Elon Musks Rakete explodiertDas Starship geht im All verloren
Nach der Explosion im April schaffte es das Super-Raumschiff von SpaceX nun in den Weltraum – doch dann brach der Kontakt ab.
SpaceX hatte schon mal vorgebaut, sollte der zweite Startversuch des Riesen-Raumschiffs Starship an diesem Samstag, ähnlich wie im April, wieder schiefgehen. «Auch wenn dies nicht in einem Labor oder auf einem Prüfstand geschieht, so ist es doch ein Test», vermeldete das Unternehmen eine gute halbe Stunde vor dem Start auf X (ehemals Twitter). «Was wir heute tun, wird unschätzbare Daten für die weitere schnelle Entwicklung des Starship liefern». Sprich: Ein Fehlschlag gehört durchaus zum Geschäftsmodell.
Zunächst sah es aus, als könnte der zweite Versuch glücken. Nach diversen Gänsehautmomenten und einem unterbrochenen Countdown 40 Sekunden vor dem geplanten Start, hob die 5000 Tonnen schwere und 120 Meter lange zweistufige Transportrakete dann kurz nach sieben Uhr Ortszeit im texanischen Boca Chica ab – vor der Kulisse der aufgehenden Sonne.
Beide Raketenstufen des Starship explodieren
Knapp drei Minuten später gelang die Trennung der unteren Boosterstufe und des eigentlichen Starship, das kurz darauf das All erreichte. Der Booster explodierte allerdings, anstatt im Golf von Mexiko niederzugehen. Und der Kontakt zum Starship, das dem Webstream zufolge mit etwa 24’000 Kilometern pro Stunde in Richtung Hawaii unterwegs war, um dort nach 90 Minuten im Ozean zu wassern, brach acht Minuten nach dem Start ab. Auch die obere Stufe sei explodiert, hiess es dann. Die Ursache blieb zunächst unklar.
Trotzdem war der Flug für Space-X wohl zumindest ein Teilerfolg: Anders als im April brannten alle 33 Raptor-Triebwerke. Und erstmals trennte SpaceX die beiden Stufen per sogenanntem Hotstaging ab, was auch die Russen bei der Sojus-Rakete nutzen: Dabei erfolgt die Zündung bereits vor der Trennung von der Unterstufe.
Normalerweise wird die Unterstufe abgetrennt, abgeschaltet, dann erst die Oberstufe gezündet. Dazu sind aber Triebwerke nötig, um die Lage der Rakete auszugleichen, die nun eingespart werden können. Das Konzept bedeutet weniger Kosten und Gewicht. Und mit das Wichtigste: Das Starship erreichte erstmals den Weltraum und flog zeitweise auf fast 150 Kilometern Höhe.
Firmenchef Elon Musk gratulierte via X dem gesamten SpaceX-Team, ebenso wie Bill Nelson, Chef der US-Raumfahrtbehörde Nasa. «Die Raumfahrt ist ein kühnes Abenteuer, das eine Macher-Mentalität und wagemutige Innovation verlangt», schrieb Nelson. «Der heutige Test ist eine Chance, zu lernen – und dann erneut zu fliegen. Gemeinsam werden die Nasa und SpaceX die Menschheit zurück zum Mond, zum Mars und darüber hinaus bringen.»
Beim ersten Startversuch am 20. April dieses Jahres endete der Flug der wiederverwendbaren Rakete bereits nach etwa vier Minuten, als sich das Starship in etwa 30 Kilometern Höhe selbst zerstörte. Im unteren Booster war Treibstoff ausgelaufen, der Kontakt zum Flugcomputer abgebrochen, die Rakete taumelte über den Himmel und wurde zur Gefahr für Bevölkerung und Schaulustige.
Nach der Explosion hatte die FAA den Testflug ausgiebig untersucht. Beim Start hatte es auch Zerstörungen an der Startrampe selbst gegeben – verursacht durch die rund 30 Triebwerke, die mit flüssigem Methan und flüssigem Sauerstoff befeuert werden. Im September listete die FAA insgesamt 63 technische Nachbesserungen auf, auch um künftig Lecks und Brände sowie die Zerstörung der Startrampe auszuschliessen. SpaceX-Chef Musk meldete bald Vollzug. Die Chance, nun in den Orbit zu kommen, sei «viel grösser als beim letzten Mal. Vielleicht sind es etwa 60 Prozent», sagte er optimistisch. Am Mittwoch kam dann die Genehmigung der FAA für den zweiten Versuch.
Elon Musk hat erst kürzlich beim internationalen Raumfahrtkongress IAC in Baku, Aserbaidschan wieder anklingen lassen, worum es ihm beim Starship überhaupt geht. Per Videoschalte sprach er vom ersten Marsflug ohne Astronauten «innerhalb der nächsten vier Jahre». Mittelfristig soll eine Million Tonnen Fracht zum Mars geflogen werden, um dort eine unabhängige Stadt errichten zu können. Langfristig spricht er von Flügen zu den Monden des Jupiter und Saturn bis hin in den Kuipergürtel.
Am realistischsten klang da noch sein Plan, ein riesiges Teleskop ins All zu schiessen, mit einem Spiegeldurchmesser von bis zu neun Metern. Das Hubble-Teleskop hat schon mit 2,4 Metern Durchmesser atemberaubende Bilder aus den Tiefen des Alls gemacht.
