Bundesgericht zu Corona-MassnahmenBern kriegt Rüffel wegen Demo-Beschränkung auf 15 Personen
Lausanne musste in zwei Fällen entscheiden. Die Demo-Beschränkung in Uri auf 300 Personen war demnach rechtens, jene in Bern nicht.
Das Bundesgericht hat am Freitag die im Zuge der Corona-Pandemie im Kanton Bern vorübergehend gültige 15-Personen-Regel für Demonstrationen nachträglich für unzulässig erklärt. Die Urner Regelung mit maximal 300 Kundgebungsteilnehmern hat es hingegen gestützt.
Die zweite öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat am Freitagmorgen in einer öffentlichen Sitzung in Lausanne zwei Beschwerden gegen Beschränkungen für politische Kundgebungen in den Kantonen Bern und Uri behandelt.
Beide mittlerweile aufgehobenen kantonalen Regelungen sahen stärkere Einschränkungen für Demonstrationen vor, als es die Covid-19-Verordnung des Bundes tat. Diese enthielt keine maximale Teilnehmerzahl für Kundgebungen.
Die Richter haben nun mit einer Mehrheit von 4 gegen 1 entschieden, dass die vom Berner Regierungsrat im November 2020 erlassene Beschränkung auf 15 Kundgebungsteilnehmer gegen die Versammlungsfreiheit verstossen habe. Verschiedene Parteien und Organisationen aus dem linken Spektrum hatten dagegen Beschwerde erhoben.
Praktisch ein Versammlungsverbot
Die Debatte drehte sich hauptsächlich um die Verhältnismässigkeit der Massnahme, welche die Berner Regierung mit der grossen Zahl von in der Bundesstadt durchgeführten Kundgebungen rechtfertigte. Die Mehrheit des Gerichts war aber der Ansicht, dass eine Beschränkung auf 15 Teilnehmer praktisch einem Demonstrationsverbot gleichkomme.
Die Richter haben auch betont, wie wichtig es sei, dass die Leute ihre Meinung kundtun könnten. Gerade in einer Krisensituation müsse die Bevölkerung die Möglichkeit haben, auch ihren Unmut über sie betreffende Massnahmen zu äussern. So habe der Bundesrat auch die Ausnahmeregelung für Demonstrationen in seiner Verordnung begründet.
Der Ermessensspielraum ist beschränkt
Auch wenn das Epidemiengesetz des Bundes den Kantonen einen gewissen Ermessensspielraum bei der Umsetzung von Massnahmen einräumt, können diese gemäss den Bundesrichtern die Vorgaben des Bundes nicht vollständig ausser Acht lassen.
Der unterlegene Richter hingegen vertrat die Meinung, dass politische Versammlung nicht anders behandelt werden sollten als kulturelle, sportliche oder private Anlässe. Mit Blick auf die Gleichbehandlung sei die vom Bundesrat getroffene Unterscheidung deshalb fragwürdig. Die vorliegenden Beschwerden seien somit abzuweisen und die kantonalen Beschränkungen zu bestätigen.
Der Berner Regierungsrat sieht sich trotz der Niederlage «in weiten Teilen bestätigt», wie er am Freitag in einer Mitteilung schrieb. Insbesondere habe das Bundesgericht festgehalten, dass der Kanton Bern bei Kundgebungen über Regelungskompetenzen verfüge.
Beschränkung auf 300 Personen war rechtens
Im Gegensatz zur Berner Regelung akzeptierte das Bundesgericht diejenige des Kantons Uri. Dieser beschränkte die Teilnehmerzahl bei Demonstrationen im März 2021 auf 300 Personen. Der dagegen von einer Privatperson eingereichte Rekurs wurde einstimmig abgewiesen.
Nach Ansicht des Gerichts lag diese Regelung in der Zuständigkeit der Urner Regierung. Zudem habe sie Kundgebungen nicht praktisch vollständig verunmöglicht.
Der Urner Regierungsrat hat den Entscheid des obersten Gerichts «erfreut» zur Kenntnis genommen, wie die Standeskanzlei auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte.
Eine ähnliche Regelung wie in den Kantonen Bern und Uri galt zwischenzeitlich auch im Kanton Zürich. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich entschied anfangs Mai, dass eine Beschränkung auf 15 Teilnehmer nicht zulässig war. Der Regierungsrat zog den Entscheid nicht weiter und hob etwas später auch die damals noch geltende Beschränkung auf 100 Personen auf.
red/Philippe Reichen
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