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10 Fragen zur Wahl in Deutschland
Kanzler-Frage, AfD-Aufstieg: Das steht jetzt auf dem Spiel

Dressed in a traditional Bavarian costume, Bavaria's State Premier and leader of the Christian Social Union (CSU) party Markus Soeder, speaks on Patron's Day in Gmund village, southern Germany, on May 7, 2023. Every year, the Bavarian mountain riflemen traditionally meet on Patron's Day. (Photo by Christof STACHE / AFP)
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Wer wählt wo?

Bayern und Hessen sind zwei grosse, wirtschaftlich starke Bundesländer. In Bayern mit der Metropole München leben auf etwas weniger als der doppelten Fläche der Schweiz 13,4 Millionen Menschen, in Hessen mit der Metropole Frankfurt auf der halben Fläche der Schweiz 6,4 Millionen. Insgesamt ist heute also fast jeder und jede Vierte der 84 Millionen Deutschen zur Wahl aufgerufen.

Warum ist die Wahl wichtig?

Die Wahl der besagten Landesparlamente markiert die Halbzeit der sogenannten Ampel-Regierung in Berlin: Der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz regiert Deutschland seit Dezember 2021 zusammen mit Grünen und FDP. Die heutige Wahl wird von vielen Medien als «kleine Bundestagswahl» interpretiert, in der das Volk den Parteien von Regierung und Opposition Zwischenzeugnisse ausstellt.

Welcher Ausgang wird erwartet?

Gemäss Umfragen waren zuletzt vier von fünf Deutschen unzufrieden mit der Regierung in Berlin. Die SPD von Kanzler Scholz ist seit der Bundestagswahl von 26 auf 17 Prozent gefallen, sie liegt hinter den Christdemokraten (CDU/CSU) und der Alternative für Deutschland lediglich auf Rang 3. So schwach war eine Kanzlerpartei zur Mitte der Legislatur noch nie. Weil die Stimmung im Land in der Regel auch die Wahlen in den Bundesländern stark beeinflusst, werden in Bayern und in Hessen deutliche Verluste für die Sozialdemokraten erwartet, in geringerem Masse auch für FDP und Grüne.

A tram is pictured behind an election poster showing German Interior Minister Nancy Faeser, SPD top candidate for the state parliamentary elections in Frankfurt am Main, western Germany, on September 28, 2023. State parliamentary elections in Hesse are scheduled for October 8, 2023. (Photo by Kirill KUDRYAVTSEV / AFP)

In Bayern regiert die CSU seit 1957, in Hessen die CDU seit 1999 – beide Bundesländer werden auch nach den Wahlen von Christdemokraten dominiert bleiben. Die SPD könnte in Bayern erneut unter die 10-Prozent-Grenze fallen und erstmals als fünftstärkste Partei enden. In Hessen hoffte die SPD, dank ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser der CDU das Ministerpräsidentenamt streitig zu machen. Jetzt muss die Partei der Bundesinnenministerin froh sein, wenn sie – 15 Prozentpunkte hinter den Christdemokraten – noch auf Platz 2 (statt auf Platz 3 oder 4) landet.

Die FDP könnte mit weniger als 5 Prozent Stimmenanteil in beiden Bundesländern aus dem Landtag fallen – in Hessen wäre es das erste Mal seit 1982. Gute Resultate erwartet die AfD, die vom Unmut über die Bundesregierung bislang am meisten profitiert: Seit Herbst 2022 ist sie in den nationalen Umfragen von 10 auf 20 Prozent gestiegen.

Welche Folgen hätte ein Debakel für den Kanzler und die Regierung?

Abgesehen davon, dass eine Wahlblamage das Ansehen weiter schmälert, wird sich an der Oberfläche zunächst vermutlich wenig ändern. Kanzler Scholz gilt als einer, der – ähnlich wie seine Vorgängerin Angela Merkel – Krisen möglichst aussitzt. Hinter den Kulissen dürfte sich der Streit zwischen den Regierungsparteien aber noch einmal deutlich verschärfen.

epa10898950 German Chancellor Olaf Scholz attends the weekly cabinet meeting of the German government at the Chancellery in Berlin, Germany, 04 October 2023.  EPA/HANNIBAL HANSCHKE

Vor allem die FDP geriert sich in der Ampel schon länger als Opposition, der die Aufgabe zukommt, Grüne und SPD daran zu hindern, die Politik umzusetzen, für die sie gewählt wurden. Das provoziert am meisten die Grünen, fordert aber auch die Führungsansprüche des Kanzlers heraus. Dass die Regierung vor der geplanten nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 zerbricht, erwartet dennoch so gut wie niemand.

Programmatisch absehbar ist vor allem eine Reaktion: Die Ampel wird sich, allenfalls sogar zusammen mit CDU und CSU, zusammenraufen, um die Asylgesetze zu verschärfen. Dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnehmen soll als bisher, finden gemäss Umfragen zwei von drei Deutschen.

Wie sieht die Lage in Bayern aus?

Germany's Christian Social Union CSU party leader and top candidate, Bavarian State Premier Markus Soeder looks on during an election campaign event at a restaurant in the village of Egling, southern Germany, on September 27, 2023, ahead of the Bavarian state election to be held on October 8, 2023. (Photo by Christof STACHE / AFP)

Die CSU von Ministerpräsident Markus Söder wird klar stärkste Partei bleiben, die Frage ist eher, wie gut oder wie mickrig ihr Sieg ausfällt. Die letzten Umfragen sehen die Partei bei 36 oder 37 Prozent, nahe an dem historisch schlechten Landtagswahlergebnis von 2018. Ein besseres Resultat wäre für Söder ein Erfolg, ein schlechteres eine Schlappe.

Besonders ist, dass es die CSU gleich mit zwei starken Konkurrenten rechts von ihr zu tun hat: Die Freien Wähler von Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger und die AfD ziehen jeweils 15 Prozent der Stimmen an. Insgesamt wählen in Bayern rund 70 Prozent der Menschen eine Partei rechts der Mitte. Söder hat bereits angekündigt, seine «bürgerliche Regierung» mit Aiwangers Freien Wählern fortsetzen zu wollen.

Was bedeutet ein Sieg für Söder?

Das hängt eben davon ab, wie hoch dieser ausfällt. Je besser das Ergebnis, umso mehr dürfte sich der 56-Jährige in der Ambition gestärkt sehen, im nächsten Jahr erneut nach der Kanzlerkandidatur von CDU und CSU zu greifen. Söder bleibt in der Union aber auch ein Machtfaktor, wenn sein persönlicher Anspruch nach einem schwachen Wahlergebnis gestutzt sein sollte.

Warum sind Aiwangers Freie Wähler so stark?

Hubert Aiwanger, leader of the Free Voters (Freie Waehler) party and also Bavaria's Economy Minister and deputy State Premier, reacts after delivering a speech during an election rally in Mainburg, southern Germany on October 5, 2023, ahead of the Bavarian State election on October 8. (Photo by Christof STACHE / AFP)

Unter Aiwanger haben die Freien Wähler nicht nur gezeigt, dass sie in der bayerischen Staatsregierung mittun können, er hat sie auch geschickt als populistische Kraft rechts von der CSU und links von der AfD positioniert. Sein politisches Angebot kommt vor allem auf dem Land gut an.

Zuletzt profitierte Aiwanger zudem von Berichten, er sei als Gymnasiast ein Neonazi gewesen. Viele Konservative halten die Vorwürfe für erfunden, übertrieben oder irrelevant und wählen die Freien Wähler nun erst recht. Mit ein bisschen Glück schafft Aiwangers Partei auch in Hessen den Sprung in den Landtag – und 2025 als nationale «Bauernprotestpartei» sogar in den Bundestag?

Wie ist die Lage in Hessen?

Hesse's State Premier Boris Rhein of the conservative Christian Democratic Union (CDU) attends an election rally on October 5, 2023 in Fulda, central Germany, as he campaigns ahead of regional elections in the western federal state of Hesse. German Chancellor Olaf Scholz's troubled coalition is expected to take a hit at two major state polls that come halfway through its term, while the far-right is set for new gains. Almost 14 million voters are eligible to cast ballots on Sunday, October 8, 2023 in southern Bavaria, the country's biggest state, and western Hesse, with a surge in immigration and economic woes among key topics. (Photo by Kirill KUDRYAVTSEV / AFP)

Nach einem wenig aufregenden Wahlkampf steht die CDU des seit sechzehn Monaten regierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein vor einem klaren Sieg. Anders als Söder in Bayern mied Rhein Polemik und vertraute ganz darauf, dass der Unmut über die Ampel-Parteien in Berlin seine Konkurrenz vor Ort klein halten würde. Rhein wird sich nach der Wahl aussuchen können, ob er weiter mit den Grünen seines Stellvertreters Tarek Al-Wazir oder lieber mit den Sozialdemokraten regiert.

Was passiert mit Nancy Faeser?

Die Bundesinnenministerin ist Spitzenkandidatin der SPD in Hessen, hat aber bereits angekündigt, dass sie ihr Amt in Berlin demjenigen der Oppositionsführerin in Wiesbaden vorzieht, sollte sie nicht Ministerpräsidentin werden. Davon ist Faeser nach vielen Fehlern weit entfernt – so weit, dass die Opposition von Kanzler Scholz bereits verlangt, dass er sie auch als Innenministerin entlässt. Sie habe, so das Argument, nach der Wahlblamage auch für dieses Amt nicht mehr die nötige Autorität. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass Scholz dieser Forderung folgt.

Wo wird als Nächstes gewählt?

Im Juni 2024 folgen zunächst die Europawahlen – traditionell eine Gelegenheit, um eine missliebige Regierung abzustrafen. Die nächsten Landtagswahlen finden im September 2024 in den östlichen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. In all diesen Ländern ist gemäss Umfragen derzeit die AfD stärkste Partei.