Revolution im Musikmarkt? Bands machen neu mit Crypto-Kunst Millionen
Sogenannte NFT krempeln den Kunstmarkt um. Können sie auch Musikschaffenden nachhaltig zu höheren Einnahmen verhelfen?
Wenn es um die drei Buchstaben NFT geht, fällt in letzter Zeit verdächtig oft das Wort «Revolution». Im Februar berichtete die «SonntagsZeitung» über die bevorstehenden Umwälzungen im Kunstmarkt, die ob dieser «Non-Fungible Tokens» möglich geworden sind. Was für die digitalen Künste gilt, lässt sich auch auf den Musikmarkt anwenden. Auf Youtube erklären selbst ernannte Crypto-Experten und Musikbranchen-Kennerinnen begeistert, weshalb NFT mindestens so wichtig sein werden wie die Streaming-Technologie.
Aber von vorne: NFT sind Zertifikate, die einem digitalen Werk – das kann alles sein von einem Lied über ein digitales Gemälde bis hin zu einem GIF – Einmaligkeit bescheinigen. Daher der Name «Non-Fungible Token» (zu Deutsch etwa «nicht austauschbare Wertmarke»). Diese Zertifikate sind auf der Blockchain hinterlegt; mit der dezentralen Lagerung der Informationen, die das Zertifikat ausmacht, ist seine Sicherheit garantiert.
Astronomische Preise für Kunstwerke
Erstellen lassen sich diese NFT relativ einfach mit dem Ausfüllen eines Formulars auf den Handelsplattformen wie Open Sea, Rarible oder Nifty Gateway. Dafür braucht man nur ein Wallet für eine Kryptowährung, in der Regel Ethereum, und ein bisschen Geld. Denn das Erstellen, oder «Minting», eines NFT kostet je nach Plattform unterschiedlich viel. Ähnlich ersteht man ein Stück NFT-Kunst: Man kauft direkt per Klick oder bietet mit. Bezahlt wird ebenfalls mit dem digitalen Wallet.
Mit NFT ist quasi aus dem Nichts in den vergangenen Monaten ein gigantischer Markt entstanden. Befeuert auch durch die öffentlich zur Schau gestellte Begeisterung schwerreicher Unternehmer wie Gary Vaynerchuk oder Marc Cuban, werden einzelne Kunstwerke zu astronomisch hohen Fantasiepreisen gehandelt. Und nun entdecken Musikschaffende NFT für sich.
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Die Vorteile von NFT-Kunst für Musiker und Musikerinnen liegen auf der Hand: Zum einen können sie ihren Fans hier einzigartiges Material zum Verkauf oder zur Versteigerung anbieten, sei das Musik oder Merchandise – NFT lassen sich auch mit realen Gegenständen kombinieren. So könnte beispielsweise eine limitierte Vinyl-Auflage nur an Inhaber von NFT ausgegeben werden.
Die US-amerikanische Rockband Kings of Leon geht mit ihrem Anfang März erschienenen Album «When You See Yourself» diesen Weg. Für den festen Preis von 0,035 Ether (rund 57.50 Franken) gibt es das digitale Album zum Download, eine limitierte Vinyl-Ausgabe sowie eine digitale Sammelkarte, ein sogenanntes Collectible. Die NFT-Besitzer können Download, Vinyl und Sammelkarte über einen mitgelieferten Code einlösen. Nach kurzer Zeit hat die Band damit über 2 Millionen Dollar eingenommen.
Ein virtueller Kunstzyklus für sechs Millionen US-Dollar
Etwas kreativer ist Künstlerin und Musikerin Grimes vorgegangen. Sie verkaufte ihren digitalen Kunstzyklus «Warnymph» für rund sechs Millionen US-Dollar. Die britische Techno-Legende Richie Hawtin bietet auf der NFT-Art-Plattform Opensea.io Bilder seines Roland 303 an, mit dem er unter seinem Alias Plastikman 1993 das Album «Sheet One» aufgenommen hat. Das Bild ist untermalt mit dem 303-typischen Sound aus dem jeweiligen «Sheet One»-Stück, welches das Bild repräsentiert. Die Ton-Bild-Kombinationen werden für Beträge zwischen 450 und 800 Franken gehandelt.
