Abstimmung über grüne StädteIn zehn Schweizer Städten sollen Strassen zu Grünflächen werden
Ein Verein hat etwa in Bern und Zürich Initiativen lanciert, um den Verkehr einzuschränken. Basel stimmt bald als erste Stadt darüber ab – mit Signalwirkung für die ganze Schweiz.
«Wie können die Asphaltflächen aufgerissen und die Grünflächen dramatisch vergrössert werden? Doppelt so viele Bäume in jeder Strasse sind möglich.» Dieses Zitat stammt nicht von Aktivisten der Klimajugend, sondern vom 73-jährigen Stararchitekten Jacques Herzog. Er hat sich kürzlich in der «Süddeutschen Zeitung» zur Begrünung von Städten geäussert.
Das Architektenduo Herzog & de Meuron kommt aus Basel – und genau dort findet in zwei Wochen eine der wichtigsten Abstimmungen für die Zukunft der Verkehrsgestaltung in Schweizer Städten statt.
«Es geht um alles oder nichts»
Grund sind zwei Initiativen des Vereins Umverkehr. Er bezeichnet sich selbst als parteipolitisch unabhängige Umweltorganisation und ist Mitglied der Klimaallianz Schweiz. Sein Ziel ist es, den motorisierten Individualverkehr massiv einzuschränken. 2000 scheiterte die nationale Volksinitiative «für die Halbierung des motorisierten Strassenverkehrs zur Erhaltung und Verbesserung der Lebensräume» an der Urne klar: Lediglich 21,3 Prozent der Stimmenden und kein einziger Kanton nahmen sie an.
Jetzt nimmt Umverkehr einen neuen Anlauf: Der Verein richtet den Fokus auf die Städte. Diese will er via lokale Initiativen auf einen grüneren Weg bringen. Insgesamt hat der Verein in zehn Schweizer Städten gleichlautende Initiativen eingereicht, sogenannte Stadtklima-Initiativen (Aarau, Basel-Stadt, Bern, Biel, Chur, Genf, Ostermundigen, St. Gallen, Winterthur und Zürich).
In Basel nehmen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erstmals direkt zu diesem Anliegen Stellung. Am 26. November kommen gleich zwei Volksbegehren an die Urne: Mit der «Gute-Luft-Initiative» sollen während zehn Jahren jährlich 0,5 Prozent der Strassenfläche in Grünflächen mit Bäumen umgewandelt werden. Und die «Zukunftsinitiave» will jährlich während zehn Jahren 0,5 Prozent des Strassenraums in Flächen für den Fuss- und Veloverkehr sowie den öffentlichen Verkehr umwandeln. Einen Gegenvorschlag gibt es nicht. Ausser den Grünen und der SP sind alle politischen Parteien gegen die beiden Initiativen. Auch die Regierung lehnt sie ab.
«In Basel geht es um alles oder nichts» lautet der Titel eines Beitrags über die Stadtklima-Initiativen in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift von Umverkehr. Geschäftsführer Silas Hobi sagt: «Es braucht solche konkreten Forderungen, damit in der Rheinstadt das Tempo hin zu einer grüneren Stadt beschleunigt wird.» Die Gegner hätten versucht, Angst vor zusätzlichen Baustellen zu schüren. Dabei biete der ohnehin stattfindende Fernwärmeausbau, der Umbau von ÖV-Haltestellen und weiteren Leitungs- und Strassensanierungen in den nächsten Jahren viele Chancen zur Begrünung. Viel zu oft würden solche Chancen verpasst.
In Genf und Basel werden viele Forderungen erfüllt
Das sieht Hansjörg Wilde, der Präsident des Gewerbeverbandes Basel-Stadt, ganz anders: «Auch wir wollen eine grünere Stadt, aber der Fahrplan der beiden Initiativen ist schlichtweg unrealistisch.» Basel würde mit der Umgestaltung von 480’000 Quadratmeter innerhalb von nur zehn Jahren tatsächlich in eine Grossbaustelle verwandelt. Mit mehr Lärm, Stau und Stress – was ja auch nicht gesundheitsfördernd sei, argumentiert Wilde. Die bereits beschlossene städtische Klimastrategie – notabene 2022 vom Volk abgesegnet – sehe bereits Netto-null-Treibhausemissionen bis 2037 vor. Diese Initiativen würden gar nicht auf die Basler Verhältnisse eingehen. Deshalb hofft Wilde auf ein Nein des Basler Stimmvolks: «Auf alle Fälle wird das ein Elchtest für die radikalen Forderungen von Umverkehr.»
Auch Hobi sieht die Abstimmung in Basel als wichtiges Signal für andere Städte. Dennoch betont er, ein Nein an der Urne würde nicht bedeuten, dass die Initiativen anderswo keine Chance hätten. Im Gegensatz zu anderen Städten seien die Basler auf keinen Gegenvorschlag eingestiegen. In St. Gallen oder Genf habe die Organisation ihre Volksbegehren zurückgezogen, weil bis zu 80 Prozent ihrer Forderungen erfüllt worden seien, betont Hobi: «Wir sind durchaus kompromissbereit.» In Basel sei das schlichtweg nicht möglich gewesen, weil die Gegenvorschläge vom Parlament versenkt worden seien.
Dieser Artikel stammt aus dem Verkehrsmonitor, einem Portal von Tamedia, das die Verkehrs- und Mobilitätsbranche täglich mit exklusiven, fundierten und relevanten News und Hintergründen beliefert. Mehr Infos: www.verkehrsmonitor.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.