Gute-Luft- und Zukunfts-InitiativeWie grün soll Basel sein?
Weniger Strassen, viel mehr Grünflächen: In Basel wollen zwei Initiativen die Stadt radikal umbauen. Die Initiativen sind der Start einer nationalen Kampagne. Die Gegner sehen vor allem eines: den bedrohten Autofahrer.
Ist Basel bald die grünste Stadt der Schweiz?
Tonja Zürcher fände das gut. Denn heute bezeichnet sie die drittgrösste Stadt der Schweiz als grau. Dominiert vom Asphalt.
Die Basler Grossrätin der Linksaussen-Partei Basta wählt gerne dramatische Worte. «Die Welt steht am Abgrund», heisst es auf ihrer Website. Wenn sie spricht, geht es oft um die Krise, um die Klimaerhitzung. Schuld daran ist vor allem einer: der Autofahrer. Zürchers Lieblingsgegner.
Nun will Zürcher zusammen mit dem Verein Umverkehr Basel grüner machen. Am Wochenende stimmt die Basler Stimmbevölkerung über zwei Stadtklima-Initiativen ab. Während zehn Jahren soll jährlich ein Prozent des Strassenraums in Grün-, Fussgänger- und Veloflächen umgewandelt werden. In der Praxis heisst dies: mehr Velowege, mehr Bäume, mehr Grün. Und: weniger Strassen.
Die Basler Stadtklima-Initiativen sind quasi zwei Versuchsballons des Vereins Umverkehr. Und ein Pulsmesser dafür, was die Bevölkerung bereit ist aufzugeben, um mehr Platz für Velos und Fussgänger zu schaffen.
In neun weiteren Schweizer Städten hat der Verein fast identische Initiativen gestartet, um den Veloverkehr und Grünflächen auszubauen und den Autoverkehr zu drosseln. So etwa in Zürich, Bern, Winterthur oder Chur. Überall soll ein kleiner Prozentsatz des Strassenraums umgenutzt werden. Überall innert zehn Jahren. Basel stimmt nun als Erstes darüber ab.
Tonja Zürcher ist Sprecherin von Umverkehr. Ein Drittel der Stadt Basel bestehe nur aus Verkehrsfläche, sagen sie und ihre Verbündeten. Der grösste Teil davon sei für das Auto da, kritisieren sie. Das soll sich ändern.
Ihre Gegner in Basel finden das eine schlechte Idee. Die Idee sei so schlecht, dass deswegen auch das politische Klima in der Stadt gelitten habe.
Hansjörg Wilde ist Präsident des Basler Gewerbeverbands. Er ist keiner, dessen Blut allzu schnell in Wallungen gerät. Wenn er aber an die möglichen Auswirkungen der Stadtklima-Initiativen denkt, dann gerät er in Rage. Die ganze Stadt als Grossbaustelle! Verkehrschaos und Stau! Umsatzeinbussen für die Wirtschaft! Die grossen Schlagworte sind auch auf bürgerlicher Seite griffbereit. Wilde ärgert sich, dass die Umweltaktivisten Velofahrer gegen Autofahrer ausspielen. Einmal mehr!
Verhärtete Fronten
Die Fronten sind verhärtet, obwohl die Positionen in der Kernfrage eigentlich gar nicht so weit auseinanderliegen. Dass die Grünflächen in der dicht besiedelten Stadt Basel – nur in Genf leben mehr Menschen pro Quadratkilometer Fläche – grundsätzlich etwas gar spärlich verteilt sind, wird auch von den Gegnern kaum bestritten. Doch pro Jahr gleich 0,5 Prozent der Flächen entsiegeln? Das dann doch nicht.
In Basel geht es am Sonntag um die Stadt der Zukunft. Doch wie soll diese aussehen?
Die Befürworterinnen um Tonja Zürcher schwärmen von ihren Vorbildern in Europas Metropolen, von Barcelona oder Paris. Hansjörg Wilde sagt dazu: «Wenn ich mir die Luftbilder ansehe, dann stelle ich fest, dass der Kanton Basel-Stadt bereits heute wesentlich grüner aussieht als Kopenhagen, Barcelona oder Paris.»
Für Wilde ist darum die Frage falsch gestellt. Statt «Wie grün muss eine Stadt sein?» müsste es heissen: «Wo muss die Stadt grün sein?» Für ihn ist vor allem klar, wo eine Stadt nicht grün sein muss: Sicher nicht dort, wo die Verkehrsinfrastruktur dafür sorgt, dass Menschen, Wohnungen und Arbeitsplätze erreichbar sind. Er meint: in der Innenstadt. Er bemängelt, dass das eigentliche Ziel der Initiative nicht darin besteht, mehr Grünraum zu schaffen. Sondern dass die Vorlage darauf angelegt ist, die Autos aus der Stadt auszusperren.
