Amerikanisch-chinesische Spionageaffäre Ballon-Affäre: Was wir bis jetzt wissen und was nicht
In den letzten zehn Tagen wurden über South Carolina, Michigan, Montana und Kanada ein Spionageballon und drei unbekannte Flugkörper abgeschossen. Eine Übersicht, was bisher geschah und wie die Ereignisse gedeutet werden.
Der chinesische Spionageballon und drei unbekannte Flugkörper
Am 1. Februar wird ein grosser Spionageballon über Billings, Montana, gesichtet. Das Pentagon ist alarmiert, da sich in der Nähe der Luftwaffenstützpunkt Malmstrom Air Force Base befindet, der mit Interkontinentalraketen ausgestattet ist. Beobachtet von zahlreichen Schaulustigen, lässt US-Präsident Joe Biden den Ballon am 4. Februar vor der Küste von South Carolina durch Kampfflugzeuge abschiessen. Die Trümmer werden von Bergungsschiffen eingesammelt.
Am 9. Februar wird über Alaska ein weiteres unbekanntes Flugobjekt, bei dem es sich um einen Spionageballon handeln könnte, entdeckt. Es fliegt auf 12 Kilometern Höhe. Der Flugkörper hat die Ausmasse eines Kleinwagens, ist silbergrau und unbemannt. Er wird am 10. Februar rund 16 Kilometer vor der Küste Alaskas, in der Nähe von Deadhorse, auf Anordnung von US-Präsident Joe Biden zerstört.
Auf gemeinsamen Befehl des kanadischen Präsidenten Justin Trudeau und von US-Präsident Joe Biden wird am 11. Februar über Mayo, Yukon, im Nordwesten Kanadas, ein unbekanntes Flugobjekt, das in 12 Kilometern Höhe unterwegs ist, zum Abschuss freigegeben. Die kanadische Verteidigungsministerin Anita Anand beschreibt es als zylindrisches Objekt, das kleiner als der chinesische Spionageballon sei.
Am 12. Februar gibt US-Präsident Joe Biden einen weiteren Abschussbefehl für einen unbekannten Flugkörper, der über dem Huronsee, zwischen den US-Bundesstaaten Michigan und Ontario, durch ein Kampfflugzeug zerstört wird. Er wird vom Pentagon als von achteckiger Form beschrieben und ist in rund sechs Kilometern Höhe unterwegs.
So reagieren die USA
Die US-Regierung findet scharfe Worte für den Vorfall um den ersten Abschuss: China habe gezielt US-Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. US-Aussenminister Anthony Blinken bezeichnet den Vorfall als Verletzung der amerikanischen Souveränität und sagt einen Besuch in China ab. Die USA werfen China zudem vor, mit Spionageballons ein systematisches Überwachungsprogramm zu betreiben und damit mehr als 40 Länder ins Ziel genommen zu haben. Bei den drei Flugobjekten, die zwischen dem 10. und 12. Februar abgeschossen wurden, ist bis jetzt offen, von wem und von wo genau sie losgeschickt wurden. Sie hätten alle eine Gefahr für die zivile Luftfahrt dargestellt und seien in der Nähe von Verteidigungseinrichtungen unterwegs gewesen, weshalb man sie habe abschiessen müssen, teilen die US-Behörden mit.
So reagiert China
China weist alle Vorwürfe von sich: Beim Ballon über Michigan habe es sich um einen vom Kurs abgekommenen Wetterballon gehandelt. Als Redaktion auf die drei weiteren Abschüsse vom Wochenende und weitere Schuldzuweisungen entgegnete das chinesische Aussenministerium, die USA hätten im vergangenen Jahr selber mehr als zehn Spionageballone in grosser Höhe über China fliegen lassen. Die USA sollten zudem aufhören, bewusst Konfrontation anzufachen. Die Vorwürfe werden vom Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, umgehend als unwahr bezeichnet.
So wird die Ballon-Affäre gedeutet
Beim am 4. Februar abgeschossenen Ballon sind sich die USA sicher, dass er Spionagezwecken diente. China habe eine ganze «Flotte» über mehr als 40 Ländern eingesetzt.
Melissa Dalton, stellvertretende US-Verteidigungsministerin des Amtes für Heimatschutz und Sicherheitsangelegenheiten, erklärt während einer Pressekonferenz am Abend des 12. Februar, dass als Reaktion auf den ersten Abschuss die Radarüberwachung für unbekannte Flugobjekte erhöht wurde. Die Daten würden genauer ausgewertet. Dies könne die Zunahme an Sichtungen von nicht identifizierbaren Objekten im amerikanischen Luftraum zumindest teilweise erklären.
Zu den anderen drei Objekten äussert sich Dalton vorsichtig. Sie sagt lediglich, es sei bekannt, dass auch öffentliche und private Forschungseinrichtungen eigene Forschungsfahrzeuge in diesen Höhen in die Atmosphäre schössen.
Das US-Pentagon erklärt ebenfalls am 12. Februar, noch sei unklar, worum es sich bei den drei Objekten genau gehandelt habe. Der Kommandeur des US-Nordkommandos, Glen VanHerck, lässt verlauten, es seien «sehr, sehr kleine Objekte» gewesen, die sich sehr langsam fortbewegt hätten, etwa mit Windgeschwindigkeit.
Wieso Spionageballons und nicht Satelliten?
Sicherheitsexperte John Blaxland von der Australian National University sagte gegenüber dem «Guardian», dass die hohen Kosten von Überwachungssatelliten und die zunehmende Entwicklung von Satelliten-Abwehrsystemen Spionageballons wieder attraktiver machten. Der Weltraum sei zu voll geworden. Zudem können die günstigeren Ballons ein Gebiet aus geringerer Höhe überfliegen und aufgrund ihrer langsamen Fluggeschwindigkeit präzisere Aufnahmen machen.
Die neusten Entwicklungen
US-Aussenminister Anthony Blinken hat laut dem Nachrichtenportal Bloomberg angekündigt, sich an der Münchner Sicherheitskonferenz vom 17. bis 19. Februar mit dem chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi treffen zu wollen. Es wäre das erste Treffen zwischen chinesischen und amerikanischen Diplomaten seit Beginn der Spionageballon-Affäre.
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