Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Restomod Emilia GT
Balsam für die Alfa-Romeo-Seele

Der Emilia GT soll in 22 Exemplaren zu Preisen zwischen 400’000 und 500’000 Euro noch in diesem Jahr an den Start gehen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Irgendetwas läuft falsch bei Alfa Romeo: Zwar haben die Italiener mit dem Stelvio einen attraktiven SUV am Start, doch die Zahlen zeigen trotzdem steil bergab. Verkaufte die Traditionsmarke 2018 in der Schweiz noch 3617 Fahrzeuge, waren es im vergangenen Jahr nur noch deren 1368 – das entspricht einem Minus von 24,7 Prozent gegenüber 2020. Klar, Corona macht sich auch bei Alfa Romeo bemerkbar, doch 2021 hat mit 32,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr nur Mitsubishi ein noch grösseres Minus verbuchen müssen, während der Gesamtmarkt 2021 sogar um 0,7 Prozent zugelegt hat. Zudem haben sich die Marktanteile in der Schweiz halbiert – von 1,2 Prozent im Jahr 2018 auf 0,6 Prozent 2021.

Doch im Gegensatz zur Marke Lancia ist Alfa Romeo kein hoffnungsloser Fall: Am 8. Februar wird das aktuelle Alfa-Portfolio von Stelvio und Giulia endlich um eine Neuheit ergänzt – den langersehnten Tonale, dessen Premiere bereits mehrmals verschoben wurde. Der unterhalb des Stelvio angesiedelte Neuling soll in der VW-Tiguan-Klasse punkten. «La Metamorfosi», verspricht Alfa Romeo für die Weltpremiere und will mit dem ersten elektrifizierten (Plug-in-Hybrid) Modell der Marke in seinem Segment neue Massstäbe in Sachen Fahrspass setzen.

510 statt 131 PS und eine Klimaanlage

Ganz andere Ideen hat Oldtimer-Spezialist Ralf-Hendrik Steinkühler. Bislang hat der Hamburger peinlich genau auf Originalität und auf verbriefte Daten geachtet. Doch jetzt bringt er die Zeitachse gehörig durcheinander, denn der Emilia GT basiert auf dem Alfa Giulia GT, der 1963 vorgestellt wurde und als Alfa Bertone zu Ruhm und Ehre kam. So will er den alten Alfa mit moderner Technik ins Heute holen und folgt dem Trend zum Hightech-Oldtimer, die als «Restomods» gerade hoch im Kurs stehen. Denn sie werden nicht nur restauriert, sondern gleich auch modernisiert – und zwar idealerweise mit der Technik des gleichen Herstellers.

Deshalb verheiratet Steinkühler einen alten Alfa Bertone mit einem neuen Giulia QV und pflanzt gemeinsam mit seinem Entwicklungspartner Velo Performance aus Berlin vor allem dessen kräftiges Herz unter die Haube des Klassikers. Wo bislang maximal 2,0 Liter Hubraum, vier Zylinder und 131 PS zu haben waren, toben jetzt sechs Kolben durch 2,9 Liter und schleudern 510 PS und 600 Nm von der Kurbelwelle. Damit die Herztransplantation gelingt, braucht der Emilia GT einen völlig neuen Vorbau, sodass von der alten Karosserie von der Windschutzscheibe frontwärts nicht mehr viel übrig bleibt. Und damit das Ganze auch nur halbwegs fahrbar wird, baut Steinkühler auch die Achsen und die Automatik aus dem Giulia ein und übernimmt sogar die Schaltwippen am Lenkrad. Das ist zwar nach wie vor aus Holz und prangt vor analogen Instrumenten, doch gibt es auch sonst viel neue Technik: Klimaautomatik, elektrische Fensterheber und ein modernes Infotainment müssen schon sein, genau wie die bequemen Recaros. Dafür erscheint die Rückbank verzichtbar und fliegt kurzerhand raus.