Dafür ist ein riesiges Raumschiff wie das 120 Meter grosse zweistufige Starship nötig. Es soll keine Wegwerfrakete werden, wie die bisher grösste Rakete, die Saturn V aus den Sechzigerjahren, sodass die Kosten pro Kilogramm signifikant sinken können. Der Frachtraum «sieht aus wie eine Kathedrale», erzählte Musk. «Es sieht, ehrlich gesagt, absurd aus, absurd gigantisch.» Da scheint für ihn der Nasa-Auftrag, bald die ersten Astronauten seit rund 50 Jahren auf dem Mond zu landen, fast zur Nebensache geworden zu sein.
«Die Entwicklung der Mondlandefähre ist ziemlich dringend»
Ralf Hupertz vom Institut für Raumfahrtantriebe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sieht SpaceX zunehmend unter Zeitdruck, da die Nasa schon 2025 ein umgebautes Starship für die astronautische Mondmission Artemis III nutzen will. «Die Entwicklung der Mondlandefähre ist ziemlich dringend», sagt er. «Deshalb wäre es enorm wichtig, dass das Starship spätestens beim dritten Flug den Orbit erreicht.»
Musk hat allerdings eine andere Philosophie als Agenturen wie Nasa und Esa. «Musk will so schnell wie möglich fliegen, auch wenn nicht alles bis zum Schluss 100-prozentig entwickelt worden ist», sagt Hupertz. Man könnte sagen: learning by doing. Fehlschläge gehören einfach dazu, um Daten zu sammeln.
SpaceX soll für die Nasa mit dem Starship zwei Missionen mit Astronautinnen und Astronauten zur Mondoberfläche bringen und zuvor einen Test ohne Crew fliegen. Ziel ist die Südpolregion, wo die Nasa Eisvorkommen vermutet. Wasser könnte bei Langzeit-Mondmissionen unter anderem für die Herstellung von Treibstoff und Sauerstoff genutzt werden.
Dabei ist offiziell immer noch vorgesehen, dass 2025 erstmals seit 1972 mit Artemis III wieder Menschen auf dem Mond landen sollen. Es wird aber spekuliert, dass dies zu knapp bemessen sei. «Die Nasa ist schon dabei, eine andere Mission für Artemis III vorzubereiten», so Hupertz.
Selbst wenn der Erstflug des Starship bald glückt, hilft ein Blick auf die Roadmap, um zu ahnen, dass womöglich erst zum 60. Jahrestag der Apollo-11-Mondlandung, also 2029, wieder Menschen auf dem Mond forschen werden. Erst vor ein paar Tagen hatte der japanische Entrepreneur Yusaku Maezawa bekannt gegeben, dass seine gemeinsam mit acht Künstlern ebenfalls mit dem Starship geplante einwöchige touristische Mondumrundung nicht wie geplant in diesem Jahr stattfinden wird.
Das Konzept sieht eine Tankstelle im Erdorbit vor
Das Artemis-Programm sieht vor, dass Space-X zunächst eine Art Tankstelle in der Erdumlaufbahn platziert. Eine ganze Reihe von Tank-Starships soll dieses Depot dann auffüllen. Die unbemannte Starship-Mondfähre soll dort später auftanken, bevor sie weiterfliegt, um im Mondorbit die Astronauten aus der parallel gestarteten Orion-Kapsel der Nasa aufzunehmen. «SpaceX braucht das Starship nicht nur als Landefähre, sondern auch als Tanker und Depot. Das sind also drei unterschiedliche Starships, die erst noch entwickelt werden müssen», sagt Hupertz.
Ferner muss vor Artemis III eine Testlandung auf dem Mond ohne Astronauten gelingen. Angesichts der Fehlschläge, die Israel, Japan und Russland jüngst bei dem Versuch erlitten, nur eine Sonde auf dem Mond zu landen, keine triviale Aufgabe. «Irgendwann kommt man an einen Punkt, wo man mit Geld nichts mehr beschleunigen kann», sagt Hupertz. Bisher hat Musk nach eigenen Angaben fast drei Milliarden Dollar investiert. Zum Vergleich: Der Nasa-Auftrag hat ein Volumen von mehr als vier Milliarden Dollar.
Musk ist allerdings optimistisch, was den Zeitplan angeht. Man könne das Starship zwar für Tankerzwecke optimieren, «dies ist aber nicht unbedingt nötig». Und wenn man die Triebwerke zur Landung nutze, könne man überall aufsetzen. «Ich vermute, dass wir mit geringfügigen Modifikationen auf dem Mond landen können.»
Übrigens wird wohl auch Musk-Konkurrent Jeff Bezos nicht früher zum Mond starten können. Seine Raumfahrtfirma Blue Origin hat erst im Mai einen Auftrag der Nasa für ein zweites Mondlandesystem erhalten. Den Vorsprung von SpaceX wird Bezos nicht aufholen können. SpaceX könnte mit seinem System eine Art Autobahn zum Mond etablieren – angesichts der bisher mehr als zehn Mondmissionen, die die Nasa plant, ist eine gewisse Routine auch nötig.
Bei ersten konkreten Starship-Einsätzen will Musk schon 2024 Satelliten für das Breitbandnetz Starlink in den Orbit transportieren. In fünf Jahren rechnet er mit mehreren Starts pro Tag.
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