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Diese Art von NFT bietet Fans das Gefühl, ein Stück ihres Idols zu besitzen. Und sie können weiter gehandelt werden, im besten Fall natürlich zu einem steigenden Preis. Hier bietet sich für Musiker eine weitere Einnahmemöglichkeit: Sie können sich, ähnlich wie Tantiemen, am Weiterverkauf beteiligen, durch einen vorher festgelegten Prozentsatz. So verdient die Künstlerin sogar dann, wenn der Preis mal nicht so hoch ausfallen sollte.
Ein dritter Vorteil ist der direkte Draht zwischen Kunstschaffenden und Kunden: Im Fall von Musik werden Labels, Verlage, Promo-Agenturen und Händlerinnen oder Streaminganbieter komplett umgangen – auch wenn man davon ausgehen kann, dass zumindest die Labels ein Interesse an diesem Markt haben werden.
Wie man auch mit schon bestehender Kunst in NFT gross abkassieren kann, demonstrierte unlängst der US-amerikanische Electro-Produzent 3lau. Zum Drei-Jahr-Jubiläum seines Albums «Ultraviolet» veröffentlichte er diverse Versionen neu als NFT Art. Unter anderem gab es Pakete mit neu eingespielten Stücken und Zugang zu bislang nicht veröffentlichtem Material. Die Auktion endete mit einem Geldsegen von umgerechnet 10,8 Millionen Franken. Bezahlt werden NFT in Kryptowährung, die man wiederum in bare Münze umwandeln kann.
Werden dank NFT jetzt alle Kunstschaffenden reich? So einfach ist es nicht.
Dass man auch mit anderen Musikern via NFT Geschäfte machen kann, zeigt der Produzent Illmind. Der Künstler, der in der Vergangenheit mit grossen Namen der Branche zusammengearbeitet hat – Ariana Grande, Kanye West, Drake und Dr. Dre sind nur einige von ihnen –, verkaufte eine Sammlung mit Sample-Loops und Melodien. Wer sie ersteigert hat, darf frei über sie verfügen. Ob dies ein künftiges Business-Modell für Produzentinnen und Beat-Maker sein kann, muss sich freilich erst zeigen.
Noch einen Schritt weiter geht der Electro-Produzent Guy J: Er versteigerte im Dezember 2020 die Lizenzrechte für ein Stück namens «Cotton Eyes» für umgerechnet etwas über 24’000 Franken.
Ist NFT also das Wundermittel, das darbende Kulturschaffende rettet? Vermutlich nicht, aber es kann angenommen werden, dass sich die Crypto-Kunst eine bleibende Nische schaffen, vielleicht sogar Teil des Mainstreams werden kann. Denn auch hier konkurrenzieren Musikerinnen und Künstler miteinander um Geld und Aufmerksamkeit – so, wie es auf Spotify eine riesige Menge an ungehörter Musik hat, wird auch der Grossteil der NFT Art völlig unentdeckt bleiben oder zu geringen Preisen an den Fan gebracht werden. Und das natürlich erst dann, wenn etwas Ruhe in den Markt eingekehrt ist.
Abenteuerliche Kursschwankungen kennt man von Bitcoin, diese Turbulenzen werden auch NFT noch bevorstehen. Langfristig dürften sich die Preise allerdings stabilisieren und dann, wie im traditionellen Musik- oder im neueren Streamingmarkt auch, ein paar Superstars gross verdienen. Schweizer Musikerinnen und Musikern scheinen diese Einnahmemöglichkeit bislang noch nicht zu nützen.
Data-Mining ist ein komplexer Rechenvorgang, der doppelt so viel Energie verbraucht wie die Schweiz als Land.
Dass die NFT in Kryptowährungen gehandelt werden, sollte nur anfänglich für einige Nutzer Probleme darstellen. Grösser und ungelöst scheint die Problematik des Energiekonsums zu sein: Das der Kryptotechnologie zugrunde liegende Data-Mining ist ein komplexer Rechenvorgang, der viel Rechnerkraft und somit Energie benötigt.
Der Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index, der laufend die weltweit für Bitcoin aufgewendete Energie überwacht, schätzt, dass Bitcoin mehr Energie aufwendet als die Ukraine und mehr als doppelt so viel wie die Schweiz.
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