Asche des Verstorbenen nicht auffindbarFriedhof Wetzikon beerdigt ohne Wissen der Trauernden leere Urne
Als die Beerdigung anstand, fehlte das Gefäss mit der Asche des Verstorbenen. Also begrub man eine Attrappe – und schwieg. «Ein bedauerlicher Einzelfall», sagt die Stadtverwaltung.

Dies ist eine Geschichte über mangelnde Pietät, aber auch über das Vertuschen eines Fehlers, über die Täuschung einer Trauerfamilie und darüber, wie man mit einem Versehen besser nicht umgeht.
Aber beginnen wir von vorn: Im Mai fand auf dem Friedhof Wetzikon die Urnenbestattung von Erwin G. statt (Name der Redaktion bekannt). Eine Trauerfeier im engsten Familienkreis: Der Pfarrer, einige Familienangehörige und Freunde waren vor Ort. Nur einer fehlte: Erwin G. Besser gesagt, die Urne des Verstorbenen.
Wo war die Urne?
Wenige Stunden vor der Beerdigung war die Urne einfach nicht im verschliessbaren Urnenschrank des Friedhofs zu finden.
Das kann durchaus vorkommen, wie verschiedene Quellen bestätigen, und lässt sich in der Regel mit einem Anruf und einer kurzen Autofahrt zum Krematorium oder zum Bestattungsunternehmen korrigieren. Da jeder Urne eine individuelle Nummer beigegeben wird, lässt sich ihr Standort einfach nach- und zurückverfolgen.
In einem Fall wie jenem im Mai könnte der Friedhofsleiter die Angehörigen ins Bild setzen und die Beisetzung verschieben – auch das kommt vor. Der Leiter des Wetziker Friedhofs aber ging einen anderen Weg. Zugutehalten muss man ihm, dass er die Geschäfte damals erst seit wenigen Tagen führte und in dieser Funktion der Nachfolger seiner Mutter ist, die weiter in einem Teilpensum nach dem Rechten schaut.
«Ohne Rücksprache mit den Angehörigen»
Der frisch angestellte Friedhofschef liess also eine Ersatzurne auftreiben und diese beerdigen – ohne Wissen und Einwilligung der trauernden Angehörigen.
«Nach erfolgloser Suche wurde entschieden, symbolisch für den Verstorbenen eine leere Urne zu bestatten. Der Entscheid erfolgte ohne Rücksprache mit den Angehörigen», schreibt die Stadt Wetzikon auf Anfrage.
Die Mitarbeitenden des Friedhofs hätten «die Trauerfamilie in dieser schwierigen Situation nicht mit dem Problem der fehlenden Urne konfrontieren» wollen.

Da in Wetzikon Einheitsurnen begraben werden, fiel das ungewöhnliche Vorgehen des Friedhofsteams nicht auf. Die Trauerfeier fand also statt. Und da weder die kleine Trauergemeinde noch der Pfarrer merken konnten, dass in der beerdigten Urne nicht die Asche von Erwin G. war, könnte die Geschichte hier enden.
Plötzlich taucht die Urne auf
Doch das tut sie nicht. Denn drei Monate später, am 22. August, taucht die Urne mit der Asche von Erwin G. unvermittelt auf. Anscheinend hatte sie sich von Mai bis August im Krematorium Rüti befunden, einem von drei Krematorien im Kanton.
Wie konnte das passieren? Vom Friedhofsteam war nichts zu erfahren. «Ich finde im System keinen Auftrag, am 22. August eine Urne nach Wetzikon zu bringen», so die Auskunft des Bestatters. «Alle Prozesse im Krematorium sind korrekt abgelaufen», sagt auch der Stiftungsratspräsident des Krematoriums.
Auf den konkreten Fall angesprochen, argumentiert er mit dem Persönlichkeitsschutz und gibt an, keine Lust zu haben, seine wertvolle Zeit mit Medienanfragen zu verschwenden.
Angehörige erneut nicht informiert
Die Urne sei Ende August schliesslich im richtigen Grab beigesetzt worden, schreibt die Stadt Wetzikon. Und: «Die Angehörigen wurden über den Vorgang nicht informiert.»
Die zuständige Geschäftsbereichsleitung und die Abteilungsleitung Bevölkerung und Sicherheit seien erst am 24. Oktober – aufgrund der Recherche dieser Redaktion – ins Bild gesetzt worden, teilt die Stadt Wetzikon weiter mit.
Man habe umgehend Abklärungen vorgenommen: «Der Entscheid zur Bestattung einer leeren Urne fiel in bester Absicht. Trotzdem muss im Nachhinein festgestellt werden, dass dieses Vorgehen falsch war. Den Angehörigen wurde die Möglichkeit genommen, selbst über einen zentralen Punkt ihres Abschiedsrituals zu befinden. Sie hätten von Anfang an involviert werden müssen.»
Dies ist mittlerweile geschehen, ebenfalls aufgrund dieser Recherche. Die Stadt Wetzikon spricht von einem «bedauerlichen Einzelfall» und hat eine Administrativuntersuchung in Auftrag gegeben. Erwin G. hat jetzt seine letzte Ruhe gefunden – für die Verantwortlichen kehrt noch ein Weilchen keine Ruhe ein.
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