Blindflug bei AltersheimenDer Bund wird ungeduldig: So steht es um die Massentests
Der Bundesrat will möglichst rasch alle Altersheime durchtesten – dafür hat er Millionen gesprochen. Er wird aber noch länger nicht wissen, ob das auch gemacht wird.
Deutschland hat Monate gebraucht, um präventive Corona-Tests in Altersheimen für Mitarbeiter und Besucher aufzugleisen. In der Schweiz hätte das in drei Wochen geschehen sollen. Zumindest nach Ansicht des Bundesrates. «Es muss noch mehr getestet werden», sagt Gesundheitsminister Alain Berset am Donnerstagabend nach einem Treffen mit der Konferenz der Gesundheitsdirektoren.
Am Vortag hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Anfrage an die Kantone verschickt. Wie sie gedenken, die dringliche Empfehlung zur breiten Testung von asymptomatischen Personen, namentlich in Alters- und Pflegeheimen, umzusetzen, will das Amt von den Kantonen wissen. Die Deadline für die Antwort läuft am Wochenende ab.
Ende Januar hat der Bundesrat entschieden, die Kosten für präventive Tests in Schulen, Unternehmen und Heimen zu übernehmen. Sie sind ein zentrales Element des Schweizer Wegs aus dem Lockdown. Rund eine Milliarde Franken hat der Bund dafür budgetiert. Die Testkapazitäten sind derzeit in der Schweiz bei weitem nicht ausgenutzt.
Für die Durchführung der präventiven Massentests sind aber die Kantone und die betroffenen Einrichtungen zuständig. Bei den Schulen haben bis Ende letzter Woche knapp die Hälfte der Kantone dem Bund mitgeteilt, dass sie auf Massentests setzen. Bei den Altersheimen dagegen wird er noch länger nicht wissen, ob seine Gratistests genutzt werden. Informationen zur Anzahl Tests in den Heimen werde man erst haben, sobald die Abrechnungen aus den Kantonen einträfen, teilt das BAG mit. Umgehend gemeldet werden müssen bei Massentests nur positive Fälle.
Jetzt wird getestet
Eine Umfrage in den Kantonen und bei grösseren Betreibern von Heimen zeigt aber: Es tut sich etwas. Waren vor drei Wochen viele noch überrumpelt vom Entscheid des Bundesrates, wird inzwischen getestet.
«Die präventiven Tests in den Heimen sind eine sinnvolle ergänzende Schutzmassnahme», sagt Susanne Tschopp, Präsidentin der Interessengemeinschaft der privaten Altersheime in der Stadt Zürich. Man sei daran, die präventiven Tests einzuführen. «Einzelne Heime machen das bereits.» Priorität hätten Tests für Mitarbeitende, sagt Tschopp. Einzelne Heime würden aber auch Tests für Besucher einführen.
Nächste Woche startet die Tertianum-Gruppe, die in der ganzen Schweiz Heime betreibt. Bei allen Mitarbeitenden werde wöchentlich ein PCR-Spucktest gemacht, teilt die Sprecherin mit. Bei Besuchern setze man jedoch weiter auf das Messen der Temperatur sowie eine Pflicht für FFP2-Masken.
Primär Mitarbeiter und Bewohner, so lauten auch die Vorgaben aus jenen Kantonen, in denen die Altersheime bereits regelmässig durchgetestet werden. Gestartet hat damit der Pionierkanton Baselland Anfang Januar. In Graubünden sind seit Anfang Februar alle 52 Altersheime verpflichtet, wöchentlich Angestellte und Bewohner durchzutesten.
In Basel-Stadt wird in 10 Heimen mit total über 1000 Bewohnern zweimal wöchentlich getestet. Bei weiteren Heimen liefen die Vorbereitungen. Im Thurgau starten diese Woche die Massentests in den ersten Heimen, knapp die Hälfte will sicher mitmachen. Noch nirgends ist der Kanton Aargau: Ein Pilotversuch für präventive Tests in Heimen ist in Planung.
Viele Kantone überlassen den Heimen den Entscheid, ob sie Tests einführen wollen. In Luzern machten letzte Woche 400 Personen Präventivtests. Alle Ergebnisse waren negativ. In Zürich erwartet die Gesundheitsdirektion Anfang März die Berichte der Heime. Vorher könne man keine Zahlen liefern.
Aus Bern heisst es, viele Heime seien daran, die Massentests einzuführen. Einen Schub erwartet die Gesundheitsdirektion im März, wenn auch in Bern Speicheltests zur Verfügung stehen. Diese seien entscheidend dafür, dass die Angestellten mitmachten, sagt die Zürcher Heimleiterin Susanne Tschopp. Bei Speicheltests muss kein Stäbchen mehr in die Nase eingeführt werden.
Testen trotz der Impfungen
Inzwischen sind schweizweit die meisten Bewohner, die das wollen, mindestens einmal geimpft worden. Die Altersheime plädieren trotzdem dafür, an den präventiven Tests festzuhalten. Sie seien zusammen mit vielen weiteren Massnahmen nach wie vor sinnvoll, sagt der Heimverband Curaviva. Noch sei nicht genügend klar, ob und in welchem Ausmass die Impfstoffe vor einer Übertragung des Virus auf Dritte schütze. Es gelte weiterhin, alles zu unternehmen, um eine dritte Ansteckungswelle zu verhindern, schreibt auch Pro Senectute. Mehr als die Hälfte der Covid-19-Todesfälle haben sich in der Schweiz in Alters- und Pflegeheimen ereignet.
Und: Die Impfbereitschaft bei den Mitarbeitenden ist weiterhin tief, wie Zahlen zeigen, die der Kanton St. Gallen am Donnerstag veröffentlicht hat: Dort haben sich rund 70 Prozent der Bewohner impfen lassen, aber je nach Heim nur zwischen 10 und 40 Prozent des Personals.
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