K.-o.-Tropfen in Basler Szenelokal«Ab 1 Uhr nachts habe ich keinerlei Erinnerung mehr»
Mehrere Personen wurden in der Silvesternacht im linken Lokal Hirscheneck Opfer von K.-o.-Tropfen. Zwei Betroffene berichten.

- Im linken Basler Szenelokal Hirscheneck wurden in der Silvesternacht mehreren Personen K.-o.-Tropfen verabreicht.
- Zwei der Betroffenen können sich laut eigenen Aussagen an grosse Teile der Nacht nicht mehr erinnern.
- Unter den Begriff K.-o.-Tropfen fallen verschiedene betäubende Substanzen, die oftmals unbemerkt in Getränke gemischt werden.
Im linken Basler Szenelokal Hirscheneck wurden am Silvesterabend mehreren Personen K.-o.-Tropfen verabreicht. Dies machte das «Hirschi» am Montag publik. Wie die Verantwortlichen auf Anfrage berichten, ist eine Person positiv auf Betäubungsmittel getestet worden. Mehrere Personen hätten zudem typische Symptome wie Schwindel, Orientierungslosigkeit und Gedächtnisverlust gezeigt.
«Eigentlich wollte ich es ruhig angehen lassen. Ich war mitten in der Prüfungsphase und habe daher bewusst nur wenig Alkohol getrunken», erzählt die 19-jährige Annina P. (Name geändert) Neben einem Glas Wodka Mate, das sie bei einer Freundin zu Hause konsumiert habe, habe sie später im Szenelokal am Bier eines Freundes genippt und zum Anstossen «ungefähr ein Drittel» von ihrem Glas Sekt getrunken.
«Ab diesem Punkt erinnere ich mich nicht mehr an viel. Ich weiss nur noch, dass sich plötzlich alles gedreht hat», erzählt die Studentin dieser Redaktion. «Ich kann mich nur noch an einige Gesichter erinnern, habe jedoch keinerlei Erinnerung daran, worüber ich gesprochen oder was ich bis vier Uhr nachts gemacht habe.»
«Ich weiss, wie ich auf Alkohol reagiere»
Gegen 4 Uhr früh sei sie mit einer Freundin zu sich nach Hause gegangen, erinnert sich die Studentin. «Am nächsten Morgen bin ich mit dem Kater meines Lebens aufgewacht. Ich lag den ganzen Tag im Bett und musste mich mehrmals übergeben.» Dies sei extrem beunruhigend gewesen. «Ich weiss, wie ich normalerweise auf die Menge Alkohol reagiere, und das war definitiv nicht normal für mich.»
Kurz habe sie in Erwägung gezogen, sich in einem Spital abklären zu lassen. «Aber ich dachte, ich bin einfach paranoid, und habe es dann gelassen.» Ein Bericht in der BaZ über die Vorfälle in der Silvesternacht habe ihr die Augen geöffnet. «Seitdem bin ich mir recht sicher, dass ich davon betroffen war.»
Nun sei sie «hässig» und schockiert: «Mir wurde mit diesem Übergriff meine körperliche Autonomie genommen. Jemand hat für mich entschieden, welche Substanz ich zu mir nehme.» Als junge Frau habe sie das Erlebte zutiefst verunsichert. «Der Vorfall hat mir ein Stück weit bewusst gemacht, dass man im Ausgang nie komplett loslassen kann, egal wie sicher man sich fühlt. Das ist ernüchternd.»
18-Jähriger trinkt nichts – und erleidet Filmriss
Betroffen war auch der 18-jährige Schüler Lukas N. (Name geändert), wie er gegenüber dieser Redaktion berichtet. «Gegen Mitternacht war ich beim Hirscheneck. Ab 1 Uhr nachts habe ich keinerlei Erinnerung mehr, was in dem Lokal passiert ist.» Seine letzte Erinnerung sei im Innern des Basler Clubs gewesen. «Später wurde mir von Freunden gesagt, dass ich wild getanzt und um mich geschlagen hätte», erzählt der Schüler.
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Er könne sich erinnern, wie er gegen 2 Uhr vor der Haustür seinen Vater angerufen habe. «Ich hatte eigentlich einen Schlüssel dabei, aber habe es offenbar nicht geschafft, die Tür zu öffnen.» Dieser habe angenommen, dass sein Sohn stark betrunken sei. «Ich habe im Lokal jedoch nichts getrunken», so Lukas. Er habe zwar, bevor er in den Club aufgebrochen sei, Bier getrunken. «Aber das hätte unmöglich einen solchen Filmriss bei mir auslösen können.»
Rückwirkend vermute er, dass er dort Opfer des sogenannten Needle-Spiking geworden sei – dabei handelt es sich um Substanzen, die Personen ohne ihr Wissen, meist an überfüllten Orten wie Tanzflächen, per Nadel unbemerkt injiziert werden.
Dieser Verdacht sei ihm jedoch erst einige Tage später gekommen – als er ähnliche Erfahrungsberichte von anderen gehört habe, die an Silvester ebenfalls im linken Szenelokal gewesen seien. Abklären lassen habe er seinen Zustand nicht. In der Zwischenzeit habe er jedoch bei der Polizei Anzeige erstattet.
Gefährliche Substanz macht Opfer wehrlos
Unter den Begriff K.-o.-Tropfen fallen verschiedene betäubende Substanzen, die oftmals unbemerkt in Getränke gemischt werden. Eine bekannte K.-o.-Substanz ist die sogenannte Gammahydroxybuttersäure (GHB), jedoch wird beispielsweise auch Ketamin verabreicht. Immer wieder werden zudem Fälle bekannt, in denen die Substanzen heimlich mit einer Nadel gespritzt werden. Ziel ist meist, die Opfer in einen wehrlosen Zustand zu versetzen.
Wie viele Personen in der Schweiz jährlich so ausgeknockt werden, lässt sich nur schwer abschätzen. Wie die beiden Basler Fälle zeigen, dürfte die Dunkelziffer eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen: Die Symptome von K.-o.-Tropfen und einer Alkoholisierung sind nur schwer voneinander zu unterscheiden. Zudem lassen sich herkömmliche K.-o.-Tropfen mittels normaler Tests nur wenige Stunden lang nachweisen.
Zeichen, dass man durch K.-o.-Tropfen vergiftet worden sein könnte, sind: plötzliche Übelkeit, Schwindelgefühl, Wahrnehmungsschwierigkeiten, Dämmerzustand («wie in Watte gepackt»), Gefühle der Willenlosigkeit, Einschränkung der Beweglichkeit bis hin zu Reglosigkeit und Erinnerungsstörung.
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