Machtkampf bei den Cinque StelleBeppe Grillo ringt um seinen Thron
Sie nennen ihn den «Erhabenen»: Nun droht dem Parteigründer der Fünf Sterne eine Stutzung. Italiens früherer Premier Giuseppe Conte will die Bewegung normalisieren.
Wenn Beppe Grillo, Komiker und Politiker in seltsam unausgewogener Personalunion, jeweils aus seinem Genua nach Rom fährt und immer in demselben Hotel bei den Kaiserforen absteigt, erfasst die Parlamentarier und Minister seiner Partei Cinque Stelle immer eine besondere Gefühlsmischung – etwas aus Aufregung und Sorge, in der Summe fiebrig. Grillo, bald 73, ist unvorhersehbar: kein Auftritt ohne Querschläge, Zornausbrüche, Kapriolen.
Und doch bleibt er für viele eine quasireligiöse Inspirationsquelle. Sie nennen ihn auch «L’Elevato», den Erhabenen, als schwebte er über allem. Das mag merkwürdig klingen für eine Partei, die sich rühmt, aus der Basisdemokratie ihre Essenz zu ziehen. Und natürlich ist es genau das: sehr merkwürdig.
Contes Erneuerungsversuch über das Statut
Nun ist Grillo wieder mal in Rom, diesmal gewissermassen in eigener Mission. Da versucht nämlich jemand, seinen Status zu stutzen. Giuseppe Conte, zuletzt für zweieinhalb Jahre und bis Februar italienischer Ministerpräsident, soll neuer «Capo politico» der Partei werden. Während seiner Zeit als Regierungschef war er noch nicht einmal ein eingeschriebenes Mitglied der Cinque Stelle gewesen, obschon ihn die ins Amt befördert hatten.
Nun will er die Partei rundum erneuern, sie in der politischen Mitte verankern, ihr Strukturen geben, einen richtigen Sitz auch. Dafür schreibt er das Statut um, ordnet die Machtverhältnisse neu, demokratisiert die Spitze. 32 Seiten sind zusammengekommen. Sobald eine Einigung gefunden ist, will er das Papier den Mitgliedern in einer Onlineabstimmung unterbreiten und gleich auch die Vertrauensfrage stellen – für sich.
Doch das Papier missfällt Grillo, vor allem der Part, der von seinen Befugnissen handelt. Bisher war es so, dass Grillo als sogenannter Garant der Partei immer das letzte Wort hatte, in allem. Das konnte auch mal zur Folge haben, dass er eine Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Genua, die sich in einer Urwahl durchgesetzt hatte, einfach rauswarf, weil sie ihm nicht passte.
Drei Allianzen in drei Jahren, recht selbstherrlich beschlossen
Er beschliesst auch recht selbstherrlich, mit wem sich die Cinque Stelle zusammenschliessen, um zu regieren. Mal mit der rechtsextremen Lega, dann mit den einst verhassten Sozialdemokraten, neuerdings mit Mario Draghi, den viele Leute in seiner Partei früher für das Übel in Person hielten. Drei Allianzen in drei Jahren. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Cinque Stelle sich eigentlich nie mit Vertretern aus dem alten Establishment zusammentun wollten. Nun regieren sie, auf Geheiss von Grillo, mit dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank. Nach dem neuen Statut soll Grillo nicht einmal mehr einen Post auf dem Blog publizieren können, bevor er ihn der Parteispitze gezeigt hat. Solche Kontrolle erlebt er natürlich als mittlere Majestätsbeleidigung.
«Ich bin der Garant und kein Vollidiot.»
Und so versammelte er nun die Fraktionen um sich, zuerst die in der Abgeordnetenkammer, dann die im Senat, um seine Stellung zu verteidigen. 237 Parlamentarier zählt die Partei insgesamt, seit der Parlamentswahl 2018 ist sie die grösste von allen. Conte war nicht dabei, er sitzt ja auch nicht im Parlament. «Ich bin der Garant und kein Vollidiot», sagte Grillo zum Auftakt und erhielt dafür den ersten Applaus, wie die Teilnehmer später den Zeitungen erzählten. Und: «Conte braucht mich, ich brauche Conte nicht.» Conte sei ein rationaler Mann, er dagegen sei ein Visionär. Ohne Vision sei alles nichts. Dann gab es aber auch noch Lob für Conte, der sei «ganz ausserordentlich» und «unbescholten». Es war wie immer: eine Show mit Pointen in alle Richtungen.
Und was wäre, wenn Conte seine eigene Partei gründen würde?
Der Machtkampf hat eben erst begonnen, noch ist viel Taktik drin. Conte drohte schon damit, seine eigene Partei zu gründen, in Konkurrenz zu den Cinque Stelle, sollte Grillo nicht einlenken. Er bleibt sehr populär, im Volk und in einem Teil der Partei. Zehn Prozent – so gross könnte der Wähleranteil Contes sein, wenn er das Solo wagen würde. Es gibt auch Erhebungen, die seine Aussichten noch höher bewerten, während der Zuspruch der Cinque Stelle ohne Conte in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken ist.
Grillo brachte für seinen Auftritt vor den Parlamentariern das neue Logo der Partei mit. Unter den gelben Sternen steht jetzt «2050», eine Jahresmarke als optimistischer Horizont. Das Logo gehört Beppe Grillo persönlich, dem Erhabenen – noch jedenfalls, so steht es im bisherigen Statut.
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