startversuch, sieben Monate später, hat die Abtrennung dann geklappt.

Hier ist der schnelle Lernerfolg klar sichtbar. Ähnlich bei den Triebwerken: Beim ersten Versuch sind einige der 33 Raptor-Triebwerke direkt nach dem Start ausgefallen. Beim zweiten Startversuch haben alle Triebwerke funktioniert. Diese Fortschritte gelingen vor allem, da Spacex bei jedem Start enorm viele Daten sammelt, um das Computermodell der Rakete zu optimieren. Wir können davon ausgehen, dass dieses Modell des Starship heute schon viel näher an der Realität ist als vor dem ersten Start.

Was wäre für den anstehenden Start als Erfolg zu werten?

Beim letzten Start haben die Triebwerke des Starship nach der Trennung von der Unterstufe, dem Booster, zwar gezündet. Dann ist es aber zu einer Anomalie gekommen. Es muss jetzt sicher das Ziel sein, dass die Triebwerke des Starship den ganzen Brennverlauf durchmachen und das Raumschiff die Erdumlaufbahn erreicht.

Die nächste Herausforderung ist es, das Starship sicher in die Erdatmosphäre zurückzubringen.

Wegen der hohen Geschwindigkeit bei Raketenstarts ist das alles andere als einfach. Denn Schnelligkeit bedeutet Energie, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre abgebaut werden muss. Noch grösser wäre der Erfolg, wenn es zudem gelingt, zumindest einen Teil der Landemanöver von Booster und Starship hinzukriegen.

Auch da könnte es wieder zur Explosion kommen?

Durchaus. Zum Beispiel befinden sich im Booster noch Treibstoffreste und jede Menge explosiver Gase. Am Booster befinden sich aber auch 33 enorm heisse Triebwerke. Es ist nicht so einfach, das sicher zur Erde respektive auf die Meeresoberfläche zurückzuholen. Spacex betritt mit dieser Rakete wirklich Neuland. Und selbst wenn auch beim dritten Start nicht alles gelingt: Es ist wirklich unglaublich, was das Team von Spacex schon erreicht hat. Davor ziehe ich wirklich meinen Hut.

Wie ist es einzuschätzen, dass dieses Jahr möglicherweise neun Starts von Starships erfolgen?

Elon Musk hat immer sehr optimistische Zielvorstellungen. Aber ausgeschlossen ist das nicht. Jedenfalls hat Spacex Vorsorge getroffen und viele Starship-Raketen bereitgestellt. Ob es nun in diesem Jahr neun Starts geben wird, hängt von jedem einzelnen Start ab. Aber sicher hat Spacex sich das Ziel gesetzt, dieses Jahr nicht nur möglichst häufig, sondern möglichst zuverlässig zu fliegen.

Welche Bedeutung hätte ein funktionierendes Starship für die Raumfahrt? 

Zu den wesentlichen Merkmalen des Starship gehören dessen Grösse und die vergleichsweise günstige Herstellung. Damit erreicht man ein ganz anderes Preisniveau pro Kilogramm Fracht. Diese Rakete definiert eine neue Leistungsgrenze. Ein erfolgreiches Starship wird sicherlich das Tor zu einer neuen Art der Raumfahrt öffnen. Die Besiedelung des Mondes und dereinst des Mars sind Dinge, die durch das Starship überhaupt erst möglich werden.

Der erste Launch der neuen europäischen Trägerrakete, der Ariane 6, ist im kommenden Sommer angesetzt. Verfolgt Europa damit ähnliche Ziele wie Elon Musk mit dem Starship?

Nein. Das erkennt man allein schon daran, dass die Ariane 6 ganz anders aussieht als das Starship. Europa möchte mit der Ariane 6 auch nicht auf den Mars fliegen. Diese Rakete ist in erster Linie dazu da, Konstellationen von kleineren Satelliten oder einzelne grössere Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen, etwa für die Erdbeobachtung. Für Europa ist die Ariane 6 von grosser Bedeutung, um die Abhängigkeit von anderen Staaten bei Weltraumstarts zu reduzieren.

Geht Europa bei der Ariane 6 auf Nummer sicher – oder sind hier Fehlstarts ebenfalls einkalkuliert?

Fehlstarts sind nie auszuschliessen, aber Europa hat lange entwickelt und getestet, damit die Ariane 6 schon beim ersten Start voll funktionsfähig unterwegs sein soll.

Ist die Wiederverwendbarkeit der ganzen Rakete wie beim Starship auch in Europa ein Thema?

Bei der Ariane 6 noch nicht. Aber das wird sicherlich kommen. Ich denke, Europa geht hier recht schlau vor. Man muss ja nicht unbedingt Erster sein bei der Wieder­verwendbarkeit einer Rakete. Hinterher kann Europa auf dem Weg zu wieder­verwendbaren Raketen vielleicht eine Abkürzung nehmen.

Wird die Wette von Spacex auf die Zukunft aufgehen?

Das hoffe ich sehr, aber das werden erst die kommenden Jahre zeigen.