Umbruch im AutohandelJetzt kommt der bequeme Autokauf übers Internet – dafür steigen die Preise
Den Tesla gibt es schon online, bald kann man so auch einen neuen Mercedes oder BMW bestellen. Was das für die Kundinnen und Kunden bedeutet.
Die Autowelt steht vor einem Umbruch. Bald kann man in der Schweiz nicht nur Teslas im Internet kaufen, sondern auch die Autos deutscher Premiummarken wie Mercedes oder BMW. Zugegeben – die Vorstellung klingt verlockend: am Sonntagnachmittag bequem von der Couch aus mit wenigen Klicks zum neuen Traumauto. Das zeitaufwendige Abklappern verschiedener Händler entfällt, den Kaufvertrag schliesst man gleich online ab.
Doch die Sache hat einen Haken. Denn mit der Umstellung aufs Internet gibt es künftig keine Rabatte mehr. Diese waren und sind durchaus üblich. Mit Nachlässen von mehreren Tausend Franken wollen die Händler Kundinnen und Kunden gewinnen. Sehr zur Freude der Käufer, für die sich das Feilschen trotz Zusatzaufwand am Ende lohnt.
Mit dem Onlineverkauf gibt es künftig jedoch kein Abrücken mehr vom festgelegten Listenpreis. Diesen bestimmt für die gesamte Schweiz der Importeur – in mehr oder weniger enger Absprache mit dem Hersteller im Ausland. Die Autohändler treten nur noch als Agenten auf: Sie beraten die Kunden oder bieten eine Probefahrt an. Für ihre Vermittlungstätigkeit und die Auslieferung der Fahrzeuge erhalten sie eine Provision. Auf den Preis haben sie keinen Einfluss mehr, denn Vertragspartner für die Konsumentinnen und Konsumenten ist der Importeur.
Testläufe im Ausland, die Schweiz soll folgen
Im Ausland ist dieses sogenannte Agenturmodell für Elektroautos bereits Realität. Mercedes-Benz hat den Direktvertrieb weltweit bereits in acht Märkten eingeführt, darunter in Österreich und Schweden. Weitere Länder sollen folgen. Ab Ende Mai ist die Umstellung auch für den Heimatmarkt Deutschland geplant. Der Zeitpunkt für die Schweiz sei noch nicht festgelegt, so ein Sprecher.
BMW hat ebenfalls einen schrittweisen Umstieg angekündigt: zunächst ab 2024 für die Konzernmarke Mini in Europa und ab 2026 für die Kernmarke BMW. Volkswagen verkauft einen Teil seiner Elektroautos im Ausland ebenfalls bereits über dieses Modell. Ob, wann und für welche der Konzernmarken VW, Audi, Skoda, Seat, Cupra und Bentley der Direktvertrieb in der Schweiz eingeführt werde, sei offen, sagt ein Sprecher des VW-Importeurs Amag.
Ausgangspunkt für die Änderung ist die zunehmende Bereitschaft vieler Kundinnen und Kunden, Autos übers Internet zu kaufen. Heute informieren sich bereits viele Käuferinnen und Käufer online, bevor sie den Weg zum Händler antreten. Den Autobauern selbst waren die teils grosszügigen Rabatte ohnedies seit langem ein Dorn im Auge. Sie wollen den Preis für ihre Premiummodelle lieber hoch halten.
Doch das gelang ihnen in der Vergangenheit nur begrenzt. Denn üblicherweise verkaufen sie die Autos für den Schweizer Markt zunächst an einen Importeur, und dieser verkauft sie weiter an die Händler.
Vorreiter Tesla hat die Preise jüngst wieder erhöht
Elon Musks Elektroautohersteller Tesla hat das neue Modell vorgemacht. Wer dort ein Auto kauft, kann das komplett im Internet tun – und das seit Jahren. Das funktioniert auch deshalb gut, weil die Kundschaft von Tesla technikaffin ist und sich damit online gut zurechtfindet. «Grundsätzlich ist ein Autokauf eine emotionale Sache», sagt Azren Rastoder, der bei der Analysefirma Auto-i-dat den Schweizer Fahrzeugmarkt beobachtet. «Bisher bezog sich die Emotion stark auf die Marke und sinnliche Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Motor. Neuerdings gehört zur Emotion auch, dass man einer neuen Technologie Vorschub leistet und zu einer Vorhut gehört. Diese Kunden sind eher bereit, auch neue Vertriebsmodelle zu akzeptieren.»
Einen separaten Importeur für die Schweiz oder ein Händlernetz hat Tesla nicht – dafür aber die alleinige Hoheit über die Autopreise. Das zeigte sich zu Jahresbeginn, als Tesla auf einen Ruck die Preise senkte. Mit dem Manöver wollte Elon Musk die Nachfrage ankurbeln, um seine Fabriken besser auszulasten. Wer vorhatte, sich einen neuen Tesla zu kaufen, der profitierte. Wer seinen Neuwagen erst kürzlich gekauft hatte oder einen gebrauchten Tesla verkaufen wollte, hatte das Nachsehen. Denn mit dem Preisrutsch waren auf einen Schlag auch die Gebrauchtwagen weniger wert.
Die Preissenkungen sind jedoch kein Automatismus – es geht auch andersrum: Anfang Mai erhöhte Tesla die Preise für einige Modelle wieder. In der Schweiz wurden das Model Y mit Heckantrieb und das meistverkaufte Model Y mit Allradantrieb und maximaler Reichweite jeweils um 1000 Franken teurer.
Musk begründete das Auf und Ab mit der aktuellen Auslastung der Produktion und der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung. Tesla überprüfe die Preise laufend, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Anlegern. Mit dem Vertrieb übers Internet ist die Anpassung unkompliziert möglich.
Noch ist die Umstellung nicht für alle Marken ein Thema – bei einigen bleibt es vorerst beim Verkauf über die Händler, mitsamt möglichen Rabatten. Renault hat angekündigt, am Vertrieb über die Händler festzuhalten.
Emil Frey lässt das weitere Vorgehen offen. Das Unternehmen ist in der Schweiz Importeur für Marken wie Toyota, Kia, Peugeot, Citroën, Mitsubishi, Suzuki, Subaru, Opel, Lexus und Land Rover. Grundsätzlich sei das ein Thema der Hersteller, sagt ein Emil-Frey-Sprecher. Zurzeit sei es zu früh, um konkret Stellung zu nehmen, welche Hersteller in welchen Ländern zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form vorgehen möchten.
Reparatur- und Wartungsstandorte auch künftig gefragt
Die Autohändler sind dennoch aufgescheucht. Zwar bietet der Umstieg auf das Agenturmodell für sie auch Vorteile. Schliesslich müssen sie die Fahrzeuge nicht mehr auf eigene Rechnung kaufen und haben damit ein geringeres finanzielles Risiko. Zudem können sie ihre Beratungsdienstleistungen verrechnen. Ob das ertragreich ist, hängt allerdings von der Höhe der Provision ab. Zudem befürchten die Händler, dass die Hersteller und Importeure mit der Zeit ihre Händlernetze ausdünnen könnten.
Ohne Reparatur- und Wartungsstandorte geht es aber auch künftig nicht, wie das Beispiel von Tesla zeigt. Der Elektroautobauer hat in der Schweiz zwar keine Händler, aber neun eigene Dienstleistungszentren sowie Vertragspartner für Karosseriearbeiten. Wenn nötig, kommt der Mechaniker auch vorbei.
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