Das bestreitet der Verein Umverkehr gar nicht gross. Eines seiner Ziele sind weniger Autos auf den Strassen. Der Verein wurde 1992 gegründet und versuchte 2000 erstmals, eine gesamtschweizerische Lösung durchzubringen. Doch die nationale Verkehrshalbierungs-Initiative scheiterte deutlich mit einem Nein-Anteil von 78,7 Prozent. Darauf änderte man die Strategie und bearbeitete die Städte als Einzelprojekte. Basel-Stadt stimmte zum Beispiel 2010 einer Reduktion des Autoverkehrs um zehn Prozent bis 2020 zu.
Die Anzahl Autos pro 1000 Einwohner verringerte sich darauf von 352 auf 319. In Basel gibt es heute unter den grössten Schweizer Städten am wenigsten Autos pro Einwohner. Auch darum werden den Initiativen gute Chancen gegeben.
Das Beispiel Luzern
Auch in Luzern versucht man, die Stadt via Urne umzubauen. Im Mai 2022 stimmte die Stadtbevölkerung über den Gegenvorschlag zur Initiative «Luzerner Velonetz jetzt!» ab. Er wurde mit über 70 Prozent angenommen. Jetzt muss die Stadt innert zehn Jahren ein Velohauptroutennetz schaffen, das 27 Kilometer lang ist. Es wurde auch festgelegt, wie breit die Velowege sein müssen – mindestens 1,8 Meter. Fast 20 Millionen Franken nimmt die Stadt dafür in die Hand.
«Man darf die Kosten nicht scheuen», sagt der Luzerner Nationalrat Michael Töngi. «Einen gefährlichen Kreisel zu umfahren, kann auch bei einem Veloprojekt schnell in die Millionen gehen.»
Der Grünen-Politiker ist Präsident der Luzerner Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz und im nationalen Vorstand. Er betont, wie entscheidend es sei, in solchen Initiativen klare Ziele und Zeitspannen zu definieren.
So gab es in Luzern vor zwei Jahren ebenfalls eine sogenannte Stadtklima-Initiative der Grünen, der Verein Umverkehr war nicht involviert und auch nicht besonders begeistert von der Namenskopie. Damals verzichtete man auf eine Prozentzahl – und zog die Initiative dann zugunsten eines Gegenvorschlags zurück. Für Töngi zeigt das: «Messbare Grössen sind wichtig.» Auch um später kontrollieren zu können, ob ein Vorhaben umgesetzt wurde.
Für ein Fazit zur Luzerner Veloinitiative sei es noch zu früh, sagt Töngi. Aber was sich zeige: Auch wenn die Städte Velooffensiven beschlössen, hätten sie deswegen nicht freie Bahn. «In Luzern sind der Stadt oft die Hände gebunden, weil es an den neuralgischen Stellen auf den Kantonsstrassen nicht vorwärtsgeht.» Mit anderen Worten: Der Kanton bremst aus. «Veloprojekte werden erst begonnen, wenn Strassen grundsätzlich saniert werden müssen», stört sich Töngi.
Dabei sei es wichtig, den Städten die nötigen Instrumente zu geben. «Nur so kommen wir in der Verkehrspolitik weiter.»
Die bürgerliche Horrorvorstellung: Weniger Parkplätze
In Basel würde eine Annahme der Stadtklima-Initiativen für mehr Bäume sorgen. Und sie hätte direkte Folgen für die Parkplätze. Diese müssten im grossen Stil abgebaut werden. Für viele Bürgerliche eine Horrorvorstellung. Doch selbst Hansjörg Wildes Gewerbeverband mag nicht mehr für die Parkplätze kämpfen. Zu häufig hat der Verband in der Vergangenheit bei Abstimmungen Niederlagen eingefahren.
Die Debatte dreht sich darum um das Thema Baustellen. Gibt es genügend Kapazitäten in der Baubranche? Ist der Umbau der Stadt ohne Verkehrskollaps möglich? Sind die Initiativen in dieser Form überhaupt umsetzbar? Alle diese Fragen beantwortet die Basler Regierung mit einem deutlichen Nein.
Die grünliberale Baudirektorin Esther Keller ist dabei in einer ungemütlichen Lage. Sie betont zwar, dass die Stadt grüner werden müsse, sagt aber auch, dass der Kampf gegen die Hitzeinseln längst aufgenommen worden sei. Kellers Mobilitätsstrategie ist nicht so weit entfernt von den Zielen von Umverkehr. Und doch bremst sie. Keller warnt, dass die Initiativen das Klimaschutzziel des Kantons gefährdeten, weil die Kapazitäten im Tiefbau für den Ausbau des Fernwärmenetzes gebraucht würden.
Ob die Basler Bevölkerung auf sie hört? In den vergangenen Abstimmungen hat sie häufig die Anliegen des Umweltschutzes höher gewichtet als die Sorgen der Wirtschaft. In Basel, dieser grauen Stadt, leben die grünen Träume.
Fehler gefunden?Jetzt melden.