1 / 5
Von der alten Karosserie bleibt von der Windschutzscheibe frontwärts nicht mehr viel übrig.
Der Emilia GT basiert auf dem Alfa Giulia GT, der 1963 vorgestellt wurde und als Alfa Bertone zu Ruhm und Ehre kam.
Die Emilia-GT-Macher folgen dem Trend zum Hightech-Oldtimer, die als «Restomods» hoch im Kurs stehen.

Ja, der Antrieb ist aktuell, aber das Fahrgefühl dürfte trotzdem sehr viel archaischer sein, als es Alfisti heute gewohnt sind. Erstens, weil Steinkühler zwar ABS und Traktionskontrolle einbaut, sich aber zumindest das ESP verkneift. Und zweitens, weil der Emilia GT nur 1250 Kilo wiegt und nicht wie der Giulia fast zwei Tonnen auf die Waage bringt. «Das wird mächtig was vorangehen», ist Steinkühler überzeugt und kann es kaum erwarten, bis aus seinen digitalen Skizzen auf dem Schreibtisch endlich ein greifbares Auto in der Garage wird und er zur Jungfernfahrt starten kann. Denn noch in diesem Jahr sollen 22 Exemplare gebaut und verkauft werden – zum stolzen Preis von mindestens 400’000 Euro.

Kann das in der heutigen Zeit noch funktionieren? «Klar schwärmen viele Autofans noch immer von den alten Formen und vermissen bei modernen Autos die Emotionen», hat Steinkühler bei seinen Kunden beobachtet. Doch egal, ob sie nun mit einem Ferrari Testarossa von der Probefahrt zurückkommen, mit einem Lancia Delta Integrale oder eben einem Alfa Bertone, sieht Steinkühler dann oft genug Enttäuschung in ihren Gesichtern: «Die Fahrleistungen nicht mehr up to date, der Komfort nicht zeitgemäss, und dann auch noch ohne Klima und Servolenkung. Von der Wartung ganz zu schweigen», fasst er die Kritik zusammen, die ihn letztlich zur aufwendigen Organtransplantation geführt hat.

Gegen den Trend der Elektromobilität

Natürlich haben Steinkühler und seine Partner bei der Gelegenheit auch gleich über einen Elektromotor nachgedacht, weil der im Trend liegt, neue Kundengruppen erschliesst und noch weniger Wartung braucht als ein moderner Verbrenner. Doch gerade der Siegeszug der Stromer war es, der Steinkühler von dem ganz grossen Sprung auf der Zeitachse abgehalten hat. «Unser Auto soll etwas Besonderes sein. Wer die Woche über zwischen Wohnung und Büro elektrisch pendelt, der soll sich am Wochenende auf den soliden Sound eines Verbrenners freuen dürfen und entsprechend emotional unterwegs sein.»

Zwar weiss Steinkühler, dass er mit dem Projekt so manchen Traditionalisten gegen sich aufbringt, weil denen ein altes Auto heilig ist. Selbst wenn er von 95 Prozent Zustimmung im Kreis der Alfisti spricht. Doch erstens hat er sich bewusst ein Modell aus der Grossserie ausgesucht und keinen raren Ferrari oder Maserati. «Schliesslich wurden von der Giulia GT in über zehn Jahren mehr als 220’000 Exemplare gebaut, sodass man 22 Umbauten wohl verschmerzen kann.» Und zweitens hätte er es nie gewagt, für den Emilia einen gut erhaltenen Klassiker zu opfern, beteuert der Restomodder. «Wir haben uns bewusst Spenderfahrzeuge gesucht, die ohnehin nicht mehr fahrbereit waren, und bringen damit sogar noch ein paar mehr Alfas auf die Strasse zurück.» Das wird die Verkaufsbilanzen von Alfa in der Schweiz zwar nicht retten, ist aber auf jeden Fall Balsam auf die Alfa-Seele.