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Fackelmärsche am Freitagabend
Zürcher Bauern protestierten auch nach Milchpreiserhöhung

Die Bauern protestieren mit einer Mahnwache auf dem Lindenplatz am Freitag, 1. MAerz 2024, in Buelach. Foto: Christian Merz
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Zahlreiche Bauernfamilien sind am Freitag dem Aufruf des Zürcher Bauernverbands (ZBV) zu Mahnmärschen in Affoltern am Albis, Bülach und Hinwil gefolgt. Sie zogen mit Glockengeläut und Fackeln zum jeweiligen Zielort, wo ein Mahnfeuer entfacht wurde. Gemäss ZBV hatten insgesamt rund 1000 Personen ihre Teilnahme angekündigt. In der Stadt Zürich fanden aus verkehrstechnischen Gründen keine Fackelmärsche statt.

Wichtigste Forderung des ZBV war eine Erhöhung des Richtpreises für Milch um 4 Rappen pro Liter. Der Branchenverband Milch hat am Freitag eine Erhöhung um 3 Rappen pro Liter bekanntgegeben. Für den ZBV «ein später Schritt in die richtige Richtung». Vollumfänglich zufrieden sein könne man damit nicht. Deshalb habe man an den bereits zuvor angekündigten Mahnmärschen festgehalten. Um dem Teilerfolg der Preisanpassung Rechnung zu tragen, wurden aber gezielt Dankes-Tafeln mitgeführt.

Es waren die ersten organisierten Bauernproteste im grösseren Rahmen in der Region. Die Bewegung ist von der EU in die Romandie und jetzt in die Deutschschweiz geschwappt. 

Mit diesem Logo wirbt der Zürcher Bauernverband für die Mahnmärsche am Freitagabend.

Klimakleber als Vorbild

Pascal Krebs ist am Freitagabend mit einer Fackel durch Hinwil gezogen. Der Präsident der Junglandwirte-Vereinigung findet es sehr gut, dass die Zürcher Bauern «endlich» protestieren. Er sagt aber: «Wir Jüngeren sind nicht so Fan von den Mahnmärschen. Wir würden gern extremer vorgehen.»

Farmers organize themselves to form a giant "SOS" distress signal with their tractors as coordinated stunt replicated in various locations across Switzerland, protesting against their work conditions and here specifically the price of milk, echoing numerous protests accross Europe in the recents weeks, in a field between the villages of Echallens and Goumoens-la-Ville, Switzerland, Thursday, February 29, 2024. (KEYSTONE/Valentin Flauraud)

Pascal Krebs ist 28 und hat den Landwirtschaftsbetrieb seines Vaters in der Forch übernommen. Die Bauern würden von den Detailhändlern belächelt, sagt er. Auf seinem Hof sei Werbung für Butter und Fleisch gedreht worden. Der Milchverarbeiter Emmi wirbt mit seinem Gesicht. «Für das nehmen sie uns gern», sagt Krebs. «Doch mehr bezahlen wollen sie nicht.» Am Donnerstag hat Emmi einen Gewinn von mehr als 258 Millionen Franken ausgewiesen. Zwei Prozent mehr als im Jahr davor. 

So wirbt Emmi mit dem Zürcher Jungbauern Pascal Krebs.

Pascal Krebs sagt, jüngere Zürcher Landwirtinnen und Landwirte hätten sich gern schon früher den europäischen Bauernprotesten angeschlossen. Barrikaden bei Detailhändlern und Lieferanten, etwa beim Zürcher Engrosmarkt, wären für ihn eine Option. Die Klimaaktivistinnen hätten zwar viele Menschen genervt, als sie sich auf die Strasse klebten, sagt Krebs. Aber die Politik sei immerhin auf sie aufmerksam geworden.

Bauern Protest mit Traktoren am 16.02.2024 in Schüpbach. Foto: Raphael Moser / Tamedia AG

Der Präsident des Schweizer Bauernverbands, Markus Ritter, legt das Beispiel der Klimakleberinnen genau anders aus. «Solche Aktionen schaden», sagte er dieser Zeitung. Die Aktionen müssten bewilligt sein und dürften weder die Bevölkerung noch den Verkehr stören.

SVP-Nationalrat Martin Haab lief heute in Affoltern am Albis mit einer Fackel mit. «Wir wollen die Leute nicht verrückt machen», sagt er. Ein Traktorenkorso kommt für ihn momentan nicht infrage. «Doch wenn sich nichts ändert, gibt es sicher weitere Eskalationsstufen», sagt Haab, der auch Präsident des Zürcher Bauernverbands ist. Es sei auf jeden Fall wichtig, Druck zu erzeugen. «Sonst passiert gar nichts. Sonst bekommen wir nie fünf Prozent mehr für unsere Radiesli.»

Martin Haab, SVP-ZH, begruendet seinen Vorstoss fuer ein Importvebot von Gaenseleber, Foie Gras, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 14. September 2023 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Warum die Proteste in der EU dreckiger sind

Der Zürcher Bauernverband fordert, dass seine Abnehmer fünf bis zehn Prozent höhere Preise für die Produkte zahlen. Dies sei nötig, um die steigenden Energiepreise und die Kosten für die aufwendigen Massnahmen für die Förderung der Biodiversität zu decken.

In der Westschweiz versammelten sich Landwirtinnen und Landwirte am Donnerstagabend mit ihren Traktoren und formten ein SOS. In der Kommentarspalte dieser Zeitung schrieb jemand: «Höchste Subventionen kassieren und dann noch freche Forderungen stellen.»

Manuela Meier vom Bruederhof in Bachenbülach nervt sich über solche Kommentare, denn sie zeigten, wie wenig die Bevölkerung über das Direktzahlungssystem Bescheid wisse. Zur allgemeinen Lage sagt sie: «Klar ist die Situation der Bauern in der EU noch prekärer.» Aber auch die Schweiz sei auf einem ähnlichen Weg. «Das schleckt keine Geiss weg.»

Farmers form a giant "SOS" distress signal with their tractors as coordinated stunt replicated in various locations across Switzerland, protesting against their work conditions and here specifically the price of milk, echoing numerous protests accross Europe in the recents weeks, in a field between the villages of Echallens and Goumoens-la-Ville, Switzerland, Thursday, February 29, 2024. (KEYSTONE/Valentin Flauraud)

Martin Haab sagt, dass die Sorgen in der EU und in der Schweiz die gleichen seien. Ein Landwirt, der Weizen herstelle, bekomme heute nur noch sieben Rappen vom Franken, der fürs Brot verlangt werde. Das sei einfach zu wenig. Die Margen der Detailhändler seien unverschämt. Vor allem bei den Massnahmen zur Förderung der Biodiversität unterscheide sich die Schweiz von der EU. Hier seien diese stetig erhöht worden, in der EU auf einen Schlag. «Deshalb sind die Proteste dort dreckiger», sagt Haab.

Pascal Krebs erzählt von einem Höck der Junglandwirte. Ein 16-Jähriger, der im zweiten Lehrjahr sei, habe ihm erzählt, dass sein Vater ihn gefragt habe, warum er sich diesen Beruf überhaupt antue: viel Arbeit, viel Kritik, wenig Wertschätzung. Er habe versucht, dem Jugendlichen die Privilegien des Bauernseins zu erklären. Und das Glück.

Ganz leicht sei ihm das nicht gefallen.

SDA/tiw