Bereits gefahrenVolvo elektrifiziert seine Oberklasse
Der schwedische Hersteller bringt mit dem EX90 die Elektroversion des XC90 – und schafft damit gleich ein neues Markenflaggschiff.
Viele Autohersteller haben grosse Ziele in Bezug auf die Elektromobilität verkündet – und rudern nun teilweise wieder ein Stück zurück. Marken wie VW, Mercedes oder Ford haben erkannt, dass die Verbreitung der Elektroautos in vielen Ländern deutlich schleppender vorangeht als angenommen – übrigens auch in der Schweiz, wo in den ersten neun Monaten des Jahres 9,5 Prozent weniger E-Modelle abgesetzt wurden als in der Vorjahresperiode, was einem Marktanteil von 18,7 Prozent entspricht. Ende 2023 lag dieser noch bei fast 21 Prozent.
Auch Volvo hat sich vor drei Jahren noch voll zur Elektromobilität bekannt. Im Sommer 2021 verkündete der damalige CEO Håkan Samuelsson, dass Volvo bis 2030 zum «rein elektrischen Premiumhersteller» werden würde. Noch im Juli 2023 bekräftige Vertriebschef Björn Annwall gegenüber dem deutschen «Manager-Magazin», dass die zum chinesischen Geely-Konzern gehörende schwedische Marke an diesem Ziel «ohne Wenn und Aber» festhalten wolle.
Allerdings gestand Annwall ein, dass man erkannt habe, dass der Markt für Elektroautos härter und kleiner sei als ursprünglich geglaubt. Inzwischen hat auch Volvo die Ziele angepasst: Der neue Volvo-CEO Jim Rowan betonte zwar seinen Glauben an den E-Antrieb, gestand jedoch auch ein, dass es mehr Zeit brauchen werde, um manche Teile der Welt mit dem E-Antrieb zu erschliessen. Man werde deshalb weiterhin auch in die Plug-in-Hybride und Mild-Hybride investieren.
Wesentlich eleganter
Gleichzeitig gibt Volvo aber auch im Bereich Elektroautos kräftig Gas. Endlich erfolgt nun der lange angekündigte und immer wieder hinausgeschobene Marktstart des EX90, des batterieelektrischen Pendants zum weiterhin angebotenen bisherigen Markenflaggschiff XC90. Bisherig deshalb, weil der EX90 sein Verbrenner-Geschwister locker überflügelt. Das fängt schon beim Design an: Die Verwandtschaft ist dem EX90 zwar klar anzusehen, doch er interpretiert die Figur des Oberklassen-SUV wesentlich eleganter und moderner. Und auch der Innenraum – chic, einladend und tadellos verarbeitet – lässt keine Zweifel offen: Dieses Modell wird sowohl die bestehende Kundschaft begeistern als auch viele neue Kunden zur Marke locken.
Mit einer Länge von 5,04 Metern ist der elektrisch angetriebene Siebensitzer ein paar Zentimeter länger als der XC90, wirkt aber wegen der glatt geschliffenen Linienführung eher etwas kompakter. Das Platzangebot ist sehr grosszügig, ausser auf den beiden Sitzen in der dritten Reihe, auf denen man zur Not aber auch als Erwachsener sitzen kann. Dahinter gibt es 310 Liter Stauraum und damit mehr, als die meisten Siebenplätzer auf dem europäischen Markt bieten können. Klappt man die beiden hintersten Sitze um, was vollelektrisch auf Tastendruck erfolgt, steigt das Ladevolumen auf mehr als das Doppelte an. Sind auch die Sitze der zweiten Reihe umgeklappt, passen 1915 Liter ins elegante Heck.
Das topmoderne Cockpit ist – natürlich – rein vegan, die verbauten Stoffe im Innenraum stammen weitestgehend aus rezyklierten Materialien. Ein grosser Touchscreen im Hochformat über der Mittelkonsole für das Android-Infotainmentsystem, ein kleiner Infobildschirm hinter dem Lenkrad und ein grossformatiges Head-up-Display versorgen den Fahrer mit Informationen. Dass man selbst die Aussenspiegel und die Klimafunktionen auf dem Touchscreen einstellen muss, ist nicht sehr benutzerfreundlich – Tesla hat diese Unsitte eingeführt, die inzwischen von vielen Elektroautoherstellern übernommen wurde. Immerhin: Falls die Bedienung während der Fahrt zu sehr ablenkt, hilft ein teilautonomes Assistenzsystem, Unfälle zu vermeiden.
Wie auf einer Wolke
Betreffend Fahrkomfort reiht sich der EX90 hingegen weit vorne ein im Segment. Die erste Ausfahrt auf den ziemlich schlechten Strassen Südkaliforniens war dafür ein guter Test: Der Elektro-SUV rollt erhaben über alle Arten von Unebenheiten hinweg, man schwebt dank der optionalen Zwei-Kammer-Luftfederung quasi wie auf einer Wolke. Auch die Schallisolation ist hervorragend. An Bord ist es flüsterleise, und man kommt so in den vollen Genuss der Soundanlage von Bowers & Wilkens, die wirklich hörenswert ist.
Die Antriebspalette des EX90, der aktuell in den USA vom Band rollt und später auch in China produziert werden wird, passt hervorragend zu diesem Auto und dessen Klientel. Zuoberst rangiert die Allradvariante «Twin Motor Performance AWD» mit satten 380 kW / 517 PS, die in unter fünf Sekunden auf Tempo 100 spurtet. Darunter ist der «Twin Motor AWD» mit 300 kW / 400 PS, ebenfalls mit Allradantrieb und einem Beschleunigungswert von sechs Sekunden. Das frontgetriebene Einstiegsmodell leistet 205 kW / 279 PS und erreicht die 100 km/h nach 8,4 Sekunden.
Hierzulande werden die Allradversionen besonders nachgefragt sein – sie schöpfen ihre Kraft aus einem 111 kWh grossen Akku und schaffen damit bis zu 619 Kilometer Normreichweite. Die Batterie im Basismodell ist etwas kleiner (104 kWh) und ermöglicht bis zu 580 Kilometer. Auf ein 800-Volt-System, das bei Konzernmutter Geely verfügbar wäre, hat Volvo verzichtet – der EX90 nutzt seine 400-Volt-Plattform aber voll aus und saugt an der Schnellladesäule mit bis zu 250 kW. Erhältlich ist der neue Volvo EX90 ab sofort, die Preise starten bei 94’950 Franken für das einmotorige Einstiegsmodell, die Allradversionen kosten ab 107’250 Franken